OGH 2Ob229/13k

OGH2Ob229/13k19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Inge W*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei U***** Motorseglerclub, *****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 60.690,90 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. September 2013, GZ 4 R 157/13i‑71, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 11. Juni 2013, GZ 7 Cg 155/10d‑63, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0020OB00229.13K.1219.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen gaben der Schadenersatzklage der bei einem Flugzeugabsturz schwer verletzten Ehefrau des Piloten gegen den Flugzeughalter, einen Flugsportverein, dessen Mitglied der Pilot war, dem Grunde nach statt. Der Flugsportverein schulde seinen Mitgliedern die Bereitstellung eines ordentlich gewarteten, verkehrstauglichen Flugzeugs. Verletze der Verein seine Schutz‑ und Sorgfaltspflichten, hafte er nach den Regeln vertraglichen Schadenersatzes. Diese Schutz‑ und Sorgfaltspflichten bestünden auch gegenüber bestimmten dritten Personen, die ohne Abschluss eines eigenen Beförderungsvertrags als Passagier mitgenommen worden seien. Ein allfälliges Mitverschulden des Ehemanns der Klägerin sei nicht relevant, der Beklagte habe keine Maßnahmen zur Überprüfung der Berechtigung des Piloten gesetzt. Der Beklagte hätte das mangelnde Verschulden an der fehlerhaften oder unterlassenen Wartung, die den Unfall verursacht habe, beweisen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Der beklagte Flugsportverein vermag in seinem außerordentlichen Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Beim Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter erwächst dem geschützten Dritten aus der Verletzung der dem Schuldner obliegenden Schutz‑ und Sorgfaltspflichten ein eigener Schadenersatzanspruch aufgrund vertraglicher Haftung des Schuldners, doch reicht dieser Anspruch nie weiter als der vertragliche Ersatzanspruch des Gläubigers. Der Schuldner kann dem geschützten Dritten daher alle Einwendungen aus dem Vertrag mit seinem Gläubiger entgegenhalten (RIS‑Justiz RS0013961, RS0037785). Ob diese Grundsätze der Annahme des Berufungsgerichts entgegenstehen, ein allfälliges Verschulden ihres Ehemanns, des Piloten, sei ihr nicht anzulasten, muss in diesem Fall aber nicht geprüft werden. Die von der Beklagten gegen den Piloten erhobenen Vorwürfe, seine Fluglizenz sei nicht ordnungsgemäß verlängert worden und er habe die erforderliche Zahl von Starts und Landungen in einem bestimmten Zeitraum nicht eingehalten, um einen Passagier mitbefördern zu dürfen, gehen insoweit ins Leere, als ein Pilotenfehler als Absturzursache ausscheidet. Normzweck der vom Beklagten ins Treffen geführten luftfahrtrechtlichen Bestimmungen ist die Sicherung ausreichender Kenntnisse und Fertigkeiten des Piloten, um die Gefahren des Luftverkehrs, die auf einem Fehlverhalten des Piloten beruhen, zu verringern. Die Vermeidung von Material‑ oder Wartungsfehlern liegt hingegen außerhalb des Normzwecks.

Die Berufung des Revisionswerbers auf eine „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ infolge Inbetriebnahme des Flugzeugs ohne ausreichende Berechtigung widerspricht der Rechtsprechung. Durch das Dazwischentreten eines Dritten wird die Beurteilung des ursprünglichen Schadensereignisses als adäquat nur dann unterbrochen, wenn mit einer derartigen Handlung eines Dritten und mit dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war (RIS‑Justiz RS0022590, RS0022575). Der nach den getroffenen Feststellungen bloß fahrlässige Gesetzesverstoß des Piloten steht aber im Hinblick auf die Gebrauchsüberlassung des Flugzeugs durch die Beklagte ohne jede Kontrolle der Flugberechtigung des Piloten nach der Lebenserfahrung keinesfalls außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit.

Dass das erstmalige Vorbringen abweichender individueller Wartungsvorschriften für das Flugzeug in der Berufung einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO bedeutet, steht im Einklang mit der Rechtsprechung. Das Neuerungsverbot betrifft nur den Tatsachenbereich (RIS‑Justiz RS0041965, RS0042011, vgl RS0027425). Die Berufung auf abweichende Wartungsvorschriften enthält das Vorbringen neuer Tatumstände (für den Standpunkt der Beklagten günstigere Fristen oder Betriebszeiträume) und bildet nicht bloß eine vom Vorbringen in erster Instanz abweichende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts.

Schließlich verfängt auch die Argumentation des Beklagten, er habe das Flugzeug lediglich gegen (teilweisen) Ersatz der Betriebskosten verliehen und es treffe ihn daher nur eine eingeschränkte Haftung für Wartungsmängel, nicht. Die Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung (Miete oder Leihe) brauchte nicht näher untersucht zu werden, nimmt die Rechtsprechung eine Aufklärungspflicht des Übergebers einer Sache doch generell dann an, wenn dieser Eigenschaften fehlen, die nach der Verkehrsauffassung ohne weiteres vorausgesetzt werden, deren Fehlen aber den Gebrauch der Sache gefährlich oder sonst riskant machen (RIS‑Justiz RS0018792). Diese zur Gefährlichkeit von ‑ auch unentgeltlich ‑ überlassenen Kraftfahrzeugen entwickelte Rechtsprechung auch auf Flugzeuge zu übertragen, liegt nahe und wirft gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

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