European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00040.14A.0423.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beiden Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, ist seit dem Jahr 2009 Angestellte einer Teilorganisation der Vereinten Nationen in Wien, nämlich des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC). Ihr Ehemann und Vater ihrer Tochter ist ‑ wie auch das Kind ‑ österreichischer Staatsbürger und nicht Angestellter der Vereinten Nationen, sondern Generaldirektor der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) reg Genossenschaft mbH.
Mit Bescheid vom 29. 2. 2012 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 9. 2. 2012 auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld für ihre am 15. 1. 2012 geborene Tochter unter Hinweis auf [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien (UN‑Amtssitzabkommen) ab.
Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin Kinderbetreuungsgeld im gesetzlichen Ausmaß. Der Ausschluss nach [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens sei nicht anzuwenden, wenn ‑ wie hier ‑ der Ehemann und das Kind einer antragstellenden UNO‑Angestellten österreichische Staatsbürger seien. Würden auch einer bei der UNO beschäftigten ausländischen Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers und Mutter eines österreichischen Kindes die Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe verwehrt, führte dies zu einer finanziellen Mehrbelastung des österreichischen Ehegatten. Ein gerechtfertigter Grund für diese Differenzierung sei nicht ersichtlich. Dass die Parteien des Abkommens diese Ungleichbehandlung beabsichtigt hätten, sei nicht anzunehmen. Die Klägerin und ihre österreichischen Angehörigen würden auch gegenüber rein ausländischen Familien, die nicht unter das Abkommen fallen, schlechter gestellt, was sachlich ebenfalls nicht gerechtfertigt sei. Dazu komme, dass die Klägerin trotz ihrer Stellung als Angestellte der Vereinten Nationen nicht immun sei und keine diplomatischen Privilegien genieße, und dass für ihre Tochter Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe und auch tatsächlich [dem Vater] gewährt werde. Die zitierte Bestimmung des Abkommens sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass dann, wenn sämtliche Familienangehörige der ausländischen Antragstellerin Österreicher seien, (doch auch) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bestehe.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Nach dem Amtssitzabkommen seien Angestellte der Vereinten Nationen von Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen oder einer Einrichtung mit gleichartigen Funktionen ausgeschlossen, die ‑ wie die Klägerin ‑ weder österreichische Staatsbürger noch Staatenlose mit Wohnsitz in Österreich seien. Der Klägerin stünden, unabhängig davon, ob sie auch diplomatische Privilegien genieße, als Angestellte der Vereinten Nationen zahlreiche Privilegien zu, weshalb sie vom Bezug von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld ausgeschlossen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dazu traf es ‑ neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt ‑ noch folgende weitere Feststellungen:
Die Klägerin beantragte für ihr am 15. 1. 2012 geborenes Kind am 4. 2. 2012 (bei der beklagten Partei eingelangt am 14. 2. 2012) pauschales Kinderbetreuungsgeld gemäß § 5a KBGG in der Variante „20 + 4“ von 20,80 EUR täglich für den Zeitraum von der Geburt des Kindes bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer. Für dieses Kind bezieht der Vater seit Jänner 2012 die Familienbeihilfe. Die Eltern und das Kind leben in einem gemeinsamen Haushalt und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz in Wien.
