Spruch:
Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.153,73 EUR (darin 192,29 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) zur Frage zugelassen, ob die Entscheidung 8 Ob 116/70, in der die Vertragshaftung des Veranstalters eines unentgeltlich zugänglichen Brauchtumsfestes verneint worden sei, durch die jüngere Rechtsprechung zu 6 Ob 304/02b überholt sei. Dem schlossen sich die Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Eine vertragliche Haftung des Zweitbeklagten resultiere überdies aus dem Vertrag des Zweitbeklagten mit den „S*****perchten“ zu Gunsten der Teilnehmer. Der Zweitbeklagte habe die daraus gegenüber den Zuschauern resultierenden und auch gegenüber den Klägern zu bejahenden Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht die Frage der Verletzung einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht entgegen der herrschenden Judikatur verneint habe. Dem gegenüber bestritt der Revisionsgegner das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision der Kläger.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
1. Soweit die beim gegenständlichen Vorfall für einen Regionalsender einschreitenden Kläger die Schadenersatzhaftung des Zweitbeklagten (unter Anrechnung des Verschuldens des Erstbeklagten gemäß § 1313a ABGB) erstmals in ihrer Revision offenbar auch auf einen zwischen ihnen persönlich und dem zweitbeklagten Verein abgeschlossenen Vertrag stützen und in diesem Zusammenhang in erster Instanz versäumtes Vorbringen nachholen wollen, verletzen sie das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).
2. Die Kläger haben im erstinstanzlichen Verfahren die Haftung des Zweitbeklagten nicht auf einen mit ihnen persönlich abgeschlossenen, näher spezifizierten Vertrag, sondern zum einen auf die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten, die den Zweitbeklagten aufgrund des zwischen den Beklagten abgeschlossenen Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter träfe, und zum anderen auf Delikt gestützt. Von diesen beiden Anspruchsgrundlagen haben die Kläger im Berufungsverfahren nur mehr die Deliktshaftung, begründet mit der Verletzung von allgemeinen Verkehrssicherungspflichten durch den Zweitbeklagten, aufrecht erhalten. Damit kann die Haftung aus einem Vertrag zugunsten Dritter in der Revision nicht mehr aufgegriffen werden (RIS‑Justiz RS0043573 [T2, T13, T43]). Die Kläger zeigen mit ihren Ausführungen zur Vertragshaftung auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
3. Der Verkehrssicherungspflichtige hat nach der Rechtsprechung die verkehrsübliche Aufmerksamkeit anzuwenden und die notwendige Sorgfalt zu beachten (RIS‑Justiz RS0023487). Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen aber nicht überspannt werden, weil sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben soll (RIS‑Justiz RS0023893 [T2, T3]; RS0023487; RS0023950). Sie findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RIS‑Justiz RS0023397). Zumutbar ist es dabei grundsätzlich, eine die Erfüllung der Sicherungspflicht gewährleistende Organisation zu schaffen und zu unterhalten, deren Fehlen ein Eigenverschulden darstellen würde (10 Ob 15/08s mwN = ZVR 2009/21 [Kathrein]). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS‑Justiz RS0023726). Die Lösung der Frage, ob im konkreten Fall der Zweitbeklagte alles ihm Zumutbare zur Verhütung der Gefahren der vorliegenden Art getan hat, bildet wegen der über den Anlassfall nicht hinausgehenden Bedeutung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 142/13h; RIS‑Justiz RS0110202; vgl auch RIS‑Justiz RS0111380), schließt doch die Kasuistik des Einzelfalls in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus.
