OGH 9ObA134/13s

OGH9ObA134/13s19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Susanne Jonak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** G*****, vertreten durch Dr. Dieter Gallistl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Nocker, Rechtsanwalt in Wien, wegen (eingeschränkt) 5.505,84 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. September 2013, GZ 12 Ra 61/13x-21 in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00134.13S.1219.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

I. Der Kläger, der bei der Beklagten bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses als Logistikleiter beschäftigt war, richtet sich gegen die Wirksamkeit der in seinem Dienstvertrag enthaltenen Klausel, wonach „Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bei sonstigem Verfall binnen drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend zu machen [sind], sofern nicht kraft Gesetz oder Kollektivvertrag längere Verfallsfristen für bestimmte Ansprüche gelten“. Es liege insofern eine günstigere Regelung im Kollektivvertrag vor, als dieser nur in Bezug auf Überstundenentgelte und Aufwandsentschädigungen für Reisekosten, nicht aber für die von ihm begehrten Entgeltdifferenz aus seiner unrichtigen kollektivvertraglichen Einstufung kurze Verfallsfristen enthalte. Mit dieser Argumentation zeigt der Kläger jedoch keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass Verfallsklauseln nur dann sittenwidrig sind, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS‑Justiz RS0016688; RS0034533). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von ‑ wie hier ‑ drei Monaten nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen ist. Dies gilt auch für einzelvertragliche Vereinbarungen (8 ObS 1/11x mwN; RIS‑Justiz RS0016688 [T30]).

Das bloße Fehlen einer Regelung in einem Kollektivvertrag kann nicht schon als günstigere Regelung angesehen werden (RIS‑Justiz RS0070904). Wenn der für den Kläger maßgebliche Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting nur den Verfall bestimmter Ersatzansprüche (Überstunden, Reisekosten) regelt, bedeutet dies lediglich, dass solche Ansprüche unabhängig von einer einzelvertraglichen Regelung jedenfalls der kurzen Verfallsfrist unterliegen sollen. Das Schweigen des Kollektivvertrags zum zeitlichen Rahmen der Geltendmachung anderer Entgeltansprüche kann aber noch nicht dahin verstanden werden, dass diese trotz entsprechender Vereinbarung nicht verfallen könnten, weil damit nur zum Ausdruck kommt, dass die Kollektivvertragsparteien keine von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Regelung zugunsten der Arbeitnehmer treffen wollten. Die gesetzlichen Vorgaben beinhalten aber die Möglichkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung einer Verfallsfrist in den Grenzen der Sittenwidrigkeit. Dementsprechend wurde in der Entscheidung 8 ObA 86/11x das Fehlen einer kollektivvertraglichen Verfallsbestimmung für die dort verfahrensgegenständlichen Ansprüche nicht als Hindernis für die Wirksamkeit einer einzelvertraglich vereinbarten Verfallsklausel erachtet, obwohl jener Kollektivvertrag Sonderbestimmungen für andere Ansprüche (Überstunden und bestimmte Sonderleistungen) enthielt. Die Entscheidung 9 ObA 143/11m ist dem gefolgt.

Der Kläger kann daher daraus, dass der Kollektivvertrag den Verfall von Ansprüchen aus einer unterkollektivvertraglichen Entlohnung nicht regelt, keine ihm günstigere kollektivvertragliche Bestimmung ableiten, die der Wirksamkeit der Verfallsklausel entgegenstünde.

II. Der Kläger beruft sich auch auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot, weil die Klausel seine Rechtsstellung im Vergleich zum Kollektivvertrag beträchtlich verschlechtere und er nicht darauf hingewiesen worden sei, dass der Kollektivvertrag keine Verfallsfristen für die klagsgegenständlichen Entgeltansprüche enthalte.

§ 1 Abs 4 KSchG nimmt Arbeitsverträge von der Geltung des I. Hauptstücks des KSchG aus. Ungeachtet dessen ist das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG auf Vertragsbestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern beschränkt, deren Vorliegen hier nicht behauptet wurde. Selbst wenn man eine Übertragung des Transparenzgedankens im Sinne eines Klarheits- und Bestimmtheitsgebots auch auf vorformulierte Arbeitsverträge bejahen und das Transparenzgebot nur als Konkretisierung der schon nach allgemeinem Zivilrecht bestehenden Vorschriften über die Bestimmtheit von Willenserklärungen (§§ 869, 915 ABGB) ansehen wollte (vgl Kietaibl , Geltungskontrolle und Transparenzgebot im Arbeitsvertragsrecht, DRdA 2006, 12, 15 ff mwN), so wäre für den Kläger nichts gewonnen, weil die streitgegenständliche Verfallsklausel weder unklar noch unbestimmt noch unvollständig ist. Der Mehrwert einer Information des Klägers dahin, dass der Kollektivvertrag für Ansprüche wie die klagsgegenständlichen keine Verfallsklauseln enthält, ist hier nicht ersichtlich, zumal der Kläger nicht behauptet hat, dass ihm der Kollektivvertrag nicht zugänglich gewesen wäre. Danach war die Beklagte aber auch nicht gehalten, dem Kläger die kollektivvertraglichen Gegebenheiten zu den Verfallsfristen darzustellen.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

Stichworte