OGH 6Ob69/14m

OGH6Ob69/14m15.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr.

 Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am ***** geborenen mj D***** L*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 1060 Wien, Amerlingstraße 11, über den Revisionsrekurs des Kindesvaters S***** P*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Februar 2014, GZ 44 R 618/13b‑167, womit der Rekurs des Kindesvaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 22. Juli 2013, GZ 7 PU 130/13z‑137, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00069.14M.0515.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kindesvater ist derzeit zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 230 EUR verpflichtet. Er beantragte die Herabsetzung dieses Betrags auf monatlich 130 EUR beginnend mit 1. 3. 2013.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Seit der letzten Unterhaltsbemessung sei keine wesentliche Änderung eingetreten.

Dieser Beschluss wurde dem Vater am 29. 7. 2013 durch Hinterlegung zugestellt. Am 9. 8. 2013 brachte der Kindesvater, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser, einen Schriftsatz ein, in dem er den Antrag stellte, ihm die Verfahrenshilfe im vollen Umfang zu bewilligen, weil er außer Stande sei, die Kosten des Rekurses zu bestreiten. Am 3. 9. 2013 legte der Kindesvater durch seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und ein Vermögensbekenntnis (ZP‑Form 1) vor. Dabei waren die Punkte 6 „Rechtssache“ und 7 „Umfang der Verfahrenshilfe“ nicht ausgefüllt.

Daraufhin stellte das Erstgericht den Antrag zur Verbesserung mit dem Auftrag zurück, binnen 8 Tagen anzugeben, wofür und in welchem Umfang die Verfahrenshilfe beantragt werde. Am 16. 9. 2013 legte der Rechtsvertreter des Vaters ein „verbessertes und nun vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis“ vor. Dabei war unter Punkt 6 „Rechtssache“ angekreuzt: „Ich benötige die Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rechtsmittels im Verfahren 7 PU 130/2013z des Bezirksgerichts Donaustadt“. Unter Punkt 6.2 war angeführt: „Unterhaltsherabsetzung; ich kann den derzeit festgesetzten Unterhaltsbetrag nicht bezahlen.“

Unter Punkt 7 „Umfang der Verfahrenshilfe“ war die Befreiung von Gerichtsgebühren, Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichts, Zeugen‑ und Sachverständigengebühren, Kosten der notwendigen Verlautbarungen und Barauslagen angekreuzt, nicht angekreuzt war hingegen unter anderem die Befreiung von den Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 18. 9. 2013 wurde dem Kindesvater Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis d und f ZPO bewilligt. Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Am 10. 10. 2013 erhob der Kindesvater, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Pochieser, Rekurs gegen die Abweisung seines Unterhaltsherabsetzungsantrags.

Das Rekursgericht wies den Rekurs als verspätet zurück.

Der Kindesvater habe klar zu erkennen gegeben, dass er seinen Verfahrenshilfeantrag einschränkte und die Beigebung eines Rechtsanwalts nicht mehr begehrte. Mit diesem Zeitpunkt habe die Rekursfrist gegen den angefochtenen Beschluss neu zu laufen begonnen. Der am 10. 10. 2013 eingebrachte Rekurs sei daher verspätet.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Rechtsfrage, ob ein in offener Rechtsmittelfrist gestellter umfassender Verfahrenshilfeantrag, der in der Folge um den Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts eingeschränkt werde, die Wirkung der Unterbrechung der Rechtsmittelfrist verliere, nicht vorliege.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1.1.  Zunächst ist festzuhalten, dass entgegen der Rechtsansicht des Rechtsvertreters des Minderjährigen der Revisionsrekurs nicht verspätet ist. Maßgeblicher Zustellzeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG ist der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, sohin im konkreten Fall der 28. 2. 2014. Der am 14. 3. 2014 elektronisch eingebrachte Revisionsrekurs ist daher rechtzeitig.

1.2.  Entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung ist der Revisionsrekurs auch nicht gemäß § 62 Abs 2 Z 2 AußStrG jedenfalls unzulässig. Im vorliegenden Fall geht es nämlich nicht um die Überprüfung der Entscheidung über die Verfahrenshilfe, sondern ausschließlich um die Auswirkung eines Verfahrenshilfeantrags auf die Rechtsmittelfrist.

2.  Die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist mangels einer dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbaren Regelung nicht jedenfalls, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RIS‑Justiz RS0120974 [T9]). Weist das Gericht zweiter Instanz „im Rahmen des Rekursverfahrens“ den Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung wegen Verspätung zurück, so ist auch dieser Beschluss unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (RIS‑Justiz RS0120974 [T7]).

3.  Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RIS‑Justiz RS0042656 [T48]).

4.1.  Ein während der Rekursfrist in einem außerstreitigen Verfahren eingebrachter Verfahrenshilfeantrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts unterbricht die Rekursfrist (RIS‑Justiz RS0111923 [T1]). Hingegen kann ein lediglich auf die Bewilligung der Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO abzielender Antrag den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht beeinflussen (RIS‑Justiz RS0041683 [T2]).

4.2.  Für den Fall, dass der Verfahrenshilfeantrag hinsichtlich des Umfangs der begehrten Begünstigungen missverständlich ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass das Erstgericht ein Verbesserungsverfahren durchzuführen hat, um dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sein Begehren klarzustellen (8 Ob 48/97k).

5.1.  Im vorliegenden Fall beantragte der Kindesvater ‑ wie das Rekursgericht zutreffend erkannte ‑ zunächst die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang, was eine Unterbrechung der Rekursfrist auslöste. Das später vorgelegte Vermögensbekenntnis erweckte jedoch Zweifel daran, ob der Kindesvater sein Begehren in vollem Umfang aufrecht hielt, weil dort der Punkt 7 „Umfang der Verfahrenshilfe“ nicht ausgefüllt war. Dies hat mit der Qualifikation des Vermögensverzeichnisses als bloßes Bescheinigungsmittel (vgl 3 Ob 130/05x) nichts zu tun, können sich doch Bedenken hinsichtlich des vom Antragsteller verfolgten Rechtsschutzziels nicht nur aus dem (ursprünglichen) Antrag, sondern auch aus ‑ wie immer zu qualifizierenden ‑ Folgeeingaben ergeben.

5.2.  Folgerichtig hat das Erstgericht daher im Sinne der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 48/97k) dem Kindesvater einen Verbesserungsauftrag zur Klarstellung (unter anderem) des Umfangs seines Antrags erteilt. Wenn der rechtsanwaltlich vertretene Kindesvater daraufhin neuerlich ein vollständig ausgefülltes Antragsformular ZP‑Form 1 vorlegt, in dem die Befreiung von den Kosten für einen Rechtsanwalt gerade nicht angekreuzt war, so ist dies zweifelsfrei als Einschränkung des ursprünglichen Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang zu qualifizieren. Eine Veranlassung zu weiteren Verbesserungsaufträgen oder Nachfragen seitens des Erstgerichts bestand nicht, weil der Antragsumfang durch Ankreuzen der begehrten Begünstigungen zweifelsfrei klargestellt war. Zutreffend entschied das Erstgericht daher auch nur über den Verfahrenshilfeantrag iSd § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO, nicht aber über das ‑ nicht aufrecht erhaltene ‑ Begehren auf Beigebung eines Rechtsanwalts. Dass diese Deutung des Antrags des Kindesvaters durch das Erstgericht zutreffend war, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass dieser Beschluss unangefochten in Rechtskraft erwuchs.

5.3.  Damit bestand aber ab dem Zeitpunkt der Einschränkung des Verfahrenshilfeantrags kein Grund mehr für eine Unterbrechung der Rekursfrist, konnte doch ab diesem Zeitpunkt hinsichtlich der ursprünglich begehrten Beigebung eines Rechtsanwalts weder eine abweisende noch eine bewilligende Entscheidung mehr erfolgen, sodass kein Anknüpfungspunkt für einen späteren Beginn des Laufs der Rekursfrist nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes bestünde.

6.  Die Entscheidung des Rekursgerichts entsprach daher der eindeutigen Rechtslage, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

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