OGH 8ObA76/07w

OGH8ObA76/07w17.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Alfred Klair und Dr. Thomas Keppert als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Österreichische Post Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Vertrauenspersonenausschuss *****, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (§ 70 Abs 3 PBVG), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Mai 2007, GZ 9 Ra 74/06b-16, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 11. November 2005, GZ 20 Cga 60/05x-11, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

  1. 1. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
  2. 2. Dem Rekurs wird Folge gegeben.

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, dass die Entscheidung insgesamt als Endurteil zu lauten hat:

    „Es wird mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die nachfolgende, Robert H***** zur Last gelegte Handlung, nämlich das am 12. 11. 2004 eigenmächtige - entgegen den wiederholten Feststellungen des Distributionsleiters Stefan G*****, dass noch kurze Zeit für die Vorkartierung benötigt werde - Ausrufen des „letzten Absammelgangs", wodurch an diesem Tag 34 „E + 1 Sendungen" in den Vorsortier- und Schlusskästen liegenblieben, nicht in Ausübung des Mandates von Robert H***** als Vorsitzender des Vertrauenspersonenausschusses der Zustellbasis ***** erfolgte. Hingegen wird das Klagebegehren, es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die Robert H***** zur Last gelegte Handlung, nämlich, das

    am 6. 8. 2004 anlässlich der Einvernahme eines Bediensteten der erstklagenden Partei, Alexander S*****, zu der Robert H***** beigezogen war, in Anwesenheit aller Beteiligten vorgenommene Zerknüllen und Wegwerfen der von den Vorgesetzten aufgenommenen Sachverhaltsdarstellung, die die Grundlage einer Ermahnung von Alexander S***** bilden sollte, wodurch das den Vorgesetzten zukommende Aufsichtsrecht, Mitarbeiter zu befragen, sie anzuweisen und zu ermahnen, erheblich beeinträchtigt wurde;

    nicht in Ausübung des Mandats als Vorsitzender des Vertrauenspersonenausschusses der Zustellbasis ***** erfolgt sei," abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Robert H***** war seit 1. 10. 1991 als Beamter bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigt. Mit dem am 1. 5. 1996 in Kraft getretenen Poststrukturgesetz wurde zur Besorgung der bis dahin von der Post- und Telegraphenverwaltung wahrgenommenen Aufgaben die Post- und Telekom Austria AG gegründet. Mit 1. 1. 1999 wurde die klagende Partei gegründet und mit 1. 7. 1999 von der Post- und Telekom Austria AG abgespalten. Robert H***** war seit 1. 5. 1996 der Post- und Telekom Austria AG und ist seit 1. 7. 1999 der klagenden Partei zur Dienstleistung zugewiesen. Der Beklagte ist das für den Bereich der Zustellbasis ***** eingerichtete Personalvertretungsorgan. Robert H***** ist Vorsitzender des beklagten Personalvertretungsorgans. Auf sein Dienstverhältnis ist gemäß § 17 Abs 9 Poststrukturgesetz nach wie vor das BDG anzuwenden.

Im Februar 2005 leitete die klagende Partei gegen Robert H***** ein Disziplinarverfahren ein.

In der Disziplinaranzeige wird ihm vorgeworfen,

1. am 5. 8. 2004 anlässlich einer Einvernahme eines Bediensteten der Zustellbasis *****, zu der Robert H***** beigezogen war, die von den Vorgesetzten aufgenommene Sachverhaltsdarstellung, die die Grundlage für eine Ermahnung des Mitarbeiters bilden sollte, in Anwesenheit aller Beteiligter zerknüllt und weggeworfen zu haben, wodurch das den Vorgesetzten zukommende Aufsichtsrecht, Mitarbeiter zu befragen, sie anzuweisen und zu ermahnen, erheblich beeinträchtigt wurde und

2. am 12. 11. 2004 entgegen den wiederholten Feststellungen des Distributionsleiters, dass noch kurze Zeit für die Vorkartierung benötigt werde, eigenmächtig durch die Haussprechanlage den „letzten Absammelgang" aufgerufen zu haben, wodurch an diesem Tag 34 Stück E + 1 Sendungen in den Vorsortier- und Schlusskästen liegenblieben.

