OGH 9ObA166/13x

OGH9ObA166/13x29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. (FH) M***** F*****, vertreten durch Mag. Helmut Holzer ua Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Tonninger Schermaier Maierhofer & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 15.389,42 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 26. September 2013, GZ 7 Ra 34/13v‑39, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Februar 2013, GZ 32 Cga 23/11k-34, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war von 22. Februar 2010 bis 30. November 2010 bei der Beklagten als Assistentin der Geschäftsführung beschäftigt. Ihr Dienstvertrag lautet auszugsweise:

6 . Entgelt:

Das im Nachhinein zahlbare monatliche Bruttogrundentgelt beträgt EUR 3.200,00.

Das kollektivvertragliche Monatsgehalt beträgt EUR 2.561,68, mit der Überzahlung von EUR 638,20 sind alle anfallenden Überstunden abgegolten.

Die Sonderzahlungen …

Alle Entgeltzahlungen erfolgen monatlich im Nachhinein bis zum 15. auf das von der/vom Angestellten namhaft zu machende Konto. …

Die Zahlung allfällig variabler Entgeltbestandteile erfolgt mit der Abrechnung des Folgemonats. ...

19 . Anwendbare Normen der kollektiven Rechtsgestaltung:

Soweit sich aus dem gegenständlichen Dienstvertrag nichts anderes ergibt, gelten die Bestimmungen des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting (Berufsgruppe Arbeitskräfteüberlasser) und das Angestelltengesetz (BGBl 1921/292). ...

20 . Verfall und irrtümliche Auszahlung:

Insoweit der Kollektivvertrag keine entsprechende Verfallsbestimmungen enthält, verfallen alle Forderungen aus dem Dienstverhältnis binnen drei Monaten nach deren Fälligkeit, falls sie nicht schriftlich innerhalb dieser drei Monate geltend gemacht werden. …“

Der Klägerin stand ein Dienstfahrzeug zur Verfügung, das sie auch privat nutzen konnte und das in der Gehaltsabrechnung als Sachbezug berücksichtigt wurde. Das Dienstfahrzeug war mit dem Easy-fleet-System ausgestattet, das ein Fahrtenbuch ersetzt und aufgrund der GPS‑Ortung genaue Fahrtzeitaufschlüsselungen zulässt. Es gibt auch Aufschluss darüber, ob sich ein Dienstnehmer zu einem gewissen Zeitpunkt am Arbeitsplatz aufhält. Weiters wurde die Arbeitszeit der Klägerin durch ein elektronisches Zeiterfassungssystem in den Büroräumlichkeiten der Beklagten aufgezeichnet. Die Betreuung dieses Systems war unter anderem auch Aufgabe der Klägerin. Teilweise konnte sie jedoch auch zu Hause arbeiten. Diese Arbeitszeiten wurden durch keine elektronische Zeiterfassung gespeichert. Die im Dienstvertrag ausgewiesenen Kernzeiten musste die Klägerin im Büro arbeiten.

Im Beschäftigungszeitraum leistete sie über die Normalarbeitszeit hinaus zahlreiche Überstunden, die nur zum Teil durch die Auszahlung der Überstundenpauschale entgolten wurden. Die von der Klägerin aufgezeichneten Arbeitszeiten waren der Beklagten immer verfügbar. Der Geschäftsführer der Beklagten wusste genau, wie viele Stunden die Klägerin tatsächlich leistete und wie oft sie ihm arbeitsmäßig zur Verfügung stand.

Anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses vereinbarten die Streitteile:

„Hiermit wird das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 30. November 2010 beendet. Für 24. November 2010 wurde ein Urlaubsverbrauch vereinbart, ab 25. November 2010 bis 30. November 2010 wurde Frau M***** freigestellt. Der verbleibenden Resturlaub von sechs Werktagen wird finanziell abgegolten.“

Am 3. Dezember 2010 urgierte die Klägerin ihre unbezahlt aushaftenden Überstunden.

