Spruch:
Die Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei werden zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin stand bei der Beklagten in einem vom 1. 9. 2011 bis 29. 6. 2012 befristeten Dienstverhältnis als Kinderbetreuerin. Zu Beginn des Dienstverhältnisses wurde der Klägerin erklärt, dass die Befristung eine reine Formsache sei und der befristete Vertrag, wenn alles passen würde, in einen unbefristeten umgewandelt werde. Nachdem die Klägerin der Beklagten im Februar 2012 von ihrer eingetretenen Schwangerschaft berichtet hatte, verständigte sie die Beklagte im Mai 2012 ohne Angabe eines Grundes davon, dass ihr Dienstverhältnis mit Ablauf der Befristung ende und nicht verlängert werde. Der Grund für die Nichtübernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis lag in der Schwangerschaft der Klägerin, die stets zur Zufriedenheit der Beklagten tätig war.
Die Vorinstanzen gaben dem auf Feststellung des aufrechten Bestands eines unbefristeten Dienstverhältnisses gerichteten Klagebegehren der Klägerin statt. Das auf Zuerkennung einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung gerichtete Zahlungsbegehren von 2.000 EUR sA wurde hingegen abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
I. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung zugelassen, dass zur Frage der Auslegung des § 12 Abs 7 GlBG (insbesondere Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und [kumulativ] immaterieller Schadenersatzanspruch im Fall eines Diskriminierungstatbestands) eine Rechtsprechung fehle.
Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 500a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
II. § 12 Abs 7 GlBG in der hier anzuwendenden Fassung lautet:
„Ist das Arbeitsverhältnis vom/von der Arbeitgeber/in wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz gekündigt oder vorzeitig beendigt worden oder ist das Probearbeitsverhältnis wegen eines solchen Grundes aufgelöst worden (§ 3 Z 7), so kann die Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses bei Gericht angefochten werden. Ist ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/in oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz durch Zeitablauf beendet worden, so kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt werden. Lässt der/die Arbeitnehmer/in die Beendigung gegen sich gelten, so hat er/sie Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.“
Mit dem letzten Satz dieser mit der Novelle BGBl I 2008/98 geänderten Bestimmung des § 12 Abs 7 GlBG wollte der Gesetzgeber dem diskriminierten Arbeitnehmer ein Wahlrecht zwischen der Anfechtung, verbunden mit einer „Wiederherstellung“ des Arbeitsverhältnisses, und der Geltendmachung von Schadenersatz einräumen. Ausdrücklich wird in der Regierungsvorlage auch darauf Bezug genommen, dass der eine Anspruch den anderen ausschließt (RV 415 BlgNR 23. GP 6).
Europarechtliche Grundlage dieser Regelung ist insbesondere Art 18 der GleichbehandlungsRL 2006/54/EG . Danach treffen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden ‑ je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ‑ tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss.
Die Klägerin vertritt in ihrer Revision die Ansicht, dass der Gesetzgeber mit den in § 12 Abs 7 GlBG getroffenen Rechtsfolgeanordnungen Art 18 der GleichbehandlungsRL 2006/54/EG nicht vollständig ins nationale Recht umgesetzt habe. Diese echte Gesetzeslücke müsse im Wege der Analogie zu allen anderen Diskriminierungstatbeständen der §§ 3, 4 GlBG, die in § 12 GlBG eine Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung, die die diskriminierte Person erlitten habe, gewährten, geschlossen werden. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung führe dazu, dass die Klägerin auch im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Schadenersatz habe.
Ein Analogieschluss setzt eine Gesetzeslücke voraus, das heißt also, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf. Es muss eine „planwidrige Unvollständigkeit“, das heißt eine nicht gewollte Lücke, vorliegen (RIS‑Justiz RS0098756). Sie liegt dann vor, wenn die Regelung eines Sachbereichs keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müsste (RIS‑Justiz RS0008866 [T1]); wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (vgl RIS‑Justiz RS0008866 [T10]). Ausgehend vom insoweit klaren Gesetzeswortlaut (arg. „Lässt ... die Beendigung gegen sich gelten, so hat er/sie Anspruch ... auf eine Entschädigung ...“), der die Grenze zwischen objektiver Auslegung und ergänzender Rechtsfortbildung darstellt (RIS‑Justiz RS0016495), und dem damit übereinstimmenden Willen des Gesetzgebers (RV 415 BlgNR 23. GP 6) steht nur im Falle der Nichtanfechtung ein Schadenersatzanspruch zu; eine andere Auslegung des Gesetzeswortlauts ist nicht möglich (Windisch‑Graetz in ZellKomm² § 12 GlBG Rz 11; vgl Sturm, Richtlinienumsetzung im neuen Gleichbehandlungsgesetz, DRdA 2004, 574 [580]). Vom Vorliegen einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Lücke (so Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 94 ff) kann jedenfalls seit der GlBG‑Novelle BGBl I 2008/98, aber auch der bloßen Änderung des § 18c B‑GlBG durch die Novelle BGBl I 2009/153 nicht mehr ausgegangen werden.
Einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob § 12 Abs 7 GlBG der GleichbehandlungsRL 2006/54/EG entspricht, bedarf es hier nicht. Zwar haben sich die Gerichte bei der Auslegung der nationalen Vorschrift so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren und Rechtsbegriffe, die in der Richtlinie und im innerstaatlichen Recht übereinstimmen, entsprechend den gemeinschaftsrechtlichen Begriffen auszulegen (RIS‑Justiz RS0075866). Die von der Revisionswerberin geforderte richtlinienkonforme Auslegung einer Bestimmung kann aber nur soweit erfolgen, als das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt (4 Ob 120/10s). Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (RIS‑Justiz RS0114158 uva). Die Bestimmung des § 12 Abs 7 GlBG kann daher ‑ wie schon dessen alte Fassung (8 ObA 58/09a = DRdA 2012/4 [Wolfsgruber]) ‑ ausgehend von ihrem klaren Wortlaut nicht Grundlage für die Zuerkennung eines Schadenersatzanspruchs bei gleichzeitiger Anfechtung im Weg einer richtlinienkonformen Interpretation sein (Sturm aaO 580; Körber‑Risak in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht, System und Praxiskommentar Kap VIII Rz 147). Der Anregung der Klägerin, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zur Auslegung der GleichbehandlungsRL 2006/54/EG einzuleiten, war daher nicht beizutreten.
III. Die Beklagte vertritt in ihrer Revision den Standpunkt, § 10a MSchG verdränge beim Zusammentreffen eines befristeten Dienstverhältnisses mit dem Eintritt einer Schwangerschaft einer Dienstnehmerin als speziellere und abschließende Norm die Rechtsfolgen des Gleichbehandlungsgesetzes. Eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses über den Beginn des allgemeinen Beschäftigungsverbots hinaus sehe das Gesetz nicht vor. Auf sachlich gerechtfertigte Gründe komme es nur im Zusammenhang mit dem ‑ hier nicht gegenständlichen ‑ Wegfall der Hemmung des Ablaufs des Dienstverhältnisses vor.
Gemäß § 10a Abs 1 MSchG wird der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zu dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 MSchG oder dem Beginn eines auf Dauer ausgesprochenen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 3 MSchG gehemmt, es sei denn, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist. Zweck der Einfügung des § 10a MSchG durch das arbeitsrechtliche BegleitG, BGBl 1992/822, war die Verhinderung der Umgehung des MSchG durch Abschluss befristeter Verträge mit jungen Frauen (RIS‑Justiz RS0113734; RV 735 BlgNR 18. GP 22 f; 9 ObA 326/00g).
Die Anfechtung einer (diskriminierenden) Beendigung des Dienstverhältnisses während des Probemonats wurde mit der Novelle BGBl I 2008/98 im Hinblick auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 4/05m und 9 ObA 81/05k ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen (RV 415 BlgNR 23. GP 6). Der Oberste Gerichtshof hatte darin ausgesprochen, dass auch eine wegen der Schwangerschaft ausgesprochene Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Probezeit eine unmittelbare Diskriminierung darstelle und daher die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen Diskriminierung anfechtbar sei. Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der gesamten Neuregelung des § 12 Abs 7 GlBG eine von § 10a MSchG unabhängige Regelung schaffen wollte, die auf Diskriminierungstatbestände anwendbar sein sollte.
Dass die gesetzliche Regelung des § 12 Abs 7 GlBG, soweit sie als Rechtsfolge anordnet, dass das Arbeitsverhältnis, dessen Befristungsvereinbarung nicht diskriminierend war und daher grundsätzlich mit Fristablauf endete, im Falle der diskriminierenden Nichtverlängerung doch zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses führt, in der Lehre aus dogmatischer und systematischer Sicht Bedenken aufwirft, muss ausgehend von der ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers unberücksichtigt bleiben (Windisch‑Graetz in ZellKomm² § 12 GlBG Rz 10a).
Auch mit ihren Ausführungen zu § 12 Abs 12 GlBG vermag die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzulegen. Hat sich im Streitfall die betroffene Person ‑ wie hier die Klägerin ‑ auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3, 4 GlBG berufen und hat sie diesen glaubhaft gemacht, dann obliegt es der beklagten Partei zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von der beklagten Partei glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war (§ 12 Abs 12 GlBG). Damit der beklagten Partei dieser Beweis gelingen kann, muss sie zunächst geeignete Tatsachen behaupten, die einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind. Im Anlassfall hat sich die Beklagte aber in erster Instanz in Kenntnis des ihr allenfalls dadurch entstehenden Nachteils im Verfahren und trotz ausdrücklicher Rechtsbelehrung durch das Gericht ausdrücklich geweigert, die Gründe für die Unterlassung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin darzutun. Auch ihre erstmals im Berufungs- und nun auch im Revisionsverfahren vorgetragenen Behauptungen, die Einschätzung der Eignung einer Dienstnehmerin im Betreuungsbereich sei nicht immer vollständig objektivierbar und außerdem müsste sie im Zuge einer solchen Begründung ihre gegenüber den Eltern und den betreuten Kindern bestehende Verschwiegenheitspflicht verletzen, kann die Beklagte nicht von der sie treffenden Beweislast entheben. Ansonsten wäre die diskriminierte Person genau jenen Beweisschwierigkeiten ausgesetzt, die § 12 Abs 12 GlBG gerade verhindern will (siehe zum Konzept der Beweiserleichterung Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 124 ff ua). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte ein allfälliges Vorbringen nicht ohne Namensnennung der Eltern bzw der von der Klägerin betreuten Kinder erstatten hätte können.
Die Auffassung der Beklagten, dass nach Zeitablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht mehr auf Feststellung des unbefristeten Bestehens nach § 12 Abs 7 GlBG geklagt werden kann, widerspricht dem § 15 Abs 1a GlBG, wonach erst der Zeitablauf die Klagefrist auslöst. Der aus dem Prüfungsantrag der Klägerin bei der Gleichbehandlungskommission (Blg ./ G) resultierenden Fristenhemmung nach § 15 Abs 2 GlBG trat die Beklagte nicht entgegen.
Insgesamt waren daher die Revisionen der Klägerin und der Beklagten mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat im Gegensatz zur Klägerin auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hingewiesen. Ihre Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden und ist deshalb auch nicht zu honorieren. (RIS‑Justiz RS0035979)
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