Die Klägerin ist seit 4. 5. 2009 bei den Vereinten Nationen angestellt und steht dort in einem mit 31. 12. 2012 befristeten Vertragsverhältnis. Nach Beendigung ihres Mutterschutzurlaubs hat die Klägerin beginnend mit 25. 3. 2012 einen unbezahlten Sonderurlaub („Special Leave Without Pay“) in der Dauer von einem Jahr angetreten. Während dieses Sonderurlaubs behält die Klägerin ihren Status als Angestellte der Vereinten Nationen und die Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien sind weiterhin auf sie anwendbar.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, gemäß [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens (BGBl III 99/1998) seien die Angestellten der Vereinten Nationen und deren im gemeinsamen Haushalt lebende Familienmitglieder, auf die sich das Amtssitzabkommen beziehe, von den Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen oder einer Einrichtung mit gleichartigen Funktionen ausgeschlossen, sofern diese Personen weder österreichische Staatsbürger noch Staatenlose mit Wohnsitz in Österreich seien. Nach § 38 Abs 1 KBGG und § 39j FLAG werde das Kinderbetreuungsgeld durch den Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen dotiert. Es handle sich daher um eine Leistung, von deren Bezug die in [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens genannten Personen unter den dort normierten Voraussetzungen ausgeschlossen seien. Wie in vergleichbaren Fällen betreffend Mitarbeiter von bestimmten, ebenfalls mit diplomatischen Immunitäten bzw Privilegien ausgestatteten Institutionen bzw Organisationen bereits judiziert worden sei, sollten derartige Ausschlussregelungen verhindern, dass der davon erfasste Personenkreis neben den mit seiner Beschäftigung bei einer entsprechenden Organisation verbundenen Privilegien (auch noch) Ansprüche auf Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen erwerbe. Aufgrund der (vom Erstgericht aufgezeigten) weitreichenden abgabenrechtlichen Privilegierungen im Verhältnis zur Republik Österreich sei es im Lichte der bestehenden Rechtsprechung nicht unsachlich, die Klägerin entsprechend der Bestimmung des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens von Leistungen auszuschließen, die wie das Kinderbetreuungsgeld aus dem Familienlastenausgleichsfonds dotiert würden. Dies gelte umso mehr, wenn man in Betracht ziehe, dass die Vereinten Nationen gemäß [Art 7] Abschnitt 24 lit i des Abkommens von der Verpflichtung zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrags zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen oder an eine Einrichtung mit gleichartigen Funktionen (wie überhaupt gemäß [Art 7] Abschnitt 24 des Abkommens generell von einer Abgabenpflicht) befreit seien und daher anlässlich des Dienstverhältnisses der Klägerin keinerlei Beiträge in den Ausgleichsfonds geflossen seien. Es mache auch keinen Unterschied, dass die Klägerin ‑ anders als in den bisher entschiedenen Fällen ‑ das einzige haushaltszugehörige Familienmitglied sei, das nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Nach [Art 12] Abschnitt 37 lit f des Abkommens werde hinsichtlich der Steuerbefreiung betreffend „ausländische“ Einkünfte nämlich nicht danach differenziert, welche Staatsangehörigkeit die von der Privilegierung miterfassten Familienmitglieder haben. Selbst wenn und soweit aber dem Ehegatten der Klägerin eine steuerrechtliche Privilegierung, wie sie der Klägerin zukomme, verwehrt sei, bleibe es doch dabei, dass auch er als Mitglied der mit der Klägerin gebildeten Haushaltsgemeinschaft an jenen wirtschaftlichen Vorteilen partizipiere, die sich aus der Privilegierung der Klägerin ergeben. Im Übrigen sei der Ehegatte der Klägerin als österreichischer Staatsbürger für seine eigene Person ohnehin nicht vom Bezug der Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen ausgeschlossen. Nach dem Regelungszweck des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens sei es auch ohne Belang, ob und inwieweit sich die mit dem Leistungsausschluss spiegelbildlich verbundene steuerrechtliche Privilegierung nach [Art 12] Abschnitt 37 des Abkommens für die Klägerin konkret auswirke. Der von der Klägerin angestrebten verfassungskonformen Interpretation der genannten Bestimmung stehe bereits die Auslegungsregel des [Art 15] Abschnitt 53 lit a des Abkommens entgegen, wonach dieses Abkommen im Licht seines vorrangigen Zwecks auszulegen sei, der lediglich darin bestehe, die Vereinten Nationen in die Lage zu versetzen, an ihrem Amtssitz in der Republik Österreich die ihnen zugeteilten Aufgaben voll und ganz zu erfüllen und ihrer Zweckbestimmung nachzukommen. Abschnitt 53 lit b des Abkommens stelle im Einklang mit Art 5 Abschnitt 20 des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen (BGBl 126/1957) klar, dass auch die Privilegien und Immunitäten der Angestellten der Vereinten Nationen nur im Interesse der Vereinten Nationen und gerade nicht zum persönlichen Vorteil der jeweiligen Einzelpersonen gewährt würden. Die individuellen Interessen der Angestellten der Vereinten Nationen seien daher für die Auslegung des Amtssitzabkommens ohne Belang. Außerdem stünden hinter dem Ausschluss der Klägerin vom Bezug des Kinderbetreuungsgeldes die bereits genannten sachlichen Gründe. Auch eine am Gleichheitssatz orientierte Beurteilung des [Art 12] Abschnitts 39 lit b des Abkommens stütze den Prozessstandpunkt der Klägerin nicht. Ihr Anspruch auf Gewährung von Kinderbetreuungsgeld sei daher zu verneinen, woran auch die Befristung ihres Dienstverhältnisses nichts ändere, weil bei der Entscheidung lediglich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz und nicht auf nachfolgende (mögliche) Änderungen Bedacht zu nehmen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Der Grund für die Ausnahme von den Familienleistungen liege hier vor allem darin, dass der angesprochenen Personengruppe im Rahmen des Abkommens diverse Privilegien wie insbesondere Freistellung von jeglicher Besteuerung in Österreich der im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ausbezahlten Bezüge und Vergütungen zugestanden würden. Nach dem Regelungszweck des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens komme es nicht darauf an, ob bzw inwieweit sich die Privilegierung der Klägerin nach [Art 12] Abschnitt 37 des Abkommens praktisch auf ihr Einkommen auswirke und welche konkreten wirtschaftlichen Vorteile sie aus ihrer im Amtssitzabkommen vorgesehenen Privilegierung tatsächlich ziehen könne. Diesbezügliche Feststellungen seien daher entbehrlich. Die Auslegung der Klägerin würde ‑ entgegen dem klaren Wortlaut der Bestimmung ‑ bedeuten, dass in jedem Einzelfall zu prüfen wäre, ob und inwieweit der oder die Angestellte der Vereinten Nationen tatsächlich Vorteile aus den im Amtssitzabkommen vorgesehenen Privilegien und Immunitäten ziehe. Es könne den Parteien des Abkommens nicht unterstellt werden, dass sie eine solche Regelung treffen wollten. Vielmehr sollten die Angestellten der Vereinten Nationen generell vom Bezug der Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (oder einer gleichartigen Einrichtung) ausgeschlossen werden. Auch den Materialien zu Art 12 Abschnitt 39 des Abkommens sei zu entnehmen, dass die Angestellten der Vereinten Nationen sowie dem Abkommen unterliegende haushaltszugehörige Familienangehörige nicht österreichischer Staatsbürgerschaft von den Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen ausgeschlossen seien. Österreichische Angestellte der Vereinten Nationen und deren haushaltszugehörige österreichische Familienmitglieder seien hievon nicht betroffen und könnten daher am System des österreichischen Familienlastenausgleichs teilnehmen. Wenngleich in den bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs zum OPEC‑Amtssitzabkommen und zum IAEO‑Amtssitzabkommen sowohl den Leistungswerbern als auch deren Ehepartnern und Kindern die österreichische Staatsbürgerschaft fehlte, seien doch von den Höchstgerichten die der Regelung des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens inhaltlich entsprechenden Ausschlussnormen in den jeweiligen Amtssitzabkommen ohne verfassungsrechtliche Bedenken den Entscheidungen zugrunde gelegt worden. Auf die Frage, welche Vorrechte für den konkreten Angestellten oder die konkrete Angestellte faktisch überhaupt relevant seien bzw wie sich die Vorrechte im Einzelfall konkret auf die finanzielle Situation des/der Einzelnen auswirkten, komme es dabei nicht an. Auch hier bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den generellen Ausschluss; gewähre doch [Art 12] Abschnitt 37 des Abkommens den nicht österreichischen Angestellten der Vereinten Nationen weitreichende Privilegien und Immunitäten die über jene nach Art 5 des „Allgemeinen Übereinkommens“ hinausgingen. Demgegenüber