OGH 10Ob16/14x

OGH10Ob16/14x25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Birgit Lajtai‑Nagl, Rechtsanwältin in Villach, gegen die beklagte Partei Dr. G*****, vertreten durch Dr. Robert Kugler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterhalts, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 27. November 2013, GZ 2 R 234/13h‑116, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 27. August 2013, GZ 3 C 144/06w‑109, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107310

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Sind beide Ehegatten schuld an der Scheidung, trägt aber keiner die überwiegende Schuld, kann dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des anderen Ehegatten der Billigkeit entspricht (§ 68 EheG). Höhe und Dauer des Unterhaltsbeitrags hängen unter Abwägung der Lebensumstände beider Geschiedenen daher von der Billigkeit ab. Jedenfalls soll der Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG nur einen relativ bescheidenen Teil des vollen Unterhalts ausmachen.

2. Die Rechtsprechung der zweitinstanzlichen Gerichte geht bei Erwerbsunfähigkeit und völliger Mittellosigkeit (Einkommens‑ und Vermögenslosigkeit) des nach § 68 EheG Anspruchsberechtigten in der Regel von einem Anspruch in der Höhe von 10 bis 15 % der Bemessungsgrundlage des Anspruchsgegners aus. Eine gesetzliche Grundlage für die Anwendung eines bestimmten Berechnungssystems besteht nicht. Mangels gesetzlicher Grundlage existiert auch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, nach der einem gemäß § 68 EheG Anspruchsberechtigten generell ein bestimmter Prozentsatz der Unterhaltsbemessungsgrundlage des anderen (vormaligen) Ehegatten zuzuerkennen wäre (6 Ob 242/10x). Demnach zeigt die Revisionswerberin mit ihrer ohne nähere Begründung gebliebenen Rechtsansicht, es hätte ihr ‑ ungeachtet ihrer Eigeneinkünfte ‑ jedenfalls ein Billigkeitsunterhalt von zumindest 10 bis 15 % zugesprochen werden müssen, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

3. Auch wenn der Anspruchswerber nicht völlig mittellos ist, sondern ein geringes Einkommen bezieht, können infolge der bestehenden Bedarfslücke die Voraussetzungen für die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags nach § 68 EheG vorliegen. Verfügt der Anspruchswerber aber über Einkünfte in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes, so besteht kein Anspruch (RIS‑Justiz RS0126871). Mit dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Berufungsgerichts in Einklang, mit der für das Jahr 2007, in dem die Einkünfte der Klägerin den Ausgleichszulagenrichtsatz nicht erreicht haben, zur Schließung der Bedarfslücke ein Unterhaltsbeitrag in der Höhe des Differenzbetrags zum Ausgleichszulagenrichtsatz zuerkannt wurde, während das Klagebegehren für jene (übrigen) Zeiträume abgewiesen wurde, in denen ihre Einkünfte die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes überstiegen haben.

4. Die nach den Grundsätzen der Billigkeit vorzunehmende Festsetzung des Unterhaltsbeitrags nach § 68 EheG hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Ergebnis einer solchen Billigkeitsentscheidung kann nur dann angefochten werden, wenn es außerhalb der Ober‑ und Untergrenzen liegt, die sich nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ergeben (RIS‑Justiz RS0108755). Mit ihrer in der Revision aufgestellten Behauptung, ihre körperliche Beeinträchtigung habe „zwischenzeitig dazu geführt, dass Therapien und ein Mehraufwand auch in der Betreuung durch Putzhilfskräfte von zumindest 300 EUR monatlich erforderlich“ geworden seien, vermag die Revisionswerberin ein solches Abweichen von diesen Grenzen nicht aufzuzeigen:

Selbst wenn man ‑ wie die Revisionswerberin offenbar vermeint ‑ rein theoretisch den behaupteten Mehraufwand von 300 EUR von ihrem festgestellten Einkommen in Abzug bringen wollte, wäre nämlich der im jeweiligen Jahr in Geltung stehende Ausgleichszulagenrichtsatz nicht unterschritten. Auf die Frage, ob Unterhalt nach § 68 EheG auch dann zuzusprechen ist, wenn dem Anspruchsberechtigten ein Einkommen in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes infolge krankheitsbedingter Aufwendungen tatsächlich nicht zur Verfügung steht, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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