OGH 10ObS74/14a

OGH10ObS74/14a15.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Manfred Mögele (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr. Sophie Kinsky, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 8. Mai 2014, GZ 6 Rs 21/14a‑53, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00074.14A.0715.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 292 Abs 1 ASVG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem BBG 2011) hat der Pensionsberechtigte unter den sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ iSd § 66 Abs 2 JN zu verstehen (SRÄG 1996 BGBl 1996/411, RV 214 Blg NR 20. GP, 44). Nach § 66 Abs 2 JN ist bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, dessen Dauer und Beständigkeit maßgeblich, weiters sind andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Ab wann, wie lange bzw ab wann nicht mehr von einem „gewöhnlichen Aufenthalt“ gesprochen werden kann, ist allein aus der Definition des § 66 Abs 2 JN nicht zu beantworten. Nach der Rechtsprechung kommt es dabei darauf an, ob jemand einen Ort zum Mittelpunkt seines Lebens, seiner wirtschaftlichen Existenz und seiner sozialen Beziehung macht (RIS‑Justiz RS0085478; RS0106709; RS0106710). Es muss zwar nicht unbedingt ein ständiger Aufenthalt vorliegen, allerdings müssen objektiv überprüfbare Umstände persönlicher oder beruflicher Art darauf hindeuten, dass eine Person nicht nur vorübergehend, sondern längere Zeit an einem Ort bleiben wird (RIS‑Justiz RS0085478 [T3]). Der Aufenthalt wird ausschließlich durch die physische Anwesenheit bestimmt, nicht aber durch ein Willenselement („Verbleibeabsicht“ ‑ 10 ObS 401/97m, SSV‑NF 11/153).

2. Dafür, dass er sich in den strittigen Zeiten im Inland aufgehalten hat, trägt der klagende Pensionsbezieher im Verfahren über den Anspruch auf Ausgleichszulage die objektive Beweislast. Allfällige Negativfeststellungen gehen zu seinen Lasten (RIS‑Justiz RS0109264 [T1]).

3.1 Im vorliegenden Fall war zu beurteilen, ob der Kläger im Zeitraum 22. 6. 2010 bis 18. 11. 2010, für den die Ausgleichszulage gewährt werden soll, in Graz (als an dem von ihm angegebenen Aufenthaltsort) den Mittelpunkt seiner Lebensführung hatte.

3.2 Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, der Kläger habe die Absicht gehabt, von seinem Wohnort in Celje (Slowenien) nach Österreich zu übersiedeln, weil er sich von diversen slowenischen Behörden ungerecht behandelt fühlte. Obwohl er in Graz eine Wohnung angemietet habe, sei im vorliegenden Verfahren aber nicht feststellbar gewesen, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Slowenien jemals aufgegeben hat, tatsächlich nach Österreich gezogen ist und sich in Graz aufgehalten hat. In Graz sei er allenfalls an jenen Tagen gewesen, an denen er bei der Landesstelle Steiermark der beklagten Pensionsversicherungsanstalt vorgesprochen habe. Weiters übernahm das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichts, nach der der Kläger zwecks Abgeltung der aufgelaufenen Mietzinsschulden in Graz im Juli oder August 2010 zwei oder drei Tage hindurch ein Kinderzimmer ausgemalt hat. Ob es sich dabei um Tage gehandelt habe, an denen er sich zwecks Vorsprache bei der Landesstelle der beklagten Partei ohnedies in Graz aufhielt, habe nicht festgestellt werden können.

3.3 Die Ansicht des Berufungsgerichts, auf Grundlage dieser Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gar nicht begründet habe, weicht von den oben dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht ab.

Dass der Kläger im verfahrensrelevanten Zeitraum in Slowenien wegen Problemen mit einer Wohnung diverse Behördentermine wahrzunehmen hatte, kann dieses Ergebnis nicht ändern.

4. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (9 Ob 59/09f; 10 ObS 28/99m = SSV‑NF 13/21). Da der Kläger nicht aufzeigt, dass den Vorinstanzen dabei eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, war seine außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte