European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00006.14A.0225.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist alleinige Testamentserbin nach der am 10. 10. 2008 verstorbenen M*****. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus der Liegenschaft M*****. Im Testament ließ die Erblasserin der Beklagten ein Legat in der Form eines „Grundstücksteiles von ca 400 m²“ zukommen. Ihren Ehemann setzte sie ausdrücklich auf den Pflichtteil, räumte ihm aber das lebenslange Wohn‑ und Nutzungsrecht an Haus und Garten ein.
Am 12. 2. 2010 trafen die Klägerin und die Beklagte ein Übereinkommen als Erbin bzw Vermächtnisnehmerin. Vertragsgegenstand war eine aufgrund des Teilungsplans eines Ziviltechnikers ausgemessene Teilfläche der genannten Liegenschaft im Ausmaß von 530 m². Vereinbart wurde, dass die Klägerin den Vertragsgegenstand in Erfüllung der letztwilligen Anordnung der Erblasserin unentgeltlich an die Beklagte übertrage und diese den Vertragsgegenstand erwerbe. Die Übergabe und die Übernahme des Vertragsgegenstands sollten anlässlich der Vertragsunterfertigung erfolgen, mit der auch Gefahr und Zufall, Nutzen und Lasten auf die Erwerberin übergehen sollten. Die Vertragsparteien erteilten ihre Einwilligung zur Abschreibung der Teilfläche von der Liegenschaft der Erblasserin und der Zuschreibung zum Gutsbestand einer der Beklagten gehörigen Liegenschaft.
Mit Schriftsatz vom 12. 3. 2010 legte der Gerichtskommissär dem Bezirksgericht Fünfhaus als Verlassenschaftsgericht ua dieses Übereinkommen vor. Gleichzeitig gab die Klägerin zum ganzen Nachlass aufgrund des Testaments eine unbedingte Erbantrittserklärung und eine Vermögenserklärung ab. Außerdem wurde darauf verwiesen, dass Verhandlungen mit dem Witwer wegen des Pflichtteils ergebnislos verlaufen seien, dass diese Ansprüche im Zivilrechtsweg zu behandeln sein werden und zur Erfüllung des Vermächtnisses gegenüber der Beklagten der genannte Teilungsplan errichtet worden sei. Die Beklagte erklärte unter Hinweis auf das Übereinkommen vom 12. 2. 2010, das Vermächtnis anzunehmen.
Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 1. 4. 2010, GZ 3 A 257/08y‑24, wurde der Nachlass der Klägerin eingeantwortet und ausgesprochen, dass nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens im Zusammenhang mit dem Teilungsplan im Grundbuch die Teilung des Grundstücks sowie die Ab‑ und Zuschreibung der Teilfläche zum Gutsbestand der der nunmehrigen Beklagten gehörigen Liegenschaft vorzunehmen sei.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 24. 11. 2011 wurde die Abschreibung der im Teilungsplan bezeichneten Teilfläche(n) von der Liegenschaft der Erblasserin und deren Zuschreibung zur Liegenschaft der Beklagten samt der Einbeziehung und die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Beklagte bewilligt.
Der Witwer der Verstorbenen brachte am 31. 5. 2010 zur AZ 6 Cg 87/11z des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien gegen die nunmehrige Klägerin eine Pflichtteilsklage auf Zahlung eines Betrags von 500.000 EUR sA ein. Die nunmehrige Beklagte trat diesem Verfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der nunmehrigen Klägerin bei. Die Klägerin wurde mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. 3. 2012 rechtskräftig zur Zahlung eines Pflichtteils von 298.807,40 EUR an den Witwer der Erblasserin verpflichtet.
