OGH 9ObA71/14b

OGH9ObA71/14b22.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Barbara Auzinger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Feststellung (Streitwert: 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. April 2014, GZ 12 Ra 29/14t‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00071.14B.0722.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur Ausübung der Funktion eines Personalvertreters iSd § 70 Abs 1 PBVG gehört all das, was nach dem Wortlaut des Bundes‑Personalvertretungsgesetzes Personalvertretungstätigkeit ist. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im weitesten Sinn der Personalvertretertätigkeit im Sinn der Vertretung der Interessen der Bediensteten gegenüber dem Dienstgeber oder der Vertretung dienlichen Vorbereitungs‑ und Hilfstätigkeit zu werten ist (8 ObA 76/07w; 9 ObA 90/12v).

Die Klägerin erhob gegen den ‑ im Klagebegehren namentlich bezeichneten ‑ Vorsitzenden eines Personalvertretungsorgans, der eine Dienststelle in seiner Funktion als Personalvertreter besuchte, in einer gegen diesen erstatteten Disziplinaranzeige den Vorwurf, er habe sich einer Kollegin von hinten genähert, während diese arbeitete, ihr auf die Schultern gegriffen und sich an sie gedrückt, wobei die Kollegin dieses Verhalten als unangenehm und unerwünscht empfunden habe.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ein solches Verhalten inhaltlich keine Funktionsausübung iSd § 70 Abs 3 PBVG ist, entspricht den von der zitierten Rechtsprechung genannten Leitlinien, sodass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt. Eine die Revision rechtfertigende unvertretbare Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zeigt der Revisionswerber nicht auf. Im Verfahren gemäß § 70 Abs 3 letzter Satz PBVG hat sich das Gericht auf die Feststellung zu beschränken, dass die dem Personalvertreter vorgeworfenen Äußerungen oder Handlungen (nicht) in Ausübung des Mandats erfolgt sind. Eine inhaltliche Prüfung dahingehend, ob das Personalvertretungsorgan das ihm vorgeworfene Verhalten auch tatsächlich gesetzt hat, ist dem Gericht verwehrt (RIS‑Justiz RS0123086). Mit der Behauptung, das Berufungsgericht habe das dem Vorsitzenden des Personalvertretungsorgans vorgeworfene Verhalten zu Unrecht als „Begrapschen“ bezeichnet, zeigt der Revisionswerber daher weder eine Mangelhaftigkeit noch eine Aktenwidrigkeit des Verfahrens des Berufungsgerichts auf.

Der Revisionswerber hat im Verfahren erster Instanz nicht dargelegt, aus welchen Gründen die in der Disziplinaranzeige dem Vorsitzenden des Personalvertretungsorgans vorgeworfenen Handlungen der Ausübung des Mandats des Personalvertretungsmitglieds zuzurechnen seien. Er hat lediglich die gegen diesen erhobenen Vorwürfe bestritten und ausgeführt, dass, selbst wenn sie wahr wären, der Vorsitzende der Meinung sein konnte, es liege eine befugte Mandatsausübung vor. Die Ausführungen des Revisionswerbers, die behauptete Vorgehensweise stelle eine im ländlichen Raum und infolge der langjährigen Bekanntschaft der Beteiligten übliche herzliche Begrüßung dar, die der Kontaktaufnahme und damit der Mandatsausübung diene, übergehen aber, dass der gegenüber dem Vorsitzenden des Personalvertretungsorgans erhobene Vorwurf auch umfasst, dass sein Verhalten für die betroffene Arbeitnehmerin unangenehm und unerwünscht gewesen sei. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ‑ die Wahrheit dieses Vorwurfs vorausgesetzt ‑ eine derartige Handlung zum Zweck der Mandatsausübung weder notwendig noch tolerierbar sei, ist nach den hier maßgeblichen Umständen des Einzelfalls keinesfalls unvertretbar.

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