Die Begründung lautet:

Anlässlich einer Tischkontrolle am 5. 8. 2004 beim Zusteller Alexander S***** beim Postamt *****, wurden mehrere Sendungen, darunter etliche Rsa- und Rsb- Briefe, vorgefunden, die von S***** nicht zugestellt worden waren. S***** wurde daraufhin am 6. 8. 2004 vom Distributionsleiter O***** im Beisein vom Distributionsleiter T***** und Distributionsleiter G***** einvernommen. Auf Wunsch S*****'s wurde bei der Einvernahme auch der Vorsitzende des Vertrauenspersonenausschusses Robert H***** zugezogen. Im Zuge dieser Einvernahme warf der Vorsitzende des Vertrauenspersonenausschusses den Distributionsleitern vor, dass diese nicht berechtigt gewesen wären, Tischkontrollen inklusive der Kontrollen der Tischladen durchzuführen. Die vom Distributionsleiter O***** verfasste Sachverhaltsdarstellung, die Grundlage für eine Ermahnung bilden sollte, wurde vom Bediensteten nicht unterschrieben und in der Folge von Robert H***** zerknüllt und weggeworfen. Da das Wegwerfen eines zur Ausübung des rechtmäßigen Aufsichtsrechtes der Vorgesetzten benötigten Schriftstückes nicht unter die Kompetenzen des Vertrauenspersonenausschusses fällt, liegt der dringende Verdacht einer Dienstverletzung vor.

Im Oktober 2004 wurde von Robert H***** ohne Zustimmung der Distributionsleiter, über die Haussprechanlage das „letzte Ausheben" verlautbart. Robert H***** wurde in der Folge vom zuständigen Distributionsleiter darauf hingewiesen, dass er damit seine Kompetenzen als Vorsitzender des Vertrauenspersonenausschusses überschritten hätte. Robert H***** versprach, künftig derartiges zu unterlassen.

Am 12. 11. 2004 kam es jedoch zu einem neuerlichen Vorfall. Robert H***** drängte den Distributionsleiter G*****, den letzten Absammelgang durchführen zu lassen. Es wurde ihm erklärt, dass noch einige Wochenzeitungen nachkartiert werden müssten. Der Distributionsleiter G***** ging in der Folge selbst zur ABC-Kartierung und arbeitete den Vorsortierkräften das Material zu. Um 6.54 Uhr kam Robert H***** nochmals zu G***** und fragte, wann er den letzten Absammelgang veranlassen würde. G***** antwortete ihm, dass er noch kurze Zeit benötige, da noch E + 1 Sendungen zu kartieren seien. H***** ging daraufhin zum Mikrofon und sagte den letzten Absammelgang durch ... Feststeht, dass durch die verfrühte Aufforderung, das letzte mal die Post abzusammeln, es zu Rückständen bei den E + 1 Sendungen kam. So blieben an diesem Tag in den Vorsortier- und Schlusskästen noch 34 Stück E + 1 Sendungen liegen. Da H***** außerdem zweimal den Distributionsleiter fragte, wann er den letzten Absammelgang durchführen lasse, musste H***** bewusst gewesen sein, dass der Zeitpunkt des letzten Absammelgangs ausschließlich von den Distributionsleitern zu bestimmen ist und daher auch von diesen und nicht vom VPA Vorsitzenden bestimmt wird.

...

Es besteht daher der dringende Verdacht, dass Robert H***** gegen die in § 43 Abs 1 BDG 1979 normierte Treuepflicht eines Beamten sowie gegen die in § 44 Abs 1 leg cit beinhaltete Unterstützungspflicht verstoßen hat ...."

Die beklagte Partei verweigerte mit der Begründung, dass Robert H***** lediglich seine Verantwortung als Personalvertreter im Interesse der Kollegen und im Sinn des Postbetriebsverfassungsgesetzes wahrgenommen habe, die Zustimmung, den Personalvertreter dienstrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Das Disziplinarverfahren wurde bis zum Vorliegen einer Zustimmung unterbrochen.

