European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00061.13F.0129.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 2.215,44 EUR (darin enthalten 369,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.150,58 EUR (darin enthalten 265,90 EUR USt und 1.555,20 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Vorprozess hatte die klagende Rechtsschutzversicherung ihrer Versicherungsnehmerin Rechtsschutz zur Geltendmachung ihres Anlegerschadens gegen eine Bank gegeben. Die Versicherungsnehmerin beauftragte den Viertbeklagten. Dieser brachte gegen die Bank eine Klage auf Feststellung der Haftung für sämtliche Vermögensschäden aus dem Vermögensverwalterauftrag und in eventu ein Leistungsbegehren ein, das er auf die veranlagten Beträge abzüglich der Entnahmen und den Kontostand der Depots stützte. Die Klage wurde im Wesentlichen auf eine entgegen dem Vertrag vorgenommene zu riskante Veranlagung gestützt. Ein Gerichtssachverständiger kam mit seinem Gutachten vom 14. Februar 2008 dann zum Ergebnis, dass die Gewichtung der Veranlagungen tatsächlich gegen die Vereinbarung verstoßen hat. Der Viertbeklagte beantragte am 26. Juni 2008 eine Erörterung des Gutachtens.
Nach der Erörterung des Gutachtens in der Tagsatzung vom 3. Juli 2008 wurde dem Sachverständigen ein schriftliches Ergänzungsgutachten und der beklagten Bank die Vorlage der Unterlagen aufgetragen. In der Gutachtensergänzung vom 16. Februar 2009 hielt der Sachverständige wieder fest, dass der Schaden durch das auftragswidrige Verhalten der Bank verursacht wurde, dass aber hinsichtlich des Stichtags keine ausreichenden Unterlagen im Akt seien und deshalb keine Schadensberechnung erfolgen könne.
Bereits im Oktober 2008 hatte die Versicherungsnehmerin der Klägerin die Papiere auf ihrem Wertpapierdepot bei der Bank verkauft und den Viertbeklagten davon auch schon mit E‑Mail vom 12. November 2008 informiert. Nach dem Vorliegen der Gutachtensergänzung vom 16. Februar 2009 beantragten wieder beide Parteien die Gutachtenserörterung, wobei der Viertbeklagte jedoch nicht erwähnte, dass die Wertpapiere bereits verkauft waren und auch keine neue Berechnung des Schadens zum Verkaufsstichtag beantragte. Den Verkauf teilte er vielmehr erstmals in der Tagsatzung vom 22. Juli 2009 nach der Gutachtenserörterung mit. In dieser Tagsatzung brachte er vor, dass der Verkaufserlös 32.022,45 EUR betragen habe und unter Beachtung der Entnahmen von 12.000 EUR von einem Depotwert von 44.022,45 EUR auszugehen sei. Der Schaden betrage nach den Berechnungen des Sachverständigen 11.889,96 EUR bzw 59.642,90 EUR. Der Viertbeklagte erhob das bisherige Eventualbegehren zum Hauptbegehren dahin, dass die im Vorprozess beklagte Bank der Versicherungsnehmerin 19.309,41 EUR sA zu bezahlen habe.
Die beklagte Bank wendete im Vorprozess unter anderem auch die Unschlüssigkeit des modifizierten Klagebegehrens ein. Auch wies sie darauf hin, dass der gestellte Antrag auf Gutachtensergänzung mit Stichtag des Verkaufstags verspätet sei.
Das Erstgericht wies im Vorprozess die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die beklagte Bank zwar eine vereinbarungswidrige Verwaltung vorgenommen habe, dass aber die Schadensberechnung zum Stichtag des tatsächlichen Verkaufs zu erfolgen gehabt hätte. Die Versicherungsnehmerin und damalige Klägerin habe jedoch erst in der letzten Verhandlung einen Antrag auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens dahingestellt, was im Hinblick auf die zahlreichen früheren Möglichkeiten geradezu einen Paradefall eines verspäteten Beweisantrags, der nur der Verzögerung diene, darstelle. Auch sei die Modifikation des Klagebegehrens unschlüssig, da die Klägerin einerseits von einem Stichtag aus dem Jahre 2004 ausgehe, der vorgenommenen Berechnung aber dann verschiedene Schadensberechnungen des Sachverständigen, von 11.889,96 EUR bzw 59.642,90 EUR zu Grunde lege und im Ergebnis 19.309,41 EUR als Klagebegehren ableite.
