OGH 7Ob231/13s

OGH7Ob231/13s26.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, und der Nebenintervenientin G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Versicherung AG, *****, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbH in Salzburg, wegen 147.970,93 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2013, GZ 4 R 156/13t‑19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Klägerin, die im Glasbau tätig ist und auch Planungsarbeiten übernimmt, schloss mit der Beklagten auf Basis eines von der Nebenintervenientin ‑ einer Versicherungsmaklerin ‑ erstellten Versicherungskonzepts einen Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag ab, dem die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1997 und EHVB 1997) zugrunde liegen. Die weiters vereinbarten „Besonderen Vereinbarungen“, die die Punkte 2.1. bis 2.26. umfassen, wurden von der Nebenintervenientin aufgesetzt und von der Beklagten übernommen.

Die Klägerin wurde von einem Unternehmen im Rahmen des Neubaus dessen Verwaltungsgebäudes mit Glaserarbeiten (Lieferung und Montage von Isolierglasscheiben samt im glasdichten Raum zwischen den Isolierglasscheiben befindlichen motorbetriebenen Jalousien) beauftragt, wobei sie auch Teile der Elektrotechnik und mechanisches Gewerk lieferte. An diesem Bauprojekt waren auch ein Planer für Elektrotechnik (Steuerungsplaner) und ein ausführendes Elektrotechnikunternehmen beteiligt; diese wurden von der Bauherrin eigenständig beauftragt. Von der Kundin wurden als Mängel des Gewerks geltend gemacht, dass sich die ‑ innen liegenden ‑ Jalousien und auch die Ausstellfenster nicht entsprechend steuern oder betätigen ließen.

In der Folge wurde die nunmehrige Klägerin gemeinsam mit den beiden weiteren Werkunternehmern von der Kundin gerichtlich belangt. Diese forderte von der Klägerin eine sach‑ und fachgerechte Herstellung und Installation der zwischen den Isolierglasscheiben befindlichen Jalousien sowie der sowohl lokal als auch zentral steuerbaren Ausstellfenster, hilfsweise die Zahlung von 150.000 EUR sA (Punkt 1. des Klagebegehrens), begehrte weiters die Feststellungen, dass die Klägerin für eine sach‑ und fachgerechte Ausführung des Auftrags zur Installation des Gewerks Gewähr zu leisten habe (Punkt 2.), die drei Werkunternehmer zur ungeteilten Hand für sämtliche Schäden aufgrund der fehlerhaften Ausführung sowie der fehlerhaften Elektroinstallation hafteten (samt mehrerer Eventualbegehren; Punkt 3.), der Klägerin eine Forderung auf Ersatz des Verbesserungsaufwands von 68.408,08 EUR nicht zustehe (Punkt 4.) und die drei Werkunternehmer zur ungeteilten Hand schuldig seien, 20.000 EUR zu zahlen (Punkt 5.). Ein in diesem Verfahren beigezogener Sachverständiger führte aus, es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, den Steuerungsplaner darüber zu informieren, welche Anforderungen an die einzubauende Steuerung gestellt würden.

Weder die Planung noch die Ausschreibung der Steuerung beim Bauvorhaben war Aufgabe der Klägerin. Ursache für die Mängel am Bauvorhaben war jedenfalls die mangelhafte Planung und Ausführung der Elektrosteuerung in Bezug auf die Ausstellfenster und Jalousien.

Im Gerichtsverfahren erfolgte schließlich eine außergerichtliche Einigung, wonach die Klägerin 116.577,08 EUR an die Werkbestellerin zahlte. Für ihre Rechtsvertretung im Vorverfahren entstanden Kosten von 31.393,85 EUR, die die Klägerin ebenfalls beglich.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten, gestützt auf den Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, die Zahlung dieser Beträge.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision insbesondere deshalb nicht zu, weil die Auslegung von individuell vereinbarten Versicherungsbedingungen keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Nach Art 1.2.1.1 AHVB 1997 bezieht sich das Leistungsversprechen nicht auf den Gesamtbereich des Schadensbegriffs des § 1293 ABGB, sondern nur auf die Deckung von Personenschäden und Sachschäden sowie solchen Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personenschaden oder Sachschaden zurückzuführen sind. Demgegenüber sind sogenannte „reine“ Vermögensschäden, das sind Schäden, die weder durch einen versicherten Personenschaden noch durch einen versicherten Sachschaden entstanden sind, nach dieser Klausel nicht mitversichert. Es kommt auf den Ursachenzusammenhang an. Ist der betreffende Vermögensschaden ein Schaden, der mit dem versicherten Personenschaden oder Sachschaden in einem ursächlichen Zusammenhang im Sinn der Lehre der Adhäsionstheorie steht, so ist ein solcher Vermögensschaden als „unechter“ Vermögensschaden regelmäßig gedeckt (7 Ob 147/07d mwN; RIS‑Justiz RS0081414).

