Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Freispruch und in der Verweisung des Julian und der Leonie B***** auf den Zivilrechtsweg unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Freispruch von angelasteten Taten zum Nachteil des Julian und der Leonie B***** enthaltenden) Urteil wurde Alexander B***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 und 2 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er in Y*****
I) ab dem Jahr 2007 bis 5. November 2010 mit einer unmündigen Person, nämlich seiner am 6. November 1996 geborenen Stieftochter Tanja B***** den Beischlaf und diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er mehrmals einen Finger in deren Scheide einführte und mehrmals, davon einmal anal, mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzog;
II) von Juni 2006 bis 5. November 2010 außer dem Fall des § 206 Abs 1 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person unternommen, indem er Tanja B***** mehrmals, teils wöchentlich, im Brust‑ und Genitalbereich, meist auf der nackten Haut, berührte und sie streichelte;
III) durch die zu I und II angeführten Taten mit seinem minderjährigen Stiefkind Tanja B*****, das seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung geschlechtliche Handlungen vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zeigt zutreffend auf, dass die ‑ einer ausdrücklichen Begründung im Urteil bedürfenden (RIS‑Justiz RS0128679, RS0098789 [T4]) ‑ Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten (US 16) offenbar unzureichend begründet sind. Wenngleich aus den äußeren Umständen der Tat ‑ auch bei wie hier leugnenden Angeklagten ‑ durchaus Schlüsse auf die innere Tatseite gezogen werden können (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452; RIS‑Justiz RS0098671), so genügt allein der Verweis auf die für glaubwürdig, schlüssig und nachvollziehbar befundenen Angaben der Tanja B***** (US 18) nicht, weil Gegenstand von Zeugenaussagen nur objektive Wahrnehmungen, nicht aber Mutmaßungen über das Wissen und Wollen anderer Personen sein können (vgl Danek, WK‑StPO § 270 Rz 40, RIS‑Justiz RS0097540).
Da dieser Begründungsmangel ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ eine Aufhebung des Schuldspruchs bei der nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) erfordert, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs und des im Zusammenhang mit dem kassierten Schuldspruch stehenden Adhäsionserkenntnis (RIS‑Justiz RS0101311, RS0101303) zu verweisen.
Die Grundlage einer Kostenersatzpflicht wurde zufolge Aufhebung des Schuldspruchs vernichtet, sodass auch kein Ausspruch nach § 390a StPO zu erfolgen hatte (vgl Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 7).
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