seien die auf Angestellte der Vereinten Nationen, die österreichische Staatsbürger oder Staatenlose mit Wohnsitz in Österreich seien, anzuwendenden Immunitäten und Privilegien nicht in [Art 12] Abschnitt 37, sondern in [Art 12] Abschnitt 39 lit a des Abkommens geregelt, der festlege, dass für österreichische Staatsbürger und Staatenlose mit Wohnsitz in Österreich nur die funktionellen Immunitäten und Privilegien gemäß dem Allgemeinen Übereinkommen gelten und darüber hinaus nur die Befreiung der Besteuerung von Ruhegenüssen aus dem Pensionsfonds sowie der Zugang zum Commissary unter bestimmten Grenzen und Bedingungen. Angestellte der Vereinten Nationen, die österreichische Staatsbürger oder Staatenlose mit Wohnsitz in Österreich seien, kämen daher im Unterschied zu anderen Angestellten der Vereinten Nationen nicht in den uneingeschränkten Genuss aller Privilegien nach [Art 12] Abschnitt 37 des Abkommens. Es stelle daher schon deshalb keine unsachliche Ungleichbehandlung dar, wenn diese von Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen nicht ausgeschlossen seien. Unzutreffend sei auch, dass der österreichische Ehegatte der Klägerin durch diese Regelung benachteiligt werde. Einerseits partizipiere er an den wirtschaftlichen Vorteilen, die der Klägerin zukommen (Steuerbefreiung etc), andererseits wäre er als österreichischer Staatsbürger und Familienbeihilfebezieher bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen selbst jedenfalls berechtigt, Kinderbetreuungsgeld in Anspruch zu nehmen. Der Umstand, dass die Klägerin vom Bezug des Kinderbetreuungsgeldes ausgeschlossen sei, führe auch nicht zu einer höheren Unterhaltsbelastung ihres Ehegatten, weil nach § 42 KBGG in der seit 1. 1. 2012 geltenden Fassung (BGBl I Nr 139/2011) das Kinderbetreuungsgeld weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils gelte und deren Unterhaltsansprüche nicht mindere. Ein Vergleich mit „ausländischen Familien“, die nicht unter das UN‑Amtssitzabkommen fallen und in vollem Umfang Kinderbetreuungsgeld beziehen, komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese eben nicht im Genuss diplomatischer Immunität bzw Privilegien stünden und in der Regel am innerstaatlichen System der sozialen Sicherheit zur Gänze teilhätten; dies im Unterschied zur Klägerin, die aufgrund ihres völkerrechtlichen Sonderstatus sowohl im steuerrechtlichen Bereich ([Art 12] Abschnitt 37 lit d des Abkommens) sowie auch im sozialversicherungsrechtlichen Bereich ([Art 9] Abschnitt 27 des Abkommens) von innerstaatlichen Systemen ausgenommen sei. Wenn sich die Klägerin auf „in Österreich lebende Ausländerinnen, die keine Beschäftigung ausüben, aber sehr wohl Kinderbetreuungsgeld beziehen“, berufe, sei ihr zu erwidern, dass das Kinderbetreuungsgeld unabhängig davon, ob vor der Geburt des Kindes eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, aufgrund derer Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, gebühre. Im Übrigen müssten ausländische Staatsangehörige, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sich entweder nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten, dh bestimmte gesetzliche Kriterien erfüllen, oder es müsse sich um Personen handeln, denen Asyl oder der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 gewährt werde (§ 2 Abs 1 Z 5 KBGG). Dass ausländischen Staatsangehörigen in Österreich ohne weitere Voraussetzungen Kinderbetreuungsgeld gewährt werde, treffe also nicht zu. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin, die gegenüber den nicht bei einer internationalen Organisation beschäftigten ausländischen Staatsangehörigen eine Vielzahl diplomatischer Immunitäten bzw Privilegierungen und einen völkerrechtlichen Sonderstatus genieße (vgl [Art 12] Abschnitt 37 des Abkommens), sei daraus nicht abzuleiten.
Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung durch [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens liege nicht vor: Wenn selbst der Ausschluss von im gemeinsamen Haushalt lebenden nicht österreichischen Familienangehörigen von den Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht bedenklich erscheine (vgl VwGH 91/13/0086), so begründe der Ausschluss der privilegierten Angestellten selbst von diesen Leistungen jedenfalls keine unsachliche Ungleichbehandlung; dies unabhängig davon, ob ihr Ehepartner und ihr Kind österreichische Staatsbürger seien oder nicht.
Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des UN‑Amtssitzabkommens in Bezug auf Kinderbetreuungsgeldansprüche vorliege.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin macht weiterhin geltend, sie werde durch das Abkommen „gerade nicht finanziell in nennenswerter Weise entlastet“, weshalb ihr Ausschluss vom Bezug vom Kinderbetreuungsgeld sachlich nicht gerechtfertigt sei. Die Vorinstanzen hätten Feststellungen dazu treffen müssen, welche konkreten Vorteile die Klägerin aufgrund ihrer Position als Angestellte einer UN‑Organisation genieße. Dann hätte sich gezeigt, dass die Klägerin in wirtschaftlicher Hinsicht „nur geringfügig“ von ihrer völkerrechtlichen Stellung profitiere, und dass ihr das Abkommen im Vergleich zu Müttern, die uneingeschränkt der österreichischen Rechtsordnung unterliegen, „keine spürbaren finanziellen Privilegien“ bringe. Die Auslegung des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens durch die Vorinstanzen gebe der Bestimmung einen unsachlichen und daher verfassungswidrigen Inhalt. Da das Amtssitzabkommen der Klägerin „nur äußerst geringe finanzielle Vorteile bringe“, sei es verfehlt, wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf die durch das Abkommen gewährten Privilegien ausführe, dass ein Vergleich mit nicht unter das Amtssitzabkommen fallenden ausländischen Familien nicht in Betracht komme. Sollte die Ansicht vertreten werden, dass der Wortlaut des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens einer Klagsstattgebung entgegenstehe, sei diese Bestimmung gleichheitswidrig, weshalb eine Antragstellung gemäß Art 140a B‑VG beim Verfassungsgerichtshof angeregt werde.
Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei hält dem entgegen, dass die angeführte Regelung zwischen Personen, die in ihrer völkerrechtlichen Stellung massiv profitieren, im Gegensatz zu jenen, die diese Privilegien nur geringfügig in Anspruch nehmen, nicht unterscheide. Der Wunsch, alle Vorteile der österreichischen Regelung und alle Vorteile und Privilegien des Amtssitzabkommens in Anwendung der „Rosinentheorie“ zu erhalten, sei nicht erfüllbar. Allein die Tatsache, dass die Revisionswerberin als (UNODC-)Bedienstete dem Abkommen unterliege, reiche für ihren Ausschluss von den österreichischen Familienleistungen aus, unabhängig davon, ob sich die einzelnen Vorteile aus dem Abkommen insgesamt für die Klägerin „rechnen“ oder nicht. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, nach dem Wortlaut des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des Abkommens seien österreichische Antragsteller trotz aller ihnen zukommenden Privilegien nicht von Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen ausgeschlossen, werde übersehen, dass nicht ihr Ehegatte als österreichischer Staatsbürger, sondern die Revisionswerberin selbst den Antrag gestellt habe. Auch die monierte finanzielle Belastung des österreichischen Ehegatten durch die Nichtgewährung der Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen liege nicht vor, weil der Ehemann der Klägerin nicht nur die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag beziehe, sondern auch vom Bezug des Kinderbetreuungsgeldes nicht ausgeschlossen sei und noch zahlreiche Vorteile durch die Beschäftigung der Revisionswerberin bei der UNODC genieße.
Hiezu wurde erwogen:
1. Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 KBGG in der hier anzuwendenden Fassung (BGBl I Nr 116/2009) hat ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind, wenn für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376, besteht und Familienbeihilfe für dieses Kind tatsächlich bezogen wird. Der Kinderbetreuungsgeldanspruch knüpft somit an den Familienbeihilfeanspruch nach dem FLAG an. Ob (auch) die Klägerin, die nicht österreichische Staatsbürgerin ist, sich rechtmäßig in Österreich aufhält (§ 3 Abs 1 FLAG) und im Bundesgebiet ihren Wohnsitz hat (§ 2 Abs 1 FLAG), im hier relevanten Zeitraum Anspruch auf die (vom Vater tatsächlich bezogene) Familienbeihilfe hätte, ist aber nicht allein nach diesen Bestimmungen zu prüfen.
2. Zur Beurteilung des Anspruchs der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld sind nämlich nicht nur die Normen des KBGG (und damit jene des FLAG, auf das im KBGG verwiesen wird) heranzuziehen; zieht die Revisionswerberin doch ‑ zu Recht ‑ gar nicht in Zweifel, dass auf sie die in [Art 12] Abschnitt 39 lit b des UN‑Amtssitzabkommens (BGBl III Nr 99/1998) enthaltene Ausschlussbestimmung anzuwenden ist, die festlegt, dass
„die Angestellten der Vereinten Nationen und deren im gemeinsamen Haushalt lebende Familienmitglieder, auf die sich das Abkommen bezieht, von Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen oder einer Einrichtung mit gleichartigen Funktionen ausgeschlossen sind, sofern diese Personen weder österreichische Staatsbürger noch Staatenlose mit Wohnsitz in Österreich sind “ (vgl auch 668 BlgNR 20. GP 42).
3. Fraglich könnte demnach nur sein, ob diesem im UN‑Amtssitzabkommen normierten Ausschluss von Familienleistungen Anwendungsvorrang gegenüber den Bestimmungen des für Geburten ab 1. 1. 2002 geltenden KBGG hinsichtlich der Gewährung von Kinderbetreuungsgeld an Drittstaatsangehörige zukommt oder ob dies nicht der Fall ist.
4. Insoweit ist jedoch ‑ wie der erkennende Senat in der Entscheidung 10 ObS 170/13t vom 28. 1. 2014 bereits näher begründet hat ‑ vom Anwendungsvorrang solcher, in Amtssitzabkommen enthaltener Ausschlussbestimmungen gegenüber den allgemeinen Bestimmungen des FLAG hinsichtlich der Gewährung von Familienbeihilfe an Drittstaatsangehörige auszugehen. Daher kann auch dem Gesetzgeber des KBGG keine andere Absicht unterstellt werden; knüpft doch der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ausdrücklich an den Anspruch auf Familienbeihilfe (und deren tatsächliche Gewährung) an.
4.1. Die hier maßgebende Ausschlussbestimmung des [Art 12] Abschnitt 39 lit b des UN‑Amtssitzabkommens stellt somit ebenfalls eine ergänzende Spezialnorm für einen bestimmten Personenkreis dar, die nicht durch spätere (nationale) Regelungen ‑ wie jene des KBGG ‑ außer Kraft gesetzt werden sollte (vgl 10 ObS 170/13t mwN, womit der erkennende Senat von der zu 10 ObS 35/09h, SSV-NF 23/22 und 10 ObS 11/11g, SSV‑NF 25/19 vertretenen gegenteiligen Ansicht ausdrücklich abging: RIS‑Justiz RS0124615 [T2] und RS0124617 [T2]).
5. Der drittstaatsangehörigen Klägerin fehlt somit der Anspruch auf Familienbeihilfe nach den Bestimmungen des FLAG, sodass ihr zufolge § 2 KBGG auch kein solcher auf Kinderbetreuungsgeld zusteht. Der Ehemann der Klägerin wird hingegen als österreichischer Staatsbürger entsprechend dem Wortlaut des [Art 12] Abschnitt 39 lit b letzter Satzteil des UN‑Amtssitzabkommens vom Ausschluss von den Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds nicht erfasst. Daher käme ihm bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld zu.
5.1. Im Übrigen kann auf die zutreffende Beurteilung durch die Vorinstanzen verwiesen werden, gegen die in der Revision nichts Stichhaltiges ins Treffen geführt wird; die Klägerin beruft sich demgegenüber nämlich ‑ im Wesentlichen ‑ weiterhin nur darauf, sie habe tatsächlich „nur geringe“, noch näher festzustellende wirtschaftliche Vorteile aus ihrer [grundsätzlich unstrittigen] Privilegierung durch das UN-Amtssitzabkommen ziehen können. Darauf kommt es bei der hier gebotenen Durchschnittsbetrachtung aber gar nicht an:
5.2. Entspricht es doch ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, dass der Gesetzgeber, ohne mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Widerspruch zu geraten, eine Durchschnittsbetrachtung anstellen und pauschalierende Regelungen treffen kann, insbesondere wenn dies der Verwaltungsökonomie dient (jüngst: 10 ObS 97/13g mwN; 10 ObS 76/13v). Der erkennende Senat sieht sich daher auch zu der von der Revisionswerberin angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst, weshalb der Revision insgesamt ein Erfolg zu versagen ist.
5.3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 bzw Z 2 lit b ASGG: Die beklagte Partei hat ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen; berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die den ausnahmsweisen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgebracht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
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