Sachschaden ist die Beschädigung oder Vernichtung von körperlichen Sachen (Art 1.2.3 AHVB 1997). Eine Beschädigung liegt vor, wenn auf die Substanz einer (bereits bestehenden) Sache körperlich so eingewirkt wird, dass deren zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch ihre Gebrauchsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird. Die mangelhafte Herstellung einer Sache ist grundsätzlich keine Sachbeschädigung. Ist nämlich die Sache noch nicht fehlerfrei hergestellt, kann sie nicht durch die Leistung des Versicherungsnehmers beschädigt werden (7 Ob 147/07d mwN; 7 Ob 114/08b).

Abgesehen davon, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptete, der Werkbestellerin anlässlich der außergerichtlichen Bereinigung frustrierte Generalunkosten ersetzt zu haben, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es sich bei den geltend gemachten „Unkosten“ (Punkt 5. des Klagebegehrens des Vorprozesses) um „reine“ Vermögensschäden handelt, zutreffend. Diese Generalunkosten resultieren aus der mangelhaften Werkleistung der Klägerin im Sinn der Verletzung ihrer Nebenpflicht zur Kooperation mit dem Planer für die Elektrotechnik („technischer Schulterschluss“, vgl RIS‑Justiz RS0021634 [T1]; RS0021880 [T2, T6]), also nicht aus einem versicherten Personen‑ oder Sachschaden, sodass sie als sogenannte „reine“ Vermögensschäden nicht von Art 1.2.1.1 AHVB 1997 erfasst und danach nicht versichert sind.

2. Mit Punkt 2.16.1. der „Besonderen Vereinbarungen“ erfolgte abweichend von Art 1.2.1.1 AHVB 1997 ein sekundärer Risikoeinschluss für „reine“ Vermögensschäden (dazu 7 Ob 147/07d). In Punkt 2.16.2. wird festgehalten, dass Abschnitt B, Vorbemerkung EHVB Anwendung findet; danach ist abweichend von Art 1 AHVB 1997 Versicherungsfall der Verstoß (Handlung oder Unterlassung), aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten. In Punkt 2.16.3.3. der „Besonderen Vereinbarungen“ werden allerdings Schadenersatzverpflichtungen aus planender, beratender , bau‑ oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit vom Versicherungsschutz (für „reine“ Vermögensschäden) wieder ausgeschlossen (vgl zur inhaltsähnlichen deutschen Bedingungslage Schneider in Beckmann/Matusche‑Beckmann , Versicherungsrecht‑Hand‑ buch² [2009] § 24 Rn 32 [Z 2 Nr 3 BB Vermögen]; Lücke in Prölss/Martin , Versicherungsvertragsgesetz 28 [2010], 1567 [Nr 6.2 BesBed PHV], 1604 [Nr 7.6.5.2 lit b BetriebsHaftPfl]). Wie sich hier aus dem Bezug auf Abschnitt B, Vorbemerkung EHVB 1997 ableiten lässt, steht dabei einer aktiven Tätigkeit (Handlung) die Unterlassung einer nach den Umständen gebotenen Tätigkeit grundsätzlich gleich (in diesem Sinn auch Dürlinger , Ausgewählte Fragen zur Tätigkeitsklausel [2013], 20).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Verletzung allfälliger Hinweis‑ oder Aufklärungspflichten der Klägerin gegenüber dem Planer für die Elektrotechnik eine (unterlassene) „beratende“ oder auch „prüfende“ Tätigkeit sei, sodass auch aus dieser Bestimmung ein Entfall der Deckungspflicht der Beklagten abzuleiten sei, ist zumindest vertretbar. Die ‑ auf das Gelingen des Werks abzielende ‑ bereits zitierte Rechtsprechung zum „technischen Schulterschluss“ (RIS‑Justiz RS0021634; RS0021880) geht auch im Zusammenhang mit Schutz‑ und Sorgfaltspflichten von einer Kooperationsverpflichtung mehrerer auf einer Baustelle tätiger Unternehmen aus. Diese Kooperationsverpflichtung umfasst auch Warnpflichten oder gegenseitige Aufklärungs‑ und Kontrollpflichten (8 Ob 42/05t). Unterlässt es die Klägerin als sachkundige Werkunternehmerin, den zur Herstellung desselben Werks beauftragten Steuerungsplaner darüber zu informieren, welche Anforderungen an die einzubauende Steuerung zu stellen sind, verstößt sie gegen die ihr aus dem Werkvertrag mit der Auftraggeberin obliegende Nebenpflicht. Ein solcher Verstoß ist durchaus als Unterlassung der gebotenen beratenden oder prüfenden Tätigkeit im Sinn des Punktes 2.16.3.3. anzusehen.

