Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Muhammad A*****, Paramjit R*****, Amanpal G***** und Tuncay T***** jeweils des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 2012 in G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) Andrea S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem sie nacheinander den Vaginal- und den Analverkehr am Opfer vollzogen, während ihre Komplizen Andrea S***** am Boden fixierten, wobei sie alle das Opfer durch die Tat in besonderer Weise erniedrigten, indem sie die geschlechtlichen Handlungen unmittelbar nacheinander, in Gegenwart und teilweise auch unter Belustigung der anderen Angeklagten vornahmen und teilweise mit einem Mobiltelefon filmten.
Rechtliche Beurteilung
Den dagegen von Muhammad A***** aus Z 4, 9 (lit a), 10 und 11, Paramjit R***** aus Z 11, Amanpal G***** aus Z 4, 5, 9 (lit a), 10 und 11 sowie Tuncay T***** aus Z 4, 5 und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Den Verfahrensrügen (Z 4) zuwider wurde durch das von Muhammad A*****, Amanpal G*****, Tuncay T***** kritisierte Unterbleiben einer zeugenschaftlichen Vernehmung der Judit S***** Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Antrag (ON 150 S 32 f, ON 160 S 14 f und ON 176 S 3 f) war nämlich auf einen undurchführbaren Beweis gerichtet (RIS-Justiz RS0099119, RS0099275; vgl auch RIS-Justiz RS0101349), wie sich aus mehreren Berichten der Kriminalpolizei über (umfangreiche) erfolglose Ausforschungsversuche im Auftrag des Gerichts ergab (ON 160 S 11 f; ON 161 und ON 174 f). Im Übrigen legte der Antrag auch nicht dar, weshalb Judit S*****, deren Anwesenheit zur Tatzeit (bloß) in der Nähe des Tatorts von zwei Angeklagten bestätigt (ON 150 S 22 und ON 160 S 4), von den beiden übrigen hingegen verneint wurde (ON 160 S 14), hätte aussagen sollen, dass es sich um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehandelt habe und dieser nicht gefilmt worden sei. Das Begehren war daher (auch) auf im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet.
Auf Erkundungsbeweisführung zielte auch der von diesen drei Angeklagten relevierte Antrag auf (neuerliche) Befragung der bereits kontradiktorisch vernommenen Zeugin Andrea S***** (ON 176 S 4 und 5 f). Dass diese ungeachtet ihrer unmissverständlichen Ankündigung, in der Hauptverhandlung nicht mehr aussagen zu wollen (ON 109 S 14), dennoch dazu bereit gewesen wäre, wurde nämlich nicht dargetan (RIS-Justiz RS0117928). Aus der bloßen Anwesenheit des Opfers in der Hauptverhandlung (als Zuhörerin) war eine solche Bereitschaft auch nicht abzuleiten. Weshalb das Opfer, das zur Tatzeit stark alkoholisiert war (vgl US 4 und 8), in der Hauptverhandlung ‑ also in größerem zeitlichen Abstand ‑ eine bessere Erinnerung an das Tatgeschehen hätte aufweisen sollen als bei früheren Vernehmungen wurde davon abgesehen bei der Antragstellung ebenso wenig vorgebracht.
Der von Tuncay T***** gestellte Antrag „auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Biologie-Neurologie, dies zum Beweise dafür, dass“ er „an ADHS erkrankt sei“ und daher „zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfähig gewesen sei und somit ein wesentlicher Milderungsgrund des § 34 StGB vorliege“ (ON 176 S 5 f), enthielt kein für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage (oder die Strafbefugnisgrenze) relevantes Beweisthema, weshalb dessen Abweisung kein Gegenstand der Verfahrensrüge ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321 f).
Mit der Glaubwürdigkeit der Aussage des Opfers (samt dessen Erinnerungslücken und in seinen Angaben enthaltenen Widersprüchen) hat sich das Erstgericht ausführlich auseinandergesetzt (US 7 ff), weshalb der von der Mängelrüge (der Angeklagten Amanpal G***** und Tuncay T*****) erhobene Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht. Im Übrigen erschöpft sich dieses Vorbringen darin, die Annahme der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Opfers ohne Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0106588, RS0119422 [T4]).
Die Aussage des Amanpal G*****, es habe sich um einverständlichen Geschlechtsverkehr gehandelt, den das Opfer sogar „genossen“ habe, wurde vom Schöffengericht mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 11 und 13).
Die auf dieser Version des Geschehens (zumindest mutmaßlicher Freiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs) aufbauenden Rechtsrügen (von Muhammad A***** und Amanpal G***** [Z 9 lit a]) gehen prozessordnungswidrig nicht vom gegenteiligen Urteilssachverhalt aus (US 5 und 11).
Gleiches gilt für die Subsumtionsrügen (Z 10), die ‑ auf der Sachverhaltsebene ‑ das Vorliegen der rechtlich als besonders erniedrigend qualifizierten Begleitumstände überhaupt bestreiten (Tuncay T*****) oder einwenden, das Opfer hätte diese Umstände (etwa das Filmen der Tat, die gegenseitigen Ermunterungen zur Vergewaltigung) zufolge seiner starken Alkoholisierung „nicht einmal mitbekommen“ (Muhammad A***** und Amanpal G*****; vgl demgegenüber US 6 und 8).
Die (von Muhammad A*****, Paramjit R***** und Amanpal G***** ergriffenen) Sanktionsrügen (Z 11 zweiter Fall) verfehlen ebenfalls ihr Ziel. Das Erstgericht nahm nämlich (allein) das Vorliegen besonders erniedrigender Umstände (§ 201 Abs 2 vierter Fall StGB) als qualifikationsbegründend an. Die (auf US 6 festgestellten) Verletzungen und Schmerzen des Opfers bestimmten daher nicht die Strafdrohung und durften im Rahmen der Strafbemessung ohne Verletzung des Doppelverwertungsverbots (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ebenso erschwerend berücksichtigt werden wie das Unterbleiben der Verwendung eines Kondoms.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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