OGH 1Ob230/11x

OGH1Ob230/11x24.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden, sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael H*****, vertreten durch Dr. Andreas Cwitkovits, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Robert M*****, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in Eferding, wegen Herausgabe, in eventu Zahlung von 50.000 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. September 2011, GZ 1 R 101/11w‑24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. April 2011, GZ 1 Cg 82/10v‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00230.11X.1124.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines behaupteten Mangels des Verfahrens erster Instanz verneint, kann dieser im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963). Entgegen der Darstellung in der Revision hat das Berufungsgericht auch nicht etwa die Beiziehung eines gerichtlichen Sachverständigen mit der Begründung abgelehnt, es habe ausreichende eigene Kenntnis über die Bewertbarkeit von Werken am Kunstmarkt. Vielmehr wurde ein Mangel des Verfahrens erster Instanz mit der in der Revision nicht angegriffenen Begründung verneint, dass der Kläger einen entsprechenden Beweisantrag gar nicht gestellt habe.

2. Die Frage, ob der Erwerber einer fremden Sache iSd § 368 Abs 1 ZPO redlich war bzw dem (früheren) Eigentümer der Beweis der Unredlichkeit (§ 368 Abs 2 ABGB) nicht gelungen ist, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0010168 [T2]), sodass sich regelmäßig eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht stellt. Eine grobe Fehlbeurteilung der Frage der Redlichkeit, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigieren wäre, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen und wird auch vom Revisionswerber nicht aufgezeigt. Lag der Wert des Bildes beim Erwerb im Jahr 2001 ‑ wie der Revisionswerber ausführt ‑ in einem Preisrahmen von 20.000 bis 40.000 EUR, ist es keineswegs bedenklich, Unredlichkeit nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Erwerber (= Vorname des Beklagten) nur 35.000 DM (rund 18.000 EUR) zahlen musste. Dass der Eigentümer eines solchen Kunstwerks regelmäßig über „Unterlagen über die Herkunft“ verfügt, behauptet der Revisionswerber ‑ der offenbar selbst nur eine Fotografie des Gemäldes vorweisen kann ‑ nicht, sodass auch insoweit keine bedenkliche Fehlbeurteilung vorliegt, als das Berufungsgericht die (einzelfallbezogene) Frage danach nicht erörtert hat, ob der Erwerber nach solchen Urkunden gefragt hat bzw was ihm darauf geantwortet wurde.

3. In Rechtsprechung und Lehre ist auch anerkannt, dass es nach § 367 ABGB nicht nur dann zum Eigentumserwerb des redlichen Käufers führt, wenn sein Vertragspartner eine Person ist, der die Sache vom Eigentümer anvertraut wurde, sondern auch bei Weitergabe der Sache von der „Vertrauensperson“ im Wege einer „Vertrauensmännerkette“ (8 Ob 264/70 = EvBl 1971/294 mwN; RIS‑Justiz RS0075168 [T1]; Spielbüchler in Rummel³, § 367 ABGB Rz 9 mwN; Eccher in KBB³ § 367 ABGB Rz 4 mwN). Ebenso wie der Eigentümer das Risiko trägt, dass die Person, der er die Sache anvertraut hat, diese veruntreut, ist dem Eigentümer auch das Risiko zuzuweisen, dass dieselbe Person die Sache nicht unmittelbar dem späteren Erwerber überträgt, sondern einer anderen Person überlässt, die sie schließlich verkauft. Auch in derartigen Fällen ist die Schutzwürdigkeit des Erwerbers nicht anders zu beurteilen als im gesetzlich geregelten Grundfall, weil eben der ursprüngliche Eigentümer die Möglichkeit eines Verlusts ebenso dadurch hervorgerufen hat, dass er die Sache wissentlich und willentlich aus der Hand gegeben hat. Ob der frühere Eigentümer den Letzten in der Vertrauensmännerkette kennt, ist damit entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht von Bedeutung.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte