OGH 9ObA168/13s

OGH9ObA168/13s26.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** K*****, vertreten durch Nusterer & Mayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 682,67 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2013, GZ 7 Ra 93/13t‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin ist seit 9. 2. 2009 als Stationshelferin/Abteilungshelferin in einem Krankenhaus der Beklagten tätig. Die Beklagte überwies der Klägerin von Beginn des Dienstverhältnisses bis 30. 6. 2012 neben dem ihr gebührenden Gehalt nach der NÖ Gehaltsklasse 2 eine monatliche Turnusdienstzulage (zunächst 119,11 EUR brutto, zuletzt 155,25 EUR brutto), obwohl die Klägerin keine Turnusdienste leistete. Die Turnusdienstzulage war unter der Abkürzung „MLE TD“ (Mehrleistungsentschädigung Turnusdienst) auf den monatlichen Bezugszetteln ausgewiesen. Ab Juli 2012 behielt sich die Beklagte vom laufenden Bezug der Klägerin 682,67 EUR ein.

Nach § 62 Abs 4 erster Satz NÖ LBG sind dem Land zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse) zu ersetzen, soweit sie nicht im guten Glauben empfangen worden sind.

Der gute Glaube beim Empfang und Verbrauch eines unrechtmäßigen Dienstbezugs ‑ hier in Gestalt einer Zulage ‑ wird nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit ausgeschlossen, sondern schon dann verneint, wenn der Bedienstete zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Bezugs auch nur zweifeln musste (RIS‑Justiz RS0033826). Die Beweislast für die Unredlichkeit trifft gemäß § 328 ABGB den einen zu Unrecht ausgezahlten Dienstbezug rückfordernden Dienstgeber (RIS‑Justiz RS0010182). Der Dienstnehmer darf nämlich grundsätzlich darauf vertrauen, dass alle ihm von Seiten des Dienstgebers zukommenden Leistungen auch wirklich endgültig zustehen (9 ObA 197/92; RIS‑Justiz RS0010271 [T12]). Von den Leistungen des Dienstgebers sind sämtliche Entgeltansprüche aus dem Dienstverhältnis umfasst, sofern ihnen Unterhaltscharakter zukommt, daher auch Zulagen (9 ObA 197/92). Die Frage, ob es dem Dienstgeber gelungen ist, die Unredlichkeit des Dienstnehmers zu beweisen, stellt zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig -ausgenommen korrekturbedürftige Fehlbeurteilungen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0033826 [T5]).

Rechtliche Beurteilung

Eine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt der Rechtssicherheit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifen wäre, vermag die Beklagte ebenso wenig darzustellen wie eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die nicht bereits anhand der vom Obersten Gerichtshof herausgearbeiteten Grundsätze für die Beurteilung der Rückforderung irrtümlich angewiesener Bezüge gelöst werden könnte.

Das Berufungsgericht hat nicht „festgestellt“, dass die Klägerin erfolglos versuchte, herauszufinden, was die Abkürzung „MLE TD“ bedeutet, sondern es hat damit nur die Aussage der Klägerin bei Behandlung der Tatsachenrüge der Beklagten, die es als nicht berechtigt erachtete, wiedergegeben. In diesem Zusammenhang hat es dargelegt, dass die Aussage der Klägerin ohnedies nicht zwingend bedeute, dass die Klägerin deshalb Bedenken gehabt habe bzw gehabt haben musste, dass ihr dieser Betrag zustehe. Eine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung folgt daraus nicht.

Dass ein Dienstnehmer beim Empfang einer Leistung des Dienstgebers „ein durchschnittliches Maß an Sorgfalt“ anwenden muss, ist nicht nur nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, sondern auch nach jener des Obersten Gerichtshofs der Fall. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe diesen Sorgfaltsmaßstab im Einzelfall nicht unterschritten, ist jedenfalls vertretbar.

Auch der Hinweis auf § 2 ABGB ist im konkreten Fall nicht geeignet, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Da der Klägerin beim Vorstellungsgespräch die Höhe ihres Bezugs nicht gesagt werden konnte, sondern sie auf den ersten Bezugszettel verwiesen wurde, musste sie auch aus objektiver Sicht keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ihr vom Land NÖ überwiesenen Entgelts haben, sondern durfte auf dessen richtige Abrechnung vertrauen. Die Klägerin traf daher keine Nachforschungspflicht.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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