Die klagende Partei begehrt die aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungen im Wesentlichen mit der Begründung, die auch der - insoweit festgestellten - Disziplinaranzeige zu entnehmen ist. Gemäß § 70 Abs 1 PBVG dürften Mitglieder von Personalvertretungsorganen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Organs, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Gemäß § 70 Abs 3 PBVG habe das Personalvertretungsorgan die Zustimmung zu erteilen, wenn es zum Ergebnis komme, dass die Äußerungen und Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt seien. Erteile das Personalvertretungsorgan die Zustimmung nicht, habe das Gericht aufgrund einer Klage festzustellen, ob die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt seien. Die beklagte Partei habe ihre Zustimmung zur Verfolgung ihres Vorsitzenden zu Unrecht verweigert. Robert H***** habe die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen außerhalb der Ausübung des Mandats gesetzt. Die Wegnahme, das Zerknüllen und Wegwerfen einer Sachverhaltsdarstellung anlässlich der Ermahnung eines Mitarbeiters habe nur dazu gedient, die Klägerin in der Ausübung ihrer Aufsichtspflicht zu behindern. Die Durchsage des „letzten Absammelgangs" stelle eine ausschließlich betriebliche Angelegenheit dar, die nur von den Distributionsleitern wahrzunehmen sei. Dies sei H***** auch bekannt gewesen.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung mit der wesentlichen Begründung, Robert H***** sei am 6. 8. 2004 in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vertrauenspersonenausschusses über Wunsch von Alexander S***** zur Besprechung mit den Distributionsleitern hinzugezogen worden. S***** habe die Unterfertigung der Sachverhaltsdarstellung wegen inhaltlicher Unrichtigkeit verweigert. Das Zerknüllen und Wegwerfen des H***** zum Durchlesen übergebenen Schriftstücks sei in Wahrung der Interessen Alexander S*****'s und damit in Ausübung des Mandats erfolgt. H***** habe auch weder im Oktober 2004 noch am 12. 11. 2004 den „letzten Absammelgang" durchgesagt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Robert H***** habe die ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen nicht in Ausübung des Mandats gesetzt. Das demonstrative „Zerreißen (gemeint wohl: Zerknüllen) und Wegschmeißen" einer Niederschrift gehe über eine sachliche Kritik weit hinaus. Es handle sich um ein in der gegebenen Situation nicht angebrachtes Verhalten, das auch nicht dadurch gerechtfertigt werde, dass Robert H***** an der Besprechung in seiner Eigenschaft als Personalvertreter teilgenommen habe. Das eigenmächtige Durchsagen des „letzten Absammelgangs" sei nicht in Ausübung des Mandats erfolgt, weil Personalvertretern gemäß § 8 Abs 3 PBVG ein selbständiges Eingreifen in den Gang des Betriebes untersagt sei. Das Berufungsgericht änderte in Ansehung des Vorwurfs des „Zerknüllens und Wegwerfens einer Niederschrift" das Ersturteil als Teilurteil im klagsabweisenden Sinn und hob hinsichtlich des Vorwurfs des „Durchsagens des letzten Absammelgangs" das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die ordentliche Revision gegen das Teilurteil sowie den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ließ das Berufungsgericht zu. Rechtlich führte es aus, dass es sich nicht der Auffassung der Klägerin anschließen könne, dass das Gericht im Verfahren nach § 70 Abs 3 PBVG nur zu prüfen habe, ob die einem Personalvertreter zur Last gelegten Äußerungen oder Handlungen (nicht) in Ausübung des Mandats erfolgt seien, dabei aber nicht zu untersuchen habe, ob der Personalvertreter diese Äußerungen oder Handlungen wirklich gesetzt habe. Die Klägerin übersehe, dass § 70 Abs 3 PBVG dem Gericht inhaltlich die Aufgabe zuweise, die nicht erteilte Zustimmung des Personalvertretungsorgans zu ersetzen oder eine solche ersatzweise Zustimmung zu verweigern. § 70 Abs 3 PBVG sei insoweit mit § 101 ArbVG verwandt. Das Gericht habe ganz allgemein eine konkrete Streitfrage einschließlich der dieser zugrundeliegenden Tatfragen zu lösen. Davon sei auch für § 70 Abs 3 PBVG auszugehen. Dem stehe der Grundsatz der Gewaltentrennung (Art 94 B-VG) nicht entgegen. Das vormals im PBVG iVm § 101 ArbVG vorgesehene Zustimmungserfordernis der Personalvertretungsorgane zur Versetzung von Beamten, sei unter anderem wegen der von der Lehre angemeldeten verfassungsrechtlichen Bedenken durch das Budget-Begleitgesetz 2003 beseitigt worden. Hingegen sei § 70 Abs 3 PBVG unberührt geblieben. Dafür sei nach Auffassung des Berufungsgerichts ausschlaggebend, dass § 70 Abs 3 PBVG - im Gegensatz zur obdiskutierten Regelung - keine Zustimmung des Gerichts zur Erlassung eines verwaltungsbehördlichen Bescheids normiere. Vielmehr habe im Fall des § 70 Abs 3 PBVG das Gericht lediglich über eine Vorfrage zu entscheiden. Im Verwaltungsweg sei die Frage zu prüfen, ob der Beamte sich der Verletzung von Dienstpflichten schuldig gemacht habe und daher dienstrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sei. Ob die soweit relevanten Äußerungen und Handlungen eines Personalvertreters (nicht) in Ausübung des Mandats erfolgt seien, stelle eine, der ausschließlich im Verwaltungsweg zu behandelnden Frage nach der dienstrechtlichen Verantwortung, vorgelagerte Problematik dar. Das Erstgericht sei somit auch zur Klärung der Frage berufen gewesen, ob der Kläger am 12. 11. 2004 den „letzten Absammelgang" tatsächlich ausgerufen habe oder nicht. Auf dieser Grundlage erweise sich das Verfahren hinsichtlich dieses Faktums als primär mangelhaft. Hinsichtlich des „Faktums" S***** komme den Ausführungen der Klägerin, dass H***** bei der Besprechung mit S***** am 6. 8. 2004 „definitiv als Personalvertreter" zugezogen worden sei und auch beim Zerknüllen und Wegwerfen der Niederschrift ausschließlich in dieser Funktion gehandelt habe, teilweise Berechtigung zu.