Mit der am 20. 3. 2013 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin nunmehr von der Beklagten unter Berufung auf § 783 ABGB die Zahlung eines Betrags von 113.000 EUR sA zur Pflichtteilsdeckung. Die Beklagte habe als Legatarin eine Grundstücksfläche von 530 m² erworben. Die Klägerin sei in weiterer Folge vom Witwer der Verstorbenen mittels Pflichtteilsergänzungsklage in Anspruch genommen worden. In diesem Pflichtteilsprozess habe die Klägerin eine Beteiligung der Beklagten als Legatarin gemäß § 693 ABGB nicht erreichen können, weil das Legat bereits ausgefolgt gewesen sei und die Verlassenschaftsmasse zur Abdeckung des Pflichtteilsanspruchs ausgereicht habe.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete insbesondere die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs ein. Der Pflichtteilsanspruch des Witwers sei spätestens bei Abgabe der unbedingten Erbantrittserklärung der Klägerin am 12. 2. 2010 bekannt gewesen, sodass ein allfälliger Anspruch der Klägerin aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist spätestens am 12. 2. 2013 verjährt sei.
Die Klägerin hielt diesem Verjährungseinwand entgegen, sie habe das Legat erst nach Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses vom 1. 4. 2010 ausfolgen können und die Höhe des Pflichtteilsanspruchs des Witwers sei erst mit der Rechtskraft des Urteils vom 30. 3. 2012 geklärt gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Nach seiner Rechtsansicht unterliege der Rückforderungsanspruch nach § 783 ABGB der kurzen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB. Diese habe mit dem Abschluss des Übereinkommens und der unbedingten Erbantrittserklärung der Klägerin vom 12. 2. 2010 zu laufen begonnen und sei daher bei Einbringung der Klage am 20. 3. 2013 bereits abgelaufen gewesen, sodass die Forderung verjährt sei.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Klägerin das Ersturteil ab und sprach mit Zwischenurteil nach § 393a ZPO aus, dass die Einrede der Verjährung abgewiesen werde. Es vertrat im Wesentlichen die Rechtsansicht, der Anspruch nach § 783 ABGB unterliege nicht der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB. Bei ungekürzter Leistung eines Legats stehe dem Erben gegen den Vermächtnisnehmer ein Kondiktionsanspruch nach § 693 ABGB zu. Dieser auf § 1431 ABGB beruhende Rückforderungsanspruch verjähre nach § 1479 ABGB erst nach Ablauf von 30 Jahren. Einer kurzen Verjährungsfrist unterlägen nach der Rechtsprechung nur Kondiktionen, die an die Stelle vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche treten, für welche die kurze Verjährungsfrist gelte.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision wegen des Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verjährung des Rückforderungsanspruchs gegen einen Legatar nach den §§ 693, 783 ABGB zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Beklagte vertritt ‑ zusammengefasst -weiterhin die Ansicht, dass eine dreijährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme und die am 20. 3. 2013 beim Erstgericht eingebrachte Klage im Hinblick auf das am 12. 2. 2010 zwischen den Parteien vereinbarte Übereinkommen verjährt sei.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
1. Das österreichische Erbrecht kennt zwei verschiedene, voneinander unabhängige Formen der Legatsreduktion, nämlich das Recht nach § 692 ABGB, wenn die Vermächtnisse den Reinnachlass übersteigen, und das Recht gemäß § 783 ABGB, wenn dem Noterben der gebührende Pflichtteil nicht oder nicht vollständig ausgemessen wurde (RIS‑Justiz RS0012649). Während die Reduktion nach § 692 ABGB mit der Haftung des Erben nach außen zusammenhängt, daher eine bedingte Erbantrittserklärung und einen zur Befriedigung aller unzureichenden Nachlass voraussetzt, regelt § 783 ABGB die materielle Beitragspflicht der Vermächtnisnehmer, also die Frage, wann und in welchem Ausmaß die Legatare die Erben bei der Pflichtteilsdeckung zu entlasten haben. Diese Entlastung greift auch dann ein, wenn der Nachlass zur Befriedigung aller ausreicht oder der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat. Wird der Pflichtteil des Erben durch Legate verkürzt, so erfahren die Legate auch dann eine Kürzung gemäß § 783 ABGB, wenn der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat ( Apathy in KBB³ § 783 ABGB Rz 2 mwN).