Sie sind Gegenstand der vorliegenden Klage, mit der die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von (zuletzt) 15.389,42 EUR begehrte. Da die Beklagte stets in der Lage gewesen sei, die exzessiven Überstunden der Klägerin nachzuvollziehen, habe es keiner besonderen Geltendmachung dieser Forderungen bedurft. Die Auflösungsvereinbarung habe sich nur auf den Urlaubsanspruch und die finanzielle Abgeltung des Resturlaubs bezogen. Erst danach habe die Klägerin ihre Stundenzeiten überprüft und die Differenzen festgestellt.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ‑ soweit revisionsgegenständlich ‑ ein, ein Großteil der behaupteten Überstunden sei verfallen, da gemäß § 5 Abs 10 des Kollektivvertrags die Überstundenentlohnung binnen vier Monaten nach dem Tag der Überstundenleistung geltend gemacht werden müsse, widrigenfalls der Anspruch erlösche. Zudem habe die Klägerin im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses die nun behaupteten Ansprüche bewusst verschwiegen. Mit Abschluss der Auflösungsvereinbarung habe sie frei von Druck auf die Überstundenentlohnung rechtswirksam verzichtet.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es war zusammengefasst der Ansicht, dass eine Pauschalierungsvereinbarung den Arbeitnehmer nicht daran hindere, über die Pauschale hinausgehende Ansprüche zu erheben, wenn und soweit sein unabdingbarer Anspruch auf Vergütung der Mehrleistungen durch die vereinbarte Pauschale im Durchschnitt nicht gedeckt sei. Dabei sei in der Möglichkeit der Beklagten, in ihrem System Einsicht in die von der Klägerin verzeichneten Arbeitszeiten zu nehmen, noch keine Geltendmachung einer Überstundenentlohnung durch die Klägerin zu sehen.

Ein allfälliger Anspruch auf Bezahlung von Überstunden, die durch die Pauschale nicht gedeckt seien, werde mit Ende jenes Monats fällig, das auf das Ende des Durchschnittszeitraums folge. Mangels einer anderen Vereinbarung sei üblicherweise von einem Beobachtungszeitraum von einem Kalenderjahr auszugehen. Da das Dienstverhältnis der Klägerin vom 22. Februar bis 30. November 2010 gedauert habe, komme nur dieser Zeitraum für die Durchschnittsbetrachtung der durch die Pauschale erfassten Überstunden in Betracht. § 5 Abs 10 des Kollektivvertrags könne nur so verstanden werden, dass die Verfallsklausel des § 5 Abs 8 für das Überstundenpauschalentgelt gelte und der Anspruch auf Abgeltung der durch die Pauschale nicht gedeckten Überstunden binnen vier Monaten nach dem Entstehen des Anspruchs auf Abgeltung ‑ hier sohin ab Ende des Dienstverhältnisses ‑ geltend zu machen sei. Davor könne ein Verfall nicht eingetreten sein. Von einem Verzicht der Klägerin auf diesen Anspruch sei ebenso wenig auszugehen wie von einem in der Geltendmachung des Anspruchs liegenden treuwidrigen Verhalten. Die Revision sei zur Frage der Auslegung von § 5 Abs 10 des Kollektivvertrags hinsichtlich solcher Überstunden, die nicht durch eine Überstundenpauschale gedeckt seien, zulässig.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Abweisung des gesamten, in eventu eines Teils des Klagebegehrens von 10.722,73 EUR.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage zulässig, weil die Auslegung der Verfallsbestimmung des § 5 Abs 10 des Kollektivvertrags für durch eine Überstundenpauschale nicht entgoltene Überstunden in der Entscheidung 9 ObA 300/01k nicht abschließend geklärt werden musste. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die Beklagte meint auch in ihrer Revision, dass die Klägerin durch den Abschluss der Auflösungsvereinbarung auf eine allfällige Überstundenentlohnung verzichtet habe.

Bei Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist besondere Vorsicht geboten (vgl RIS‑Justiz RS0014420). Ein stillschweigender Verzicht des Arbeitnehmers auf Überstundenentlohnung durch nicht sofortige Geltendmachung der Überstunden ist immer erst dann anzunehmen, wenn die verspätete Geltendmachung der Ansprüche im konkreten Fall mit Berücksichtigung der besonderen Umstände gegen Treu und Glauben verstößt (RIS‑Justiz RS0018228; RS0018204). Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, bietet der vorliegende Sachverhalt dafür keine Anhaltspunkte. Die Überprüfung, inwieweit erbrachte Überstunden durch eine Überstundenpauschale tatsächlich abgedeckt sind, obliegt grundsätzlich dem Arbeitgeber (RIS‑Justiz RS0051519 [T16]). Dem Geschäftsführer der Beklagten war auch durchaus bewusst, dass die Klägerin in großem Umfang Überstunden geleistet hatte. Umstände dafür, dass die Klägerin ihre Ansprüche verheimlichen oder auf sie verzichten hätte wollen, liegen nicht vor. In deren späteren Geltendmachung kann daher auch kein treuwidriges Verhalten der Klägerin gesehen werden.

2. Der von der Beklagten gewünschten Auslegung der Vereinbarung als Vergleich steht entgegen, dass die Streitteile nach den Feststellungen keine Klärung und Bereinigung einer bis dahin ungeklärten Sach‑ und Rechtslage anstrebten (vgl RIS‑Justiz RS0028337 [T9]).