§ 70 Abs 3 PBVG normiere im Ansatz eine sogenannte Mandatsschutzklausel wie sie sich - umfassend gestaltet - auch in § 120 Abs 1 ArbVG finde. Voraussetzung dafür, dass ein Verhalten der Mandatsausübung zugerechnet werden könne, sei, dass der Personalvertreter intentional im Interesse der Belegschaft handle. Allerdings genüge die bloß subjektive Ansicht des Personalvertreters, Belegschaftsinteressen zu vertreten, für sich allein noch nicht. Vielmehr sei erforderlich, dass der Personalvertreter auch objektiv der Meinung sein könne, im Rahmen des Mandats tätig zu sein. Auf dieser Grundlage komme es im Einzelfall nicht auf die genaue Eingrenzung des betriebsverfassungsrechtlich Zulässigen an. Personalvertreter sollen vielmehr auch dann geschützt sein, wenn sie „die Zone betriebsverfassungsrechtlich erlaubter Interessenvertretung überschritten" haben. Die Mandatsschutzklausel werde daher gerade dann schlagend, wenn die betriebsverfassungsrechtlich eingeräumten Kompetenzen überschritten wurden. Dass H***** bei allen verfahrensgegenständlichen Vorfällen in der subjektiven Absicht gehandelt habe, Belegschaftsinteressen zu vertreten, liege auf der Hand. Ebenso könne nicht zweifelhaft sein, dass er bei der Teilnahme an der S***** betreffenden Besprechung am 6. 8. 2004 objektiv in dieser Eigenschaft als Personalvertreter gehandelt habe. Dass es bei dieser Mandatsausübung zu unangebrachten emotionalen Ausfällen H*****'s in Form des Zerknüllens (und Wegwerfens) der Niederschrift gekommen sei, vermöge daran nichts zu ändern. Anderes gelte hingegen, soweit H***** vorgeworfen werde, am 12. 11. 2004 eigenmächtig den „letzten Absammelgang" ausgerufen zu haben. Nach § 8 Abs 3 PBVG seien die Organe der Arbeitnehmerschaft verpflichtet, ihre Tätigkeit nicht nur tunlichst ohne Störung des Betriebs und des Unternehmens zu vollziehen, sondern seien diese auch nicht befugt, in die Führung und den Gang des Betriebs oder des Unternehmens durch selbständige Anordnungen einzugreifen. Auf dieser Grundlage habe H***** bei objektiver Betrachtung nicht der Meinung sein dürfen, bei der - allenfalls erfolgten - Ausrufung des „letzten Absammelgangs" in Ausübung des Mandats tätig zu werden.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sowie die Revision seien zuzulassen gewesen, weil zur Frage des Umfangs der Prüfungsbefugnis der Gerichte nach § 70 Abs 3 PBVG soweit überblickbar keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs und die Revision der klagenden Partei sind aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig; der Rekurs ist auch berechtigt.