3. Im Rahmen der Versicherung des erweiterten Produkthaftpflichtrisikos wurde in Punkt 2.12.7. der „Besonderen Vereinbarungen“ mit einer Versicherungssumme von 14.534,57 EUR die Vereinbarung getroffen, dass abweichend von Abschnitt A, Z 2. Punkt 4.1.3.1 EHVB 1997 Versicherungsschutz für Aus‑ und Einbaukosten auch dann besteht, wenn der Versicherungsnehmer oder ein von ihm beauftragter Subunternehmer seine Produkte selbst eingebaut hat, unter der Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer nachweist, dass der Schaden ausschließlich auf die Mangelhaftigkeit des von ihm hergestellten und/oder gelieferten Produkts, nicht aber auf eine mangelhafte Montage zurückzuführen ist (vgl zur vertraglichen Abbedingung von Punkt 4.1.3.1 EHVB Ziegler , Die erweiterte Produkthaftpflichtdeckung nach AHVB/EHVB 2005 [2008], 143 f).

Wenn die Revisionswerberin aus dieser Bestimmung die Deckungspflicht der Beklagten für nicht näher konkretisierte Aus‑ und Einbaukosten ableiten will, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Klägerin kein Vorbringen erstattete, in welcher Höhe solche Kosten von ihr gegenüber der Werkbestellerin oder von dieser ihr gegenüber begehrt wurden, und auch nicht, dass bestimmte Aus‑ und Einbaukosten im Rahmen des Vergleichsbetrags von ihr abgegolten wurden. Damit erübrigt sich schon mangels hinreichender erstinstanzlicher Behauptungen, auf diese Klausel einzugehen.

4. Nach Punkt 2.24. der „Besonderen Vereinbarungen“ (Bauplanung und Bauüberwachung) erstreckt sich die Versicherung im Rahmen des versicherten Risikos auf alle Planungstätigkeiten (Punkt 2.24.1.) und insofern auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus „reinen“ Vermögensschäden (Punkt 2.24.2.). Nach Punkt 2.24.4. sind Sach‑ und Vermögensschäden am Bauwerk versichert, die ihre Ursache in einem Planungs‑, Berechnungs‑ oder Bauleitungsfehler haben, der auf eine Planungs‑ oder Bauleitungstätigkeit des Versicherungsnehmers zurückzuführen ist, soweit dieser gleichzeitig die Erstellung der Bauleistung bewirkt. Die Beweislast für einen Planungs‑, Berechnungs‑ oder Bauleitungsfehler obliegt dem versicherten Unternehmer (zB behördlich genehmigter oder angezeigter Einreichplan etc).

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen war weder die Planung noch die Ausschreibung der Steuerung beim Bauvorhaben Aufgabe der Klägerin. Dass die Klägerin eine Bauleitungstätigkeit erbrachte, konnte nicht festgestellt werden. Das Berufungsgericht verneinte die Deckungspflicht der Beklagten nach Punkt 2.24., weil die Klägerin von der Werkbestellerin nicht mit der Planung beauftragt wurde und ein Verstoß gegen ihre Kooperationspflichten nicht darunter fällt. Wenn die Revisionswerberin damit argumentiert, dass die Klägerin eine „planende Tätigkeit“ ausgeübt habe, geht sie nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Planungsdefizite der beiden anderen Werkunternehmer ‑ speziell des Steuerungsplaners für die Elektrotechnik ‑ begründen nicht die Deckungspflicht der Beklagten nach dieser Versicherungsbedingung.

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