European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00239.13P.0219.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Begründung
Die Beklagte als Vermieterin eines unstrittig als Superädifikat zu qualifizierenden Marktstands erwirkte gegen ihre Bestandnehmerin (in Hinkunft: Verkäuferin) ein auf § 1118 ABGB gestütztes rechtskräftiges Räumungsurteil und erhielt zu dessen Durchsetzung die zwangsweise Räumung bewilligt. Während des von der Verkäuferin eingeleiteten, letztendlich erfolglosen Berufungsverfahrens gegen das Räumungsurteil führte sie mit dem Kläger, der auf diesem Markt bereits einen anderen Marktstand betrieb, Verhandlungen über den Verkauf des Marktstands. In deren Verlauf erfuhr der Kläger von einem Beamten des Marktamts über Nachfrage, dass es in Bezug auf den Marktstand Probleme gegeben habe, die bereits in einem Gerichtsverfahren abgehandelt worden seien. Ohne einen Nachweis über ihren Eigentumserwerb am Marktstand zu verlangen, schloss der Kläger mit der Verkäuferin am 24. November 2010 einen schriftlichen Kaufvertrag über den Marktstand, um ihn zu betreiben, und bezahlte den vereinbarten Kaufpreis von 48.000 EUR (inklusive USt); die gerichtliche Hinterlegung des Kaufvertrags in die Sammlung der beim Erstgericht hinterlegten Urkunden (§ 1 Abs 1 Z 1 UHG) wurde am 15. Juli 2011 bewilligt (noch vor der Zustellung der Bewilligung der zwangsweisen Räumung an die Verkäuferin und vor der Verständigung des Klägers davon). Unstrittig ist, dass die Verkäuferin nie Eigentümerin des Marktstands war.
Gegen die Räumungsexekution richtet sich die vorliegende Exszindierungsklage, die der Kläger auf den gutgläubigen Erwerb des Eigentums am Marktstand nach § 367 ABGB und hilfsweise auf seinen gegenüber der Beklagten besseren Besitztitel iSd § 372 ABGB stützt.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Rechtliche Beurteilung
Dem Kläger gelingt es in seiner außerordentlichen Revision nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb sie als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Die Redlichkeit (die Unverdächtigkeit) des Erwerbs einer fremden Sache iSd § 368 ABGB ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich regelmäßig eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht stellt (RIS‑Justiz RS0010168 [T2]; 1 Ob 230/11x). Eine grobe Fehlbeurteilung der Frage der Redlichkeit, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigieren wäre, wird auch vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein gutgläubiger Erwerb dort nicht möglich, wo irgendein Merkmal den Erwerbsakt als objektiv verdächtig erscheinen lässt (2 Ob 227/06f; RIS‑Justiz RS0010905; RS0010169; RS0010870); Redlichkeit ist bereits bei Vorliegen leichter Fahrlässigkeit ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0010190 [T2]; RS0010189; so auch die herrschende Lehre zur Rechtslage nach dem HaRÄG 2005: Schauer in Krejci RK ABGB § 368 Rz 10 uva). Klicka/Reidinger (in Schwimann/Kodek 4 § 368 ABGB Rz 1) vertreten zur neuen Rechtslage für alle unternehmerischen Käufe, dass sich der erwerbende Unternehmer nicht mit der Versicherung des Verkäufers begnügen dürfe, sondern dessen Behauptung, Eigentümer der Ware zu sein, durch das Verlangen von Urkunden, insbesonders von Rechnungen und Zahlungsbestätigungen, überprüfen müsse.
1.2. Ob eine solche generelle Nachforschungspflicht des unternehmerisch tätigen Klägers beim Erwerb des Superädifikats als weitere Betriebsstätte anzunehmen ist oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Denn die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Kenntnis des Klägers von zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gewordenen Problemen in Bezug auf den Marktstand habe eine für ihn objektiv verdächtige Erwerbssituation geschaffen, erweist sich als keinesfalls unvertretbar; schließlich konnte der Kläger einen Zusammenhang des nicht näher beschriebenen Rechtsstreits mit dem von der Verkäuferin (nur) behaupteten Eigentum ebensowenig ausschließen, wie Auswirkungen auf deren - urkundlich nicht belegte - Rechtsstellung als Eigentümerin; deshalb durfte er das Schweigen der Verkäuferin dazu gerade nicht als unbedenklich einstufen.
Auch die Annahme einer aus dem Erhalt dieser unpräzisen Information abgeleiteten Pflicht des Klägers, weitere Erkundigungen bei der Verkäuferin dazu einzuholen und von ihr einen urkundlichen Nachweis ihres Eigentums am Marktstand (schriftlicher Kaufvertrag; Bewilligung der gerichtlichen Hinterlegung des Kaufvertrags nach dem UHG als Voraussetzung für den derivativen Eigentumserwerb [RIS‑Justiz RS0010982; RS0011244]) zu verlangen, sowie die weitere Annahme der (zumindestens) leicht fahrlässigen Verletzung dieser Nachforschungspflicht wegen der Untätigkeit des Klägers, stellen keine korrekturbedürftigen Fehlbeurteilungen dar.
1.3. Das - vom Kläger ins Treffen geführte - Vorgehen der Marktbehörde, die die Verkäuferin wie die Eigentümerin des Marktstands behandelt habe, erzwingt keine andere Beurteilung, selbst wenn man die Kenntnis des Klägers davon unterstellt. Die objektiv verdächtige Erwerbssituation, die im Verschweigen von unter Umständen bedeutsamen Informationen durch die Verkäuferin bestand, wurde für den Käufer damit nämlich keineswegs bereinigt; auch ein deshalb zu verlangender Eigentumsnachweis wurde dadurch nicht erbracht, weil dieser ausschließlich von der Urkundenhinterlegung abhängt.
2. Der Kläger leitet einen qualifizierten Besitz iSd § 372 ABGB am Marktstand aus der Zuweisung des betreffenden Marktplatzes für den Betrieb eines in seinem Eigentum stehenden Marktstands durch das Marktamt ab.
2.1. Die (erkennbare) Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die bescheidmäßige Zuweisung eines Marktplatzes (also einer bestimmten Grundfläche) durch den Grundeigentümer stelle keine privatrechtliche Besitzeinräumung am dort bereits befindlichen, nicht im Eigentum des Grundeigentümers stehenden Marktstand als sonderrechtsfähiges Superädifikat dar, ist nicht zu beanstanden. Die Zuweisung des Marktplatzes stellt daher weder einen Titel des Klägers für den Besitz am Marktstand oder für dessen Benützung dar noch vermag sie seine Redlichkeit zu begründen.
Einer Auseinandersetzung mit einer ‑ nach Ansicht des Klägers ‑ gemäß der relevanten Marktordnung allenfalls möglichen Zuweisung des Marktstands unter besonderen Voraussetzungen an eine andere Marktpartei bedarf es nicht, weil eine solche Zuweisung im Anlassfall nicht vorgenommen wurde.
2.2. Die Klage nach § 372 ABGB steht nur demjenigen zu, der im rechtmäßigen, redlichen und echten Besitz einer Sache war und ihn verloren hat (RIS‑Justiz RS0010984 [T1]; vgl RIS‑Justiz RS0010947). Da hier schon die Redlichkeit des Besitzes am Marktstand des Klägers zu verneinen ist, kann er sich ‑ wie schon das Berufungsgericht zu Recht betonte ‑ nicht mit Erfolg auf § 372 ABGB berufen.
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