OGH 3Ob78/14p

OGH3Ob78/14p21.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C***** A***** M*****, vertreten durch das Stadtjugendamt Salzburg, Salzburg, St. Julienstraße 20, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 19. Februar 2014, GZ 21 R 40/14z‑15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 9. Dezember 2013, GZ 4 PU 42/10i‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00078.14P.0521.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die siebenjährige Tochter der einvernehmlich geschiedenen und zur gemeinsamen Obsorge verpflichteten Eltern wird von der Mutter betreut, der Vater ist zur Leistung monatlichen Geldunterhalts verpflichtet, und zwar in Höhe von 228 EUR seit 1. Dezember 2007 und 255 EUR ab 1. Mai 2013.

Mit der Begründung, der Behandlungsversuch bei einem bestimmten Kassenarzt sei gescheitert, weil sie sich dort nicht wohlgefühlt und daher nicht behandeln lassen habe, weshalb sie von besonders geschulten und befähigten Kinderärzten betreut habe werden müssen, begehrt die Minderjährige vom Vater die von der Krankenkasse nicht refundierten Behandlungskosten von insgesamt 453,52 EUR als von der laufenden Unterhaltsleistung nicht gedeckten Sonderbedarf.

Der Vater trat diesem Antrag entgegen. Die Behandlung hätte ‑ ohne von der Krankenkasse nicht übernommener Kosten ‑ von Vertragsärzten vorgenommen werden können.

Die von der Mutter „privat“ getragenen Zahnbehandlungskosten betrugen im Jahr 2010 40 EUR, 2011 308,90 EUR, 2012 37,46 EUR und 2013 67,16 EUR.

Die Vorinstanzen wiesen die auf Ersatz des Sonderbedarfs gerichteten Unterhaltsbegehren ab. Die hier zu beurteilenden ärztlichen Leistungen werden normalerweise von Vertragsärzten der Krankenkasse auf deren Kosten erbracht. Die Minderjährige sei verpflichtet, die gesetzlichen oder vertraglichen Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Nur unvermeidbare Kosten infolge Krankheit über die Leistungen der Krankenkasse hinaus, könnten als Sonderbedarf berücksichtigt werden. Die Antragstellerin habe nicht einmal behauptet, Versuche unternommen zu haben, die hier zu beurteilenden Leistungen bei einem Vertragsarzt in Anspruch zu nehmen und, dass diese Behandlungen gescheitert wären.

Da Rechtsprechung zu so einem Fall fehle, sei der Revisionsrekurs zuzulassen (§ 62 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem sie die Verpflichtung ihres Vaters zur Abgeltung ihres Sonderbedarfs weiterverfolgt, nicht zulässig.

Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RIS‑Justiz RS0042656 [T48]).

Sonderbedarf ist der ‑ den Regelbedarf übersteigende ‑ Bedarf, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewusst außer Acht gelassenen Umstände erwächst (RIS‑Justiz RS0047564, RS0117791). Solche Mehrkosten sind insbesondere durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit bestimmt (RIS‑Justiz RS0047539). Die Abgeltung eines Sonderbedarfs hat Ausnahmecharakter. Der Zuspruch ist stets strengen Anforderungen zu unterwerfen. Bestehen gleichwertige Alternativen, die einen Sonderbedarf erübrigen, so genießt immer die den Unterhaltspflichtigen weniger belastende Alternative den Vorzug (1 Ob 350/98x mwN), sofern keine besonderen Rechtfertigungsgründe vorliegen (4 Ob 108/98f).

Die vom Rekursgericht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze der Rechtsprechung vorgenommene Einzelfallentscheidung ist jedenfalls vertretbar. Ein einziger Versuch, die zweifellos wichtige, aber keinesfalls lebensbedrohliche Untersuchung und allfällige Zahnbehandlung von einem Kassenarzt vornehmen zu lassen, reicht nicht aus, um eine Ersatzpflicht des geldunterhaltspflichtigen Vaters für den durch die Beiziehung eines Privatarztes verursachten Sonderbedarf zu begründen. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Abgeltung von Sonderbedarf hätte zunächst die nicht dringliche Untersuchung und Behandlung durch andere Kassenärzte versucht werden müssen.

Stichworte