3. Zur Frage des Verfalls der Überstundenentlohnung ist zunächst zum Vorbringen der Klägerin, dass schon die der Beklagten jederzeit einsichtige Arbeitszeiterfassung als Geltendmachung ihrer Überstundenforderungen zu sehen sei, auf die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Hervorzuheben ist, dass die Rechtsprechung für eine ausreichende Geltendmachung von Überstundenentgelt zwar kein förmliches Einmahnen, wohl aber ein dem Erklärungsempfänger zumindest erkennbares ernstliches Fordern einer Leistung im Sinn einer wenigstens aus den Umständen zu erschließenden Willenserklärung versteht; dabei kommt es auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger gewinnen durfte (RIS‑Justiz RS0051576 [T5]; s auch RS0064908). Im vorliegenden Fall ist kein Verhalten der Klägerin ersichtlich, das als eine solche Erklärung gedeutet werden könnte. Dass die Betreuung des Zeiterfassungssystems auch Aufgabe der Klägerin war, reicht dafür keinesfalls aus. Dass der Geschäftsführer der Beklagten die Arbeitszeitaufzeichnungen einsehen konnte, lässt sich hier nicht als eine der Klägerin zurechenbare Erklärung verstehen.

4. Zum Vorbringen der Beklagten ist zunächst festzuhalten, dass eine Pauschalierungsvereinbarung den Arbeitnehmer nicht hindert, über die Pauschale hinausgehende Ansprüche zu erheben, wenn und soweit sein unabdingbarer Anspruch auf Vergütung der Mehrleistungen durch die vereinbarte Pauschale im Durchschnitt nicht gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0051519). Im Revisionsverfahren steht auch nicht weiter in Frage, dass es bei Vereinbarung einer Überstundenpauschale für die Deckungsprüfung eines Beobachtungszeitraums bedarf, in dem die Pauschale den Dienstnehmer im Durchschnitt nicht ungünstiger stellen darf als bei einer Überstundenentlohnung durch Einzelverrechnung.

5. Die Beklagte beruft sich für den Verfall der Klagsansprüche auf den Wortlaut sowie eine systematisch-logische und historische Auslegung von § 5 Abs 10 des Rahmenkollektivvertrags für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting.

5.1. § 5 dieses Kollektivvertrags lautet auszugsweise:

§ 5 Überstunden-, Sonn- und Feiertagsarbeit

(1) ‑ (7) ...

(8) Wird aus Zweckmäßigkeitsgründen ein Überstundenpauschalentgelt vereinbart, so hat für die Berechnung der monatlichen Pauschalsummen der Grundsatz zu gelten, dass sie der durchschnittlich geleisteten Überstundenzahl entspricht, wobei die obigen Überstundenzuschläge ebenfalls einzurechnen sind.

(9) …

(10) Die Entlohnungen gemäß (1) bis (8) bzw deren Abgeltung in bezahlter Freizeit gemäß (9) müssen binnen 4 Monaten nach dem Tag der Überstundenleistung geltend gemacht werden, widrigenfalls der Anspruch erlischt.

(11) - (12) …

5.2. Die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen (RIS‑Justiz RS0008782 ua). In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn ‑ auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen ‑ zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0010089). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS‑Justiz RS0008828; RS0008897).

Der erkennende Senat teilt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der in § 5 Abs 10 des Kollektivvertrags genannte Beginn der Verfallsfrist die klagsgegenständlichen Ansprüche nicht erfasst, sodass auch in diesem Punkt zunächst auf dessen Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass der Wortlaut dieser Bestimmung für sich betrachtet einen Verfall sowohl des Entgelts für geleistete Überstunden als auch einer Überstundenpauschale binnen vier Monaten nach dem Tag der Überstundenleistung vorsieht. Eine Überbetonung des Wortlauts der Bestimmung muss jedoch auf Bedenken stoßen:

5.4. Unzweifelhaft kann der kollektivvertraglich vorgesehene Beginn des Fristenlaufs („nach dem Tag der Überstundenleistung“) auf die Geltendmachung von Entgelt für geleistete Überstunden bezogen werden, wenn keine Überstundenpauschale vereinbart wurde.

