Spruch:
Der Beschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom 6. Juni 2013, GZ 9 U 4/13z‑43, verletzt in seinem Punkt 2./ ‑ soweit damit auch die bedingte Entlassung aus dem Vollzug des nicht bedingt nachgesehenen Teils der mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 17. Oktober 2011, GZ 47 Hv 153/11t‑94, verhängten Freiheitsstrafe widerrufen wurde ‑ § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB idF BGBl I 2007/109.
Dieser Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Punkt 2./ im genannten Umfang aufgehoben.
Dem Vorsitzenden im Verfahren AZ 47 Hv 153/11t des Landesgerichts Salzburg wird aufgetragen, über den Widerruf der David E***** mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 14. November 2011, AZ 48 BE 243/11f, gewährten bedingten Entlassung ‑ soweit davon die zu AZ 47 Hv 153/11t des Landesgerichts Salzburg verhängte Freiheitsstrafe betroffen ist ‑ sowie der mit Urteil desselben Gerichts gewährten (teil‑)bedingten Strafnachsicht gemeinsam zu entscheiden.
Text
Gründe:
David E***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 17. Oktober 2011, GZ 47 Hv 153/11t‑94, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2, 130 vierter Fall und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 20 Monaten verurteilt. Nach § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Unter einem wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die im Verfahren AZ 50 U 35/10b des Bezirksgerichts Salzburg gewährte bedingte Nachsicht einer zweimonatigen Freiheitsstrafe widerrufen sowie vom Widerruf weiterer, jeweils mit Urteil des Landesgerichts Salzburg gewährter bedingter Strafnachsichten abgesehen.
Aus dem Vollzug des unbedingten Teils der zu AZ 47 Hv 153/11t des Landesgerichts Salzburg verhängten Freiheitsstrafe und der zu AZ 50 U 35/10b des Bezirksgerichts Salzburg ausgesprochenen zweimonatigen unbedingten Freiheitsstrafe wurde der Verurteilte mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Vollzugsgericht vom 14. November 2011, AZ 48 BE 243/11f, zum 24. Dezember 2011 (tatsächliche Entlassung 23. Dezember 2011, ON 52) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren (mit einem Strafrest von 20 Tagen aus dem Vollzug des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe; für danach war der Vollzug der zweimonatigen unbedingten Freiheitsstrafe angeordnet) bedingt entlassen (ON 15 und 21).
Mit dem gekürzt ausgefertigten Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 6. Juni 2013, GZ 9 U 4/13z‑43, wurde David E***** jeweils des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Zugleich wurde mit Beschluss vom Widerruf weiterer, jeweils mit Urteil des Landesgerichts Salzburg gewährter bedingter Strafnachsichten abgesehen (Punkt 1./). Die Entscheidung über den Widerruf des bedingt nachgesehenen Strafteils (14 Monate) der zu AZ 47 Hv 153/11t des Landesgerichts Salzburg verhängten Freiheitsstrafe wurde gemäß § 494a Abs 2 letzter Satz StPO diesem Gericht überlassen (Punkt 3./), während die zu AZ 48 BE 243/11f des Landesgerichts Salzburg erfolgte bedingte Entlassung (auch aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil jener Freiheitsstrafe) gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO widerrufen wurde (Punkt 2./).
Die mit Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 6. Juni 2013, GZ 9 U 4/13z‑43, verhängte zweimonatige unbedingte Freiheitsstrafe wurde am 24. November 2013 verbüßt (ON 56 sowie Vollzugsinformation II vom 13. November 2013); der verbliebene Strafrest (von zwei Monaten und 20 Tagen) der widerrufenen bedingten Entlassung wurde noch nicht vollzogen. Die Einleitung des Vollzugs der im Verfahren AZ 50 U 35/10b des Bezirksgerichts Salzburg verhängten zweimonatigen Freiheitsstrafe wurde über Antrag des Verurteilten (ON 59) mit ‑ zwischenzeitig rechtskräftigem ‑ Beschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom 28. Oktober 2013 gemäß § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG bis 24. November 2014 aufgeschoben (ON 65).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom 6. Juni 2013, GZ 9 U 4/13z‑43, steht ‑ wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt ‑ in seinem Punkt 2./mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB in der bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung konnten die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil dieser Strafe nur gemeinsam widerrufen werden (RIS‑Justiz RS0125448).
Im Fall einer bedingten Entlassung aus mehreren Strafen, Strafteilen oder Strafresten (§ 46 Abs 5 StGB) bezog sich die Anordnung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB ausschließlich auf den Teil der bedingten Entlassung, der den unbedingten Strafteil einer teilbedingten Freiheitsstrafe betraf, bewirkte aber nicht, dass ein Widerruf der bedingten Entlassung in Bezug auf weitere von ihr umfasste Strafen ebenfalls von der (damit in keinem Zusammenhang stehenden) Frage des Widerrufs des ursprünglich bedingt nachgesehenen Teils der teilbedingten Freiheitsstrafe abhing (RIS‑Justiz RS0126181).
Vorliegend erfolgte die bedingte Entlassung zu AZ 48 BE 243/11f des Landesgerichts Salzburg noch vor der Verbüßung des gesamten unbedingten Teils der zu AZ 47 Hv 153/11t des Landesgerichts Salzburg verhängten Freiheitsstrafe, weswegen sich der Widerruf auch auf diesen Strafteil bezog. Da das Bezirksgericht Thalgau in seinem Beschluss vom 6. Juni 2013 (ON 43) die bedingte Entlassung des David E***** aus dem verbleibenden Strafrest zu AZ 48 BE 243/11f des Landesgerichts Salzburg widerrufen, jedoch (insoweit rechtsrichtig) ausgesprochen hat, dass die Entscheidung über den Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils derselben Freiheitsstrafe (im Ausmaß von 14 Monaten) dem Landesgericht Salzburg vorbehalten bleibt, hat es die Bestimmung des § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB idF vor BGBl I 2013/116 (BGBl I 2009/40) verletzt.
Anzumerken bleibt, dass ein gemeinsamer Widerruf aus Anlass der neuen Verurteilung gemäß § 494a Abs 2 erster Satz StPO schon deshalb ausgeschlossen war, weil dem Bezirksgericht Thalgau eine Widerrufsentscheidung über Strafen oder Strafreste, die das Ausmaß von einem Jahr übersteigen, verwehrt ist. Da dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden kann, bei in die Kompetenz des Bezirksgerichts fallender Nachdelinquenz den (nach materiellem Recht zulässigen) Widerruf von Strafteilen von über einem Jahr prozessual auszuschließen, ist zur Widerrufsentscheidung ‑ sowohl hinsichtlich der bedingten Strafnachsicht als auch der bedingten Entlassung ‑ die Zuständigkeit jenes Gerichts anzunehmen, das in erster Instanz die teilbedingte Strafnachsicht ausgesprochen hat (vgl RIS‑Justiz RS0126349).
Die Gesetzesverletzung ist geeignet, sich zum Nachteil des Verurteilten auszuwirken, weshalb ihre Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen war.
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