OGH 15Os144/13k

OGH15Os144/13k19.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Aurora B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 4. Juni 2013, GZ 24 Hv 26/13h‑25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen ‑ auch einen rechtskräftigen Freispruch der Angeklagten von einer weiteren Tat enthaltenden ‑ Urteil wurde Aurora B***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in B***** anderen fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1) am 13. Juni 2012 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Geza M***** als Mittäter und Gina M***** durch Leisten von Aufpasserdiensten als Beitragstäterin“ dem Ahmet S***** ein Armband und dazugehörige Ohrringe im Gesamtwert von 4.400 Euro;

2) am 21. Juni 2012 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit den abgesondert verfolgten Geza M***** und Gina M***** der Doris D***** drei Goldringe im Gesamtwert von 3.787 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 1a, 5, 5a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist im Recht.

Der im Hinblick auf das Anfechtungsziel erkennbare Beschwerdevorwurf, das Erstgericht habe im Zusammenhang mit seinen Erwägungen zur (auch) aus deren Arbeitslosigkeit und dem Fehlen eines „entsprechenden Einkommens“ abgeleiteten Täterschaft der Angeklagten und deren Vorsatz ihre Angaben nicht erörtert (nominell teils Z 5 vierter Fall, teils Z 5a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall), dass sie bis Juni 2012 in Österreich beschäftigt gewesen sei und erst danach bloß eine Arbeitslosenunterstützung erhalten habe (ON 3 S 21; ON 19 S 2), weist zutreffend auf eine Unvollständigkeit der Begründung hin.

Ebenso zeigt das Rechtsmittel (nominell aus Z 10, der Sache nach Z 5 vierter Fall) zutreffend auf, dass in der vom Erstgericht ohne gesetzlichen Nachweis der Schuld vorgenommenen Ableitung einer auf wiederkehrende Begehung zu fortlaufender Einnahmeerzielung gerichteten Absicht (§ 70 StGB) auch aus dem Umstand, dass die Angeklagte „aktuell in einem deutschen Ermittlungsverfahren wegen Diebstählen in Schmuckgeschäften als Tatverdächtige involviert“ ist (US 6), eine grundrechtswidrige Schuldvermutung zum Nachteil der Beschwerdeführerin liegt, weil auf ein noch nicht rechtskräftig erledigtes Strafverfahren verwiesen wird. Dadurch wurde die in § 8 StPO und Art 6 Abs 2 MRK normierte Unschuldsvermutung verletzt (RIS‑Justiz RS0074684 [T15]; 13 Os 101/08i; Grabenwarter, WK‑StPO § 8 Rz 8).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO), weshalb das weitere Rechtsmittelvorbringen auf sich beruhen kann.

Zur Klarstellung wird jedoch angemerkt, dass der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1a StPO nur dann vorliegt, wenn der Angeklagte nicht während der ganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, obwohl dies zwingend vorgeschrieben ist. Dass der gemäß § 61 Abs 2 StPO bestellte Verteidiger im selben Verfahren zunächst bis zur Verfahrenstrennung (ON 24 S 2) auch für einen (gleichfalls nicht geständigen) Mitangeklagten eingeschritten war (vgl ON 7, ON 19 S 1), vermag Nichtigkeit im angeführten Sinn nicht zu begründen. Selbst im Fall ‑ im ersten Rechtsgang bloß außerhalb der Hauptverhandlung behaupteter (ON 12; ON 15) ‑ widerstreitender Interessen kann nur bei entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung (§ 238 StPO; RIS-Justiz RS0099250) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO gegeben sein (RIS‑Justiz RS0099231).

Stichworte