Im Anlassfall engagierte der zweitbeklagte Verein als Veranstalter des Perchtenlaufs die „S*****perchten“. Da diese bereits in den Vorjahren aufgetreten waren, wurde im Zusammenhang mit dem Einsatz von pyrotechnischen Artikeln durch die „S*****perchten“ nichts Besonderes besprochen. Dass es bei der schon in den Vorjahren erfolgten Verwendung von pyrotechnischen Artikeln jemals zu Beschwerden oder gar Verletzungen von Personen gekommen wäre, konnte nicht festgestellt werden. Der Zweitbeklagte erklärte hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen, für die Straßenabsperrung zu sorgen; die „S*****perchten“ wollten zur Veranstaltung eigene Ordner mitnehmen. Beim Auftritt der Perchten im November 2008 standen die Zuschauer auf den Gehsteigen und Parkflächen entlang der Landesstraße bzw des Marktplatzes, die Perchten befanden sich auf der Fahrbahn. Die Straße am Marktplatz war mittels Scherengittern und eines Ordnungsdienstes der Freiwilligen Feuerwehr N***** gesperrt. Der Bereich zwischen der Fahrbahn und den Zuschauern war nicht abgesperrt. Der Zweitbeklagte selbst stellte keine Ordner auf. Beim Einzug zogen die Perchten den Marktplatz entlang, kehrten an seinem Ende um und zogen dann wieder zurück bis zur Mitte des Marktplatzes. Sie hatten eigene Ordner mit, die durch rote Jacken erkennbar waren und mit dem Wagen und den Perchten mitgingen. Diese Ordner hatten dafür zu sorgen, dass die Leute nicht zu nahe herankamen, waren aber auch zum Schutz der Perchten sowie zur Verhinderung einer Beschädigung von Sachen oder Verletzung von Personen durch die langen Hörner der Perchten anwesend. Die Kläger versuchten möglichst nahe an die Perchten heranzukommen, um gute Bilder machen zu können, waren den Perchten also deutlich näher als die übrigen Zuschauer. Der Erstbeklagte nahm an diesem Auftritt als Mitglied der „S*****perchten“ teil. Er hatte die Aufgabe, die sogenannte „Höllenmaschine“ (dabei handelt es sich um einen von einem Rasenmähertraktor gezogenen Anhänger mit vier befestigten Standrohren zum Abschuss von Böllern bzw sonstigen pyrotechnischen Artikeln) zu bedienen. Als sich die „Höllenmaschine“ bei der Rückfahrt nach dem Umdrehen am Ende des Marktplatzes im Nahbereich der Kläger befand, detonierte ein von der „Höllenmaschine“ abgefeuerter pyrotechnischer Artikel mit lautem Knall. Dadurch könnten die Kläger verletzt worden sein.
Dass die Vorinstanzen auf dieser Grundlage eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht des Zweitbeklagten verneint haben, ist vertretbar und vermag daher im Sinne der zuvor wiedergegebenen Rechtslage die Zulässigkeit der Revision nicht zu rechtfertigen. Es kann dem Zweitbeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass er seine Sicherungspflichten nicht selbst, sondern durch Ordner der „S*****perchten“ ausgeübt hat (vgl RIS‑Justiz RS0023938; RS0128699). Die Kläger haben ihr Begehren auch nicht auf eine Gehilfenhaftung nach § 1315 ABGB gestützt. Zusätzliche Sicherungsmaßnahmen waren nach der Lage des Falls im Hinblick darauf, dass in den Vorjahren keine bedenklichen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Einsatz pyrotechnischer Artikel vorkamen, nicht erforderlich. Mit dem Abfeuern pyrotechnischer Artikel von der „Höllenmaschine“ im unmittelbaren Nahebereich von Personen, die einen derart lauten Knall verursachen, dass es dadurch zu Verletzungen von Personen kommen kann, musste der Zweitbeklagte nicht rechnen.
Zusammenfassend sind die übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen, dass der Zweitbeklagte als Veranstalter des Perchtenlaufs für die im Interesse der Sicherheit von Beteiligten und Zuschauern erforderlichen Vorkehrungen ausreichend Sorge getragen hat, insbesondere auch nicht im Lichte der Entscheidung 10 Ob 15/08s korrekturbedürftig.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).
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