OGH 13Os116/13b

OGH13Os116/13b5.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Edgar V***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG (aF) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Finanzstrafbehörde und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 12. April 2013, GZ 16 Hv 55/09h‑181, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00116.13B.0605.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil sowie der unter einem gefasste Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte, die Finanzstrafbehörde und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Ausspruch nach § 26 Abs 2 FinStrG (dazu im Folgenden) enthält, wurde Edgar V***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 schuldig erkannt.

Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Feldkirch und „im Bereiche weiterer Finanzämter in Vorarlberg und Tirol“ gewerbsmäßig von Februar 2004 bis Februar 2006 als faktischer Geschäftsführer der E***** Ltd. „bzw 'Niederlassung' S*****“ vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1988 entsprechenden Lohnkonten Verkürzungen an Lohnsteuer für die Jahre 2004 und 2005 um 933.009,63 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Dagegen richtet sich die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, dass der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil des Angeklagten der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet:

Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG bedeutet in objektiver Hinsicht die Hinterziehung von selbst zu berechnenden Abgaben. Das Tatbild erfüllt, wer diese Abgaben nicht zu den gesetzlich festgelegten Fälligkeitszeitpunkten entrichtet. Das ist bei der Lohnsteuer grundsätzlich der 15. Tag des jeweils nachfolgenden Monats. Mit Ablauf des Entrichtungszeitraums wird (unabhängig von der Höhe des jeweiligen Hinterziehungsbetrags) eine selbständige Tat im Sinn des § 21 Abs 1 FinStrG verwirklicht (RIS‑Justiz RS0124712; Lässig in WK 2 Vor FinStrG Rz 10).

Ob das Gericht zur Aburteilung der dem Angeklagten angelasteten Finanzvergehen (soweit hier von Interesse: nach § 53 Abs 1 FinStrG) zuständig ist, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Dieses enthält in Bezug auf die einzelnen Finanzvergehen ‑ mangels Gliederung nach selbständigen Taten im Sinn der obigen Ausführungen ‑ keine Konstatierungen zu einem 100.000 Euro übersteigenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 erster Fall FinStrG). Insbesonders mit Blick darauf, dass die betrieblichen Tätigkeiten in Österreich durch Vermittlung von Arbeitern nach den Urteilannahmen „überwiegend auf Baustellen in Vorarlberg und auch in Tirol“ entfaltet wurden (US 14) und der Angeklagte die Taten ‑ dem Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zufolge ‑ „im Bereiche des Finanzamts Feldkirch sowie im Bereiche weiterer Finanzämter in Vorarlberg und Tirol“ begangen hatte (US 1), fehlt es auch an einer Feststellungsbasis für die Zusammenrechnung der jeweiligen Wertbeträge nach § 53 Abs 1 zweiter Fall FinStrG (vgl 13 Os 58/13y; 13 Os 177/08s mwN).

Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen ( Lässig in WK 2 FinStrG § 53 Rz 9) machte die Aufhebung des Urteils bereits bei nichtöffentlicher Beratung unumgänglich (§ 285e StPO), was auch die Aufhebung des ‑ verfehlt in Urteilsform ergangenen (RIS‑Justiz RS0086112; Lässig in WK 2 FinStrG § 26 Rz 9) ‑ Beschlusses auf Erteilung einer Weisung nach sich zog. Damit erübrigt es sich, auf die Argumentation der Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen.

Mit ihren Rechtsmitteln gegen das Urteil waren der Angeklagte, die Finanzstrafbehörde und die Staatsanwaltschaft auf die Urteilsaufhebung, Ersterer zudem mit seiner gemäß § 195 Abs 1 FinStrG, § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden Beschwerde auf die Aufhebung des Beschlusses auf Erteilung einer

Weisung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang werden Feststellungen zur Frage der gerichtlichen Zuständigkeit zu treffen sein. Zudem wird im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu beachten sein, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven finanzstrafrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen zukommt (RIS‑Justiz RS0087030). Ein solcher Bescheid entbindet das erkennende Gericht jedoch nicht von der Verpflichtung, sämtliche Beweismittel gewissenhaft auf ihre Beweiskraft zu prüfen (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO; RIS‑Justiz RS0087198). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit reicht somit der pauschale Verweis auf „im Schätzungswege“ festgestellte „Besteuerungsgrundlagen der Jahre 2004 und 2005“ und diesbezüglich in Rechtskraft erwachsene Bescheide (vgl US 5) nicht aus (RIS‑Justiz RS0087030 [T1]; Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 5).

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