Zum Rekurs:

Zutreffend bekämpft die Rechtsmittelwerberin die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass das Gericht nach § 70 Abs 3 PBVG auch zur Klärung der Frage berufen sei, ob der Personalvertreter das ihm in einer Disziplinaranzeige zur Last gelegte Verhalten auch tatsächlich gesetzt hat.

Im Bundesgesetz über die Einrichtung und Aufgaben der Post- und Telekom Austria AG (Poststrukturgesetz - PTSG, BGBl 1996/201) findet sich in § 17 die Regelung, dass die aktiven Beamten der Post- und Telegraphenverwaltung in den Dienststand der Post- und Telekom Austria AG (nunmehr der Klägerin) übernommen werden, jedoch die dienstrechtlichen Bestimmungen im Wesentlichen unberührt bleiben. Dies bedeutet, dass öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse weiter von den im PTSG vorgesehenen Dienstbehörden nach dem Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG), BGBl 1984/29, behandelt werden (vgl § 17 Abs 4 PTSG; 8 ObA 118/01p; 9 ObA 109/05b ua). Neben diesem formellen Dienstverhältnis zum Bund besteht ein gesondertes „Zuweisungsverhältnis" dieser Beamten (unter anderem) zur klagenden Partei, der sie zur Dienstleistung zugewiesen sind (§ 17 Abs 1 PTSG; ausführlich Floretta/Wachter, Zur Rechtsstellung der bei der Telekom-Austria-Gruppe beschäftigten Beamten, in FS Cerny 578 [598 ff]; 9 ObA 109/05b). Der Bund als Dienstgeber dieser Beamten übt seine Diensthoheit durch eines der in § 17 Abs 2 PTSG genannten Personalämter aus. Diesen kommt die Funktion einer obersten Dienst- und Pensionsbehörde zu.

Vorliegend ist unstrittig, dass der Kläger nach wie vor als Beamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht und dass hierauf weiterhin die für ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis von Bundesbeamten geltenden Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Der Kläger unterliegt daher weiterhin vor allem dem Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG) 1979, BGBl 1979/333. Verletzt der Beamte schuldhaft seine Dienstpflichten, ist er nach dem Disziplinarrecht zur Verantwortung zu ziehen (§ 91 BDG 1979). Für den Bereich der „Post" gilt aber das Post-Betriebsverfassungsgesetz, (PBVG) BGBl 1996/326. Nach diesem Sondergesetz gelten neben den darin enthaltenen besonderen betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften auch Teile des ArbVG für Arbeitsverhältnisse zur klagenden Partei. Gemäß § 70 PBVG (der im dritten Hauptstück mit der Überschrift „Rechtsstellung der Mitglieder der Personalvertretungsorgane gemäß § 9 Abs 1 Z 2 bis 4" geregelt ist) dürfen Mitglieder von Personalvertretungsorganen (...), die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Organs, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden (Abs 1). Nach Abs 3 leg cit hat das Personalvertretungsorgan die Zustimmung zu erteilen, wenn es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sind. Erteilt das Personalvertretungsorgan die Zustimmung nicht, hat das Gericht aufgrund einer Klage festzustellen, ob die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sind.

Die Rechtsmittelwerberin weist zutreffend daraufhin, dass der Wortlaut des § 70 Abs 1 PBVG praktisch jenem des § 28 Bundespersonalvertretungsgesetz (PVG) entspricht, wonach die Personalvertreter .... wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden dürfen.

Entsprechend der Bestimmung des § 70 Abs 3 PBVG regelt § 28 Abs 2 PVG, dass der Ausschuss die Zustimmung zu erteilen hat, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass die Äußerung oder Handlung nicht in Ausübung der Funktion erfolgt ist.

In Lehre und Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass mit der Konstruktion des Post-Betriebsverfassungsgesetzes die bisherigen Vertretungsstrukturen aus dem öffentlichen Bereich im Wesentlichen aufrecht erhalten werden sollten (Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG Bd 2³ § 33 Erl 4; 9 ObA 109/05b mwH).

Gemäß § 28 Abs 2 PVG hat das Personalvertretungsorgan, dem der Personalvertreter angehört, zu prüfen, ob das zu ahndende Verhalten in der Eigenschaft als Personalvertreter gesetzt wurde oder nicht. Dabei hat das Personalvertretungsorgan nicht zu prüfen, ob die dem Personalvertreter vorgeworfenen Äußerungen und Handlungen einen dienstrechtlich zu ahndenden Tatbestand darstellen und ob der Personalvertreter die ihm zur Last gelegten Äußerungen oder Handlungen tatsächlich gesetzt hat, sondern lediglich die Frage zu beurteilen, ob das dem Personalvertreter vorgeworfene Verhalten, die Wahrheit des Vorwurfs vorausgesetzt, in Ausübung seiner Funktion als Personalvertreter gesetzt worden wäre oder nicht; die anderen Umstände zu beurteilen, ist allein Aufgabe der ständigen Dienstgeberorgane (Schragel, Handkommentar zum Bundes-Personalvertretungsgesetz [PVG] § 28 Rz 1 mwN). Die Dienstgeberseite kann den Beschluss des Personalvertretungsorgans bei der Personalvertretungsaufsichtskommission (PVAK) anfechten. Die PVAK kann einen gesetzwidrigen Beschluss nur aufheben, nicht aber die gesetzwidrige Verweigerung der Zustimmung ersetzen (Schragel aaO Rz 10 mwN). An die Rechtsansicht der PVAK ist das Personalvertretungsorgan aber gebunden; es hat umgehend einen Beschluss im Sinn der Rechtsauffassung der PVAK zu fassen und der Dienstgeberseite mitzuteilen; es verhält sich gesetzwidrig, wenn es einen solchen Beschluss nicht (umgehend) fasst.

Nach § 70 Abs 3 letzter Satz PBVG hat im Fall der Nichterteilung der Zustimmung durch das Personalvertretungsorgan das Gericht festzustellen, ob die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sind. Aus dieser Bestimmung geht zwar hervor, dass das Gericht durch die bindende Feststellung, dass eine Handlung oder Äußerung (nicht) in Ausübung des Mandats erfolgt ist, die fehlende Zustimmung des Personalvertretungsorgans substituiert, keinesfalls kann daraus aber geschlossen werden, dass dem Gericht eine inhaltliche Prüfung des, dem Personalvertreter vorgeworfenen Verhaltens ermöglicht werden soll.

§ 70 Abs 3 letzter Satz PBVG ist daher dahingehend auszulegen, dass sich das Gericht auf die Feststellung zu beschränken hat, dass die dem Personalvertreter vorgeworfenen Äußerungen oder Handlungen (nicht) in Ausübung des Mandats erfolgt sind. Eine inhaltliche Prüfung dahingehend, ob das Personalvertretungsorgan das ihm vorgeworfene Verhalten auch tatsächlich gesetzt hat, ist dem Gericht verwehrt, würde dies doch einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in die ausschließlich der klagenden Partei durch § 17 PTSG vom Bund als Dienstgeber übertragenen Diensthoheit bedeuten. Das Berufungsgericht hat nun im Zusammenhang mit dem in Punkt 2. des Spruchs dieser Entscheidung erhobenen Vorwurf völlig zutreffend ausgeführt, dass Robert H***** bei Ausrufung des „letzten Absammelgangs" nicht in Ausübung des Mandats tätig war, sodass es ausreicht, auf die insofern zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die beklagte Partei vertritt in ihrer Rekursbeantwortung lediglich die Rechtsansicht, dass es für die Frage der Zurechenbarkeit oder Nichtzurechenbarkeit zur Mandatsausübung auf den konkreten Inhalt der Durchsage ankomme, folglich also der konkrete Inhalt der Durchsage festgestellt werden müsse. Dieser Auffassung hat der erkennende Senat allerdings bereits oben eine Absage erteilt.