In der vorliegenden Klage begehrt nunmehr die klagende Rechtsschutzversicherung von den beklagten Rechtsanwälten den Ersatz der Prozesskosten des Vorprozesses in Höhe von 23.048,84 EUR sA und stützt dies im Wesentlichen auf die Fehlberatung durch die Beklagten, die Unschlüssigkeit des von diesen erstatteten Vorbringens sowie die dabei eingetretenen Verspätungen.
Die beklagten Rechtsanwälte wendeten vor allem ein, dass das Erstgericht auch aufgrund des späteren Vorbringens noch eine Vertagung hätte vornehmen und eine Gutachtensergänzung beauftragen hätte müssen. Eine allfällige Unschlüssigkeit hätte das Erstgericht vorweg erörtern müssen. Daher habe das vom Viertbeklagten der Klägerin des Vorprozesses empfohlene Rechtsmittel durchaus Aussicht auf Erfolg gehabt. Im Übrigen habe die Versicherungsnehmerin auch Vorteile aus der entgegen den Vereinbarungen getroffenen Veranlagung gehabt und entgegen den Empfehlungen des Viertbeklagten die Veräußerung der Wertpapiere vorgenommen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die letzte Streitverhandlung neun Monate nach Verkauf des Depots stattgefunden habe und der Viertbeklagte daher mehrmals die Möglichkeit gehabt habe, ein entsprechendes Vorbringen zur Gutachtensergänzung zu erstatten. Die Klagsabweisung sei daher zu Recht erfolgt und hätte auch bei einer Berufung Bestand gehabt. Bei den mit dem Vertretungsmangel entstehenden Verbindlichkeiten handle es sich um Gesellschaftsverbindlichkeiten der GesbR der hier beklagten Rechtsanwälte für die diese einzustehen hätten. Die Klägerin sei als Rechtsschutzversicherung gemäß § 67 VersVG zur Geltendmachung des Schadens berechtigt.
Die Beklagten machten in der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung im Wesentlichen nur geltend, dass die Klage auch bei rechtzeitiger Erstattung des Vorbringens und Ergänzung des Sachverständigengutachtens im Vorprozess ohnehin abgewiesen worden wäre, weil der Versicherungsnehmerin gar kein Schaden entstanden wäre. Andererseits stützten sich die Beklagten auch darauf, dass eine Berufung gegen das im Vorprozess abweisende Urteil gute Erfolgsaussichten gehabt hätte, da die Unschlüssigkeit des Vorbringens der Beklagten vorweg vom Erstgericht mit diesen hätte erörtert werden müssen. Auch wäre ohnehin ein ergänzendes Sachverständigengutachten erforderlich gewesen. Die Versicherungsnehmerin hätte daher einer Berufung zustimmen müssen.
Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung der Beklagten statt. Es begründete dies zusammengefasst damit, dass es sich bei der Unschlüssigkeit hinsichtlich des Schadensbetrags nur um eine Frage der allenfalls zu erörternden Schadensberechnung gehandelt habe. Die achtmonatige Untätigkeit des Viertbeklagten sei deshalb nicht relevant, da bei Verletzung des Vermögensverwaltungsvertrags die fiktive Entwicklung des Portfolios bei einer vertragskonformen Gesamtstrategie dem Ergebnis der pflichtwidrigen Vermögensverwaltung gegenüberzustellen sei. Dementsprechend sei der konkrete Verkaufszeitpunkt der Wertpapiere nicht maßgeblich bzw sei im Falle der Vertragsfortsetzung ab der vom Kunden erfolgten Billigung der Veranlagungsentscheidung durch Nichtverkauf das Risiko auf den Kunden übergegangen. Insgesamt sei dem Viertbeklagten jedenfalls kein Schadenersatz auslösender Vertretungsfehler anzulasten.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO für zulässig, da das Berufungsgericht erstmals im Berufungsurteil darauf hingewiesen habe, dass bei einer Schadenszufügung im Rahmen der Abwicklung eines Vermögensverwaltungsvertrags der pflichtwidrig handelnde Vertragspartner nicht nur für den Vertrauensschaden, sondern für den Nichterfüllungsschaden hafte.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist auch aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Ergebnis berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten und das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag übertragene Geschäft umsichtig zu besorgen. Den Rechtsanwalt treffen unter anderem Warn‑, Aufklärungs‑, Informationspflichten sowie die Verpflichtung zur Wahrung der Interessen seines Mandanten und zur Rechtsbetreuung (RIS‑Justiz RS0112203 mwN, zuletzt etwa 2 Ob 46/09t). Derjenige, der einen Rechtsanwalt betraut, darf davon ausgehen, dass dieser alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte zur Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszwecks unternimmt (RIS‑Justiz RS0038724 mwN, zuletzt etwa 4 Ob 145/11v). Zu den wichtigsten Aufgaben gehört dabei auch die Belehrung des Mandanten (RIS‑Justiz RS0038682).
Vorweg hervorzuheben ist nun, dass Gegenstand dieses Prozesses nur die im Vorprozess unter anderem durch Honorierung der Beklagten entstandenen Prozesskosten sind.
Die klagende Rechtsschutzversicherung hat ihren Schadenersatzanspruch auch darauf gestützt, dass die Klage im Vorprozess mangels Schlüssigkeit abgewiesen wurde. Die fehlende Schlüssigkeit wurde von den Beklagten auch gar nicht konkret in Frage gestellt, sondern im Wesentlichen nur eingewendet, dass das Erstgericht im Vorprozess diese Frage mit dem Viertbeklagten noch hätte erörtern müssen.
Nun bestimmt zwar § 182a ZPO, dass das Gericht das Sach‑ und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern hat und für seine Entscheidung rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, erst nach Erörterung und der Gelegenheit zu einer Äußerung heranziehen darf. Damit soll im Wesentlichen „Überraschungsentscheidungen“ vorgebeugt werden (vgl dazu etwa in Rechberger ZPO³ § 182a Rz 1; RIS‑Justiz RS0120056 mwN). Dies hat aber nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat (RIS‑Justiz RS0122365 mwN).
Genau das war aber hier der Fall. Die Beklagte hat im Vorprozess ausdrücklich auch die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens des Viertbeklagten als Klagevertreter im Vorprozess eingewendet. Daher hätte auch eine Berufung gegen das klagsabweisende Urteil im Vorprozess keinen Erfolg gehabt. Insoweit können dann aber auch die Beklagten mit ihren Ausführungen, dass es nur daran gelegen sei, dass die Versicherungsnehmerin der klagenden Rechtsschutzversicherung einer Erhebung der Berufung im Vorprozess nicht zugestimmt habe, nicht durchdringen.
Ausgehend davon, dass das Klagebegehren im Vorprozess schon wegen Unschlüssigkeit berechtigt abgewiesen wurde, kommt es auf die Frage der Verspätung des Vorbringens und der Beweisanträge hinsichtlich des Verkaufs der Aktien gar nicht mehr an. Auch ist der weitere Einwand der Beklagten in der Berufung, dass der Versicherungsnehmerin im Ergebnis ohnehin kein Schaden entstanden wäre und daher die Klage im Vorprozess ohnehin abgewiesen hätte werden müssen, ohne Relevanz. Es geht hier ja nicht um den Schaden der Versicherungsnehmerin aus der Veranlagung selbst, sondern um die frustrierten Prozesskosten des Vorprozesses.
Insgesamt ist daher im Hinblick auf die Unschlüssigkeit des Vorbringens im Vorprozess die Haftung zu bejahen und war das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
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