OGH 8Ob48/97k

OGH8Ob48/97k23.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst R*****, vertreten durch Dr.Josef Flaschberger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Paul H*****, vertreten durch Dr.Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 143.755,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17. Dezember 1996, GZ 4 R 114/96h-25, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2.Mai 1996, GZ 21 Cg 248/95w-11, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Urteil vom 2.5.1996 (ON 11) hielt das Erstgericht den von ihm erlassenen Wechselzahlungsauftrag aufrecht und erkannte den Beklagten zur Zahlung von S 143.755,-- sA schuldig. Dieses Urteil wurde dem frei gewählten Rechtsanwalt des Beklagten am 10.5.1996 zugestellt. Am letzten Tag der Berufungsfrist stellte der Beklagte durch seinen Vertreter mit Schriftsatz ON 12 den Antrag, "ihm die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 a bis f ZPO zu gewähren". Dieser Schriftsatz enthält unter anderem den Absatz: "Der Beklagte wünscht sich im Rahmen der zu gewährenden Verfahrenshilfe die Beigebung des bisherigen Beklagtenvertreters, da diesem die Sach- und Rechtslage bekannt ist. Der Beklagtenvertreter ist mit seiner Bestellung einverstanden."

Gleichzeitig legte der Beklagte das Vermögensbekenntnis vor. Nach Vernehmung des Beklagten zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen bewilligte das Erstgericht mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluß vom 4.7.1996 (ON 14), dem Beklagtenvertreter zugestellt am 15.7.1996, die Verfahrenshilfe "im Umfang des § 64 Abs 1 lit a bis f ZPO". Am 23.9.1996 langte die vom Beklagtenvertreter gefertigte Berufung beim Erstgericht ein. Nach Vorlage an das Rechtsmittelgericht stellte dieses den Akt zur Zustellung und zum Beischluß des Bestellungsbescheides an das Erstgericht zurück. Der Verfahrenshilfeantrag und dessen Bewilligung seien bezüglich des Umfanges der Verfahrenshilfe für den Beklagten unscharf formuliert. Außerdem sei ein Bescheid über die Bestellung des bisherigen Beklagtenvertreters zum Verfahrenshilfevertreter des Beklagten und die Zustellung eines solchen Bescheides nicht aktenkundig (§ 464 Abs 3 ZPO). Ein solcher Bescheid sei für die Wirksamkeit der Bestellung des Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe jedoch unbedingt erforderlich (§ 67 ZPO, Fasching EB 34). Dieses Schreiben des Berufungsgerichtes wurde dem Beklagtenvertreter, nachdem dieser dem Erstrichter bereits über telefonische Anfrage mitgeteilt hatte, "gemeint war die Befreiung von der PG ..." (ON 19), in Kopie zugestellt. Mit Schriftsatz vom 19.11.1996 (ON 20) hielt der Beklagtenvertreter zur Aufforderung des Berufungsgerichtes fest, daß ihm im Hinblick auf die "unscharfe Formulierung" ein Fehler unterlaufen sei, welchen er zu entschuldigen bitte. Er habe für seinen Mandanten einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO stellen wollen. Hiemit hole er dieses Ersuchen nach. Das Erstgericht berichtigte daraufhin mit Beschluß ON 21 seinen Beschluß vom 4.7.1996 dahingehend, daß die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO bewilligt werde. Das Gericht sei bereits bei der ursprünglichen Beschlußfassung davon ausgegangen, daß der Antrag nicht die Beigebung eines Rechtsanwaltes gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO umfasse. Nach Klarstellung durch den Beklagtenvertreter, daß tatsächlich die Bestellung eines Rechtsanwaltes nicht beantragt worden sei, sei der Beschluß durch richtige Zitierung der Gesetzesstelle zu ergänzen gewesen. Auch diese Entscheidung wurde dem Beklagtenvertreter zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz den Antrag des Beklagten auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung ab und die Berufung als verspätet zurück. Gemäß § 464 Abs 3 ZPO könne die Rechtsmittelfrist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur durch einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes und nicht durch ein nur eine andere Begünstigung der Verfahrenshilfe anstrebendes Begehren verlängert werden. Der Beklagte habe nach ausdrücklicher Anleitung unter Hinweis auf die Bestimmung des § 464 Abs 3 ZPO unzweideutig klargestellt, daß er stets nur einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO habe stellen wollen. Das Erstgericht habe mit seinem Berichtigungsbeschluß deutlich gemacht, daß die Bewilligung der Verfahrenshilfe von Anfang an nicht die Beigebung eines Rechtsanwaltes umfaßt habe. Bei dieser Sachlage sei die weit außerhalb der Rechtsmittelfrist vom Beklagten durch seinen sich hiebei neuerlich ausdrücklich auf die ihm erteilte Bevollmächtigung beziehenden Rechtsanwalt erhobene Berufung verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Dem dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Verfahrenshilfe umfaßt gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO die einstweilige Befreiung von der Entrichtung verschiedener Gerichtsgebühren, Kosten und Barauslagen. Gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO kann die Verfahrenshilfe unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen auch für die vorläufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt werden. § 464 Abs 3 ZPO normiert, daß für die die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei die innerhalb der Berufungsfrist, die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, die Berufungsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Urteilsausfertigung oder dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses beginnt. Es handelt sich hier nicht - wie gelegentlich gesagt wurde - um eine Verlängerung, sondern um eine Verlegung der Berufungsfrist. Fehlt es am Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes, tritt die Fristverlegung nicht ein (7 Ob 132/75). Bei der Bestimmung des § 464 Abs 3 ZPO handelt es sich um eine für das streitige Verfahren geschaffene Ausnahmebestimmung, deren Heranziehung nur in dem vom Gesetz ausdrücklich angeführten Fall zulässig ist (RZ 1976/29; ÖA 1981, 99). Es kann daher keine Rede davon sein, daß auch ein lediglich auf die Bewilligung der Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO abzielender Antrag den Beginn der Berufungsfrist beeinflussen könnte.

Aus dem Schriftsatz des Beklagten ON 12 kann nicht eindeutig entnommen werden, in welchem Umfang er die Verfahrenshilfe bewilligt erhalten wollte, weil - wie bereits dargestellt - die im Antrag zitierte Gesetzesstelle mit dem (weitergehenden) Vorbringen nicht in Einklang gebracht werden kann. Das Erstgericht hätte daher über den fehlerhaften Verfahrenshilfeantrag gemäß §§ 84 ff ZPO ein Verbesserungsverfahren durchzuführen gehabt, um so dem Beklagten Gelegenheit zu geben, sein Begehren klarzustellen. Wenngleich dies im Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe unterblieben ist, konnte nunmehr über Auftrag des Berufungsgerichtes Sinn und Inhalt des Antrages eindeutig klargestellt werden. Damit ist aber erwiesen, daß der Beklagte gerade nicht die Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe beantragen wollte, weshalb der im § 464 Abs 3 ZPO genannte Fall nicht gegeben ist.

Da die Berufungsfrist somit gemäß § 464 Abs 2 ZPO vom Tag der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung an zu rechnen ist, hat das Gericht zweiter Instanz die Berufung zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

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