2. Ist die Kürzung von Vermächtnissen zur Pflichtteilsergänzung notwendig, so sind die Erben zur Vornahme der Legatsreduktion berufen. Sie haben demgemäß den Vermächtnisnehmern entsprechend gekürzte Legate auszufolgen oder, wenn diese ‑ wie hier ‑ bereits ungekürzt ausgefolgt wurden, zu viel Geleistetes zurückzufordern (RIS‑Justiz RS0012643). Bei diesem Rückforderungsanspruch des Erben handelt es sich nach allgemein herrschender Ansicht entgegen der Rechtsansicht der Beklagten um keinen Schadenersatzanspruch, sondern um einen Bereicherungsanspruch des Erben nach § 1431 ABGB (vgl Eccher in Schwimann/Kodek , ABGB 4 III § 693 Rz 1; Apathy in KBB³ § 783 ABGB Rz 4 sowie § 693 ABGB Rz 1; Weiß in Klang ² III 640; Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.00 § 783 Rz 2; 6 Ob 204/09g).
3. Die Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche beträgt nach § 1479 ABGB grundsätzlich 30 Jahre (RIS‑Justiz RS0033819, RS0020167). Die lange 30‑jährige Verjährungsfrist gilt als Auffangtatbestand. Ist keine jener Bestimmungen, die eine kurze Verjährungsfrist vorsehen, unmittelbar oder kraft Analogieschlusses anwendbar, hat es bei einer Verjährungszeit von 30 Jahren zu bleiben (RIS‑Justiz RS0086687).
3.1 Nach § 1487 ABGB verjährt das Recht des (teilweise) übergangenen oder zu Unrecht enterbten Noterben, den Pflichtteil oder dessen Ergänzung zu fordern, wenn der Anspruch gegen den letzten Willen des Erblassers durchzusetzen ist oder aus gesetzlicher Erbfolge abgeleitet wird, denn der Erbe soll rasch wissen, ob er mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen rechnen muss. Wird der Anspruch dagegen aus der Verfügung selbst ‑ in Entsprechung des erblasserischen Willens ‑ abgeleitet, ist die 30‑jährige Frist anzuwenden ( Dehn in KBB³ § 1487 ABGB Rz 2 mwN). Die Aufzählung des § 1487 ABGB ist taxativ und einschränkend auszulegen (RIS‑Justiz RS0033210 [T1]).
3.2 § 783 ABGB regelt die materielle Beitragspflicht der Vermächtnisnehmer, also die Frage, wann und in welchem Ausmaß die Legatare die Erben bei der Pflichtteilsdeckung zu entlasten haben. Hat der Erblasser in seinem letzten Willen nicht selbst für die (vollständige) Deckung der Pflichtteile vorgesorgt, so vermutet das Gesetz, dass die anteilige Belastung aller Erben und Legatare dessen Willen am ehesten gerecht wird (1 Ob 627/91). Ein Legatsanspruch, der sich nur aus dem erblasserischen Willen selbst ergeben kann, verjährt daher nach allgemeinen Regeln in 30 Jahren (vgl 4 Ob 214/06h ua; RIS‑Justiz RS0034375, RS0034392). Die Legatskürzung von Gesetzes wegen nach § 783 ABGB führt daher, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zur Umstoßung der letztwilligen Anordnung, sodass auch beim Rückforderungsanspruch die Verjährungsbestimmung des § 1487 ABGB nicht greifen kann. Die Verjährungsfrist für den hier geltend gemachten, auf § 1431 ABGB beruhenden Rückforderungsanspruch nach § 783 ABGB beträgt daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts 30 Jahre (vgl Welser in Rummel, ABGB³ § 783 Rz 5; B. Jud, Anm zu ecolex 1999, 461).
Da sich der von der Beklagten erhobene Verjährungseinwand somit als nicht berechtigt erweist, musste der Revision ein Erfolg versagt bleiben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0128615).
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