Zur Revision:

Die Revisionswerberin bekämpft in diesem Zusammenhang im Wesentlichen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der dem Personalvertreter in § 70 PBVG eingeräumte Schutz im Sinn der Mandatsschutzklausel des § 120 Abs 1 ArbVG zu interpretieren sei. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage einer allfälligen Anwendung der zur „Mandatsschutzklausel" ergangenen Rechtsprechung erübrigt sich hier, da sich die in Punkt 1. des Spruchs dargestellte Handlung auch unter Anlegung der zu § 28 Abs 2 PVG ergangenen Grundsätze (noch) als in Ausübung des Mandats darstellt. Nach ständiger Spruchpraxis der PVAK gehört zur Ausübung der Personalvertreter-Funktion all das, was nach dem Wortlaut des Personalvertretungsgesetzes Personalvertretungstätigkeit ist. So die Teilnahme an Sitzungen des Personalvertretungsorgans, dem der Personalvertreter angehört, die Teilnahme an Verhandlungen mit dem Dienstgeber und an Dienststellenversammlungen, ebenso die Teilnahme an unverbindlichen Besprechungen, die vom Dienstgeber für notwendig gehalten wurden, sowie alle Geschäftsführungshandlungen für das Personalvertretungsorgan. Die Funktion als Personalvertreter geht aber über diese Tätigkeiten und über die Vorbereitungstätigkeiten hiefür hinaus. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit im weitesten Sinn der Personalvertreter-Tätigkeit im Sinn der Vertretung der Interessen der Bediensteten gegenüber dem Dienstgeber oder der Vertretung dienlichen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeit zu werten ist (A19-PVAK/04). Eine Tätigkeit eines Personalvertreters kann der Personalvertreter-Funktion überhaupt nur zugeordnet werden, wenn die Handlung oder Äußerung zumindest einem Dienstgeber-Vertreter, einem Bediensteten der Dienststelle, bei der der Ausschuss besteht, einem anderen vom Ausschuss zu vertretenden Bediensteten oder einem anderen Personalvertreter gegenüber gesetzt worden ist (A26-PVAK/02). Es liegt im Wesen der in § 28 Personalvertretungsgesetz den Personalvertretern eingeräumten echten beruflichen Immunität, dass auch gewisse Pflichtverletzungen sanktionslos zu bleiben haben, wenn sie in Ausübung der Funktion als Personalvertreter erfolgten (A21-PVAK/01). Berücksichtigt man, dass schon nach der Begründung der Disziplinaranzeige Robert H***** in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vertrauenspersonenausschusses der Einvernahme eines Dienstnehmers beigezogen wurde, dem gegenüber eine Ermahnung ausgesprochen werden sollte, ist das Zerknüllen und Wegwerfen der die Grundlage für diese Ermahnung bildenden Sachverhaltsdarstellung durch H***** (gerade noch) im Sinn einer non-verbalen Unmutsäußerung im Zusammenhang mit der (vermeintlichen) Wahrung der Interessen des mit (vermeintlich unberechtigten) Vorwürfen konfrontierten Dienstnehmers zu sehen und somit - ungeachtet der Frage, ob dieses Verhalten als rechtswidrig zu qualifizieren ist - „in Ausübung des Mandats" erfolgt. Das Berufungsgericht hat daher das Klagebegehren, es möge festgestellt werden, dass die Handlung nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sei, zutreffend abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 Abs 1 Satz 1 ASGG iVm § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Die klagende Partei hat mit einem von zwei gestellten (gleichwertigen) Feststellungsbegehren obsiegt. Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind daher gegenseitig aufzuheben.

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