5.5. Schon für die Geltendmachung einer iSd § 5 Abs 8 des Kollektivvertrags vereinbarten Überstundenpauschale ‑ auf die dessen Abs 10 ebenso Bezug nimmt ‑ könnte aber fraglich sein, ob der Fristenlauf „nach dem Tag der Überstundenleistung“ beginnen soll. Die Pauschale selbst wird in der Regel mit dem Monatsgehalt fällig. Daneben wäre aber unklar, auf welche Überstundenleistung mit der Verfallsfrist für die Pauschale Bezug genommen werden sollte: Zum einen setzt der (in der Regel monatliche) Anspruch auf eine Überstundenpauschale keine Leistung von Überstunden voraus. Zum anderen ist selbst bei einer monatlichen Deckungsprüfung nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien für den Fristbeginn zur Geltendmachung der Pauschale nicht das Monatsende (oder ein sonstiges Fälligkeitsdatum), sondern die Leistung einer bestimmten Überstunde, etwa die letzte von der Pauschale noch gedeckte Überstunde, als maßgeblich ansehen wollten ‑ würde dies doch eine taggleiche Deckungsprüfung erfordern. Bei einem längeren als einem monatlichen Beobachtungszeitraum wäre zudem offen, ob eine geleistete Überstunde im Folgezeitraum nicht ohnedies wieder ausgeglichen würde.

5.6. Umso mehr ist für die Geltendmachung von Überstunden, die in Durchschnittsbetrachtung nicht mehr von einer Pauschale abgedeckt werden, zu berücksichtigen, dass erst nach Beendigung des Beobachtungszeitraums errechnet werden kann, ob überhaupt Überstunden vorliegen, die neben einer Pauschale noch gesondert zu entlohnen sind. Vernünftigen Kollektivvertragsparteien kann aber nicht unterstellt werden, dass die Verfallsfrist auch für die Entlohnung dieser Überstunden bereits zu einem Zeitpunkt zu laufen beginnen sollte, in dem die Berechtigung des Anspruchs noch nicht feststellbar ist. In diesem Sinn vertritt auch Heilegger, Zur rechtlichen Zulässigkeit und Interpretation von All-In-Vereinbarungen, DRdA 2012, 17, 20, dass eine etwaige Verfallsfrist frühestens mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnen kann, in dem klar ist, dass die Pauschale nicht ausreicht (idS auch OLG Wien 12. 3. 2004, 8 Ra 20/04a). Für den Beginn der Verfallsfrist für Überstunden, die nicht durch eine vereinbarte Überstundenpauschale abgegolten sind, kann daher frühestens jener Zeitpunkt in Frage kommen, zu dem die Überstunden eines Beobachtungszeitraums abrechenbar sind.

6. Zur Rechtsprechung, dass der Beobachtungszeitraum mangels Vereinbarung eines kürzeren Zeitraums mit einem Kalenderjahr anzunehmen ist (RIS‑Justiz RS0051788; RS0064874), bringt die Beklagte vor, dass die Kollektivvertragsparteien mit § 5 Abs 8 iVm Abs 10 des Kollektivvertrags dadurch eine derartige abweichende Vereinbarung getroffen hätten, dass die Entlohnung binnen vier Monaten nach dem Tag der Überstundenleistung geltend zu machen seien. Dies sei im Sinn der Vereinbarung eines bloß viermonatigen Durchrechnungszeitraums zu verstehen.

Auch darin kann ihr nicht gefolgt werden, weil der Grundgedanke einer Verfallsfrist darin liegt, die Durchsetzbarkeit eines bereits feststehenden fälligen Anspruchs zeitlich zu beschränken. Die Argumentation der Beklagten liefe insgesamt darauf hinaus, dass mit dem Ende eines viermonatigen Durchrechnungszeitraums (zu dem die Überstunden ihrer Ansicht nach dann wohl abzurechnen wären), zugleich die viermonatige Verfallsfrist abgelaufen wäre.

7. Schließlich kann die Beklagte die Entscheidungen 9 ObA 300/01k, 9 ObA 348/89 und 4 Ob 66/84 nicht für ihren Standpunkt ins Treffen führen:

Wie erwähnt, wurde in der Entscheidung 9 ObA 300/01k die hier verfahrensgegenständliche Frage nicht abschließend geklärt. Den beiden zuletzt genannten Entscheidungen lagen Kollektivverträge zugrunde, die den Lauf der Verfallsfrist von der Durchführung einer Gehaltsabrechnung über die Überstundenleistungen (9 ObA 348/89) bzw der Pflicht des Dienstgebers, die Vergütung für die im Lauf eines Monats geleisteten Überstunden spätestens am 15. des folgenden Kalendermonats auszuzahlen (4 Ob 66/84), abhängig machten. Derartige Regelungen enthält § 5 des hier zu beurteilenden Kollektivvertrags nicht. Andere Gründe für einen kürzeren als den vom Berufungsgericht angenommenen Durchrechnungszeitraum wurden von der Beklagten nicht vorgetragen.

8. Da sich die Revision nach all dem insgesamt als nicht berechtigt erweist, ist ihr ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte