OGH 10ObS76/13v

OGH10ObS76/13v25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Mag. Anita Inzinger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5021 Salzburg, Engelbert‑Weiß-Weg 10, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. März 2013, GZ 12 Rs 20/13t‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00076.13V.0625.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin war von 1. 7. 2011 bis 30. 3. 2012 als Angestellte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 EUR beschäftigt. Sie befand sich ab 22. 10. 2011 in Mutterschutz und bezog ein tägliches Wochengeld von 95,38 EUR. Am 29. 12. 2011 kam ihr Kind zur Welt.

Beide Vorinstanzen verneinten einen Anspruch der Klägerin auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld mangels Vorliegens der Voraussetzung einer durchgehenden Erwerbstätigkeit in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes (§ 24 Abs 1 Z 2 KBGG). Das Berufungsgericht verneinte auch die von der Klägerin gegen die geltende Gesetzeslage geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken und sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und Inhalt der Gesetzesmaterialien nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens (= einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld) setzt nach § 24 Abs 1 Z 2 KBGG in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl I 2009/116 voraus, dass der Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs 2 war, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken.

2. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungs-geld steht somit nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offen. Voraussetzung ist das Vorliegen einer mindestens sechsmonatigen Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes. Als Erwerbstätigkeit wird die tatsächliche Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit verstanden (vgl § 24 Abs 2 KBGG). Unterbrechungen von insgesamt höchstens 14 Tagen sind unschädlich.

3. Soweit die Revisionswerberin meint, eine geringfügige Unterschreitung dieser im Gesetz geforderten mindestens sechsmonatigen Erwerbstätigkeit unmittelbar vor der Geburt des Kindes stelle kein Anspruchshindernis dar, steht dieser Auffassung der ausdrückliche Gesetzeswortlaut entgegen. Wie bereits das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (RV 340 BlgNR 24. GP 16 f) dargelegt hat, bezweckt das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld jenen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit zu geben, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld soll nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offen stehen, wobei die Erwerbstätigkeit durchgehend in den letzten sechs Monaten vor Geburt tatsächlich ausgeübt werden muss. Sehr geringfügige Unterbrechungen (das sind solche von bis zu 14 Tagen) sind zulässig, um Härtefälle zu vermeiden.

4. Auch den zitierten Gesetzesmaterialien ist daher ebenso wie dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin nicht der allgemeine Tenor der Vermeidung von Härtefällen zu entnehmen, sondern nur in Bezug auf kurzfristige Unterbrechungen der als Anspruchsvoraussetzung geforderten mindestens sechsmonatigen Erwerbstätigkeit des Elternteils unmittelbar vor der Geburt des Kindes. Diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt die Klägerin wegen ein paar Tagen nicht. Wie ebenfalls bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist es im Hinblick auf die Einkommensersatzfunktion des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes und den damit verfolgten Zweck, den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, durchaus sachgerecht, für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld eine gewisse Mindestdauer der tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit vorauszusetzen. Der Gesetzgeber kann jedoch, ohne mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Widerspruch zu geraten, im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung von Regelfällen ausgehen. Bei der Klägerin handelt es sich zwar zweifellos um einen „Grenzfall“, es kann aber keine Grenzziehung dieser Art Härtefälle zur Gänze vermeiden (vgl 10 ObS 60/13s). Aus diesen Gründen sieht sich der erkennende Senat auch nicht zu einer entsprechenden Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof veranlasst.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegt somit im Hinblick auf die eindeutige Gesetzeslage nicht vor. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

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