OGH 8ObS1/11x

OGH8ObS1/11x25.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S***** K*****, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, Geschäftsstelle Eisenstadt, 7000 Eisenstadt, Neusiedler Straße 10, wegen Insolvenz-Entgelt (41.404,14 EUR netto sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. November 2010, GZ 9 Rs 78/10x-11, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Sicherungsfrist von sechs Monaten nach § 3a Abs 1 Satz 1 IESG (idF vor dem IRÄG 2010, BGBl I 2010/29) reicht im vorliegenden Fall bis 31. 1. 2006. Die erste Alternative der Ausnahmebestimmung in Satz 2 leg cit (gerichtliche Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten) ist nicht erfüllt. Die zweite Alternative (unterkollektivvertragliche Entlohnung), bei der eine Klagsführung nicht erforderlich ist, bleibt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf Fälle beschränkt, in denen der Arbeitnehmer das Abweichen des vereinbarten Lohns von den Ansätzen des Kollektivvertrags zumutbarerweise nicht erkennen kann, die unterkollektivvertragliche Entlohnung somit nicht offensichtlich ist, sondern erst aufgrund weitwendiger Erhebungen festgestellt werden kann (8 ObS 212/01m).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass schon ausgehend von den Behauptungen des Klägers das krasse Missverhältnis zwischen vereinbartem Entgelt und Dienstleistung von vornherein erkennbar gewesen sei, ist jedenfalls vertretbar. Das vereinbarte Fixum erreichte nicht mehr als eine symbolische Größe und sollte nach den Bestimmungen des Dienstvertrags in den Anspruch auf Provisionen bzw Prämien eingerechnet werden.

Selbst wenn die Ausnahmebestimmung des § 3a Abs 1 Satz 2 zweite Alternative IESG auf Dienstverhältnisse ohne Kollektivvertrag analog angewendet und im Sinn der Ausführungen des Revisionswerbers auf das Abweichen eines sittenwidrig vereinbarten Lohns (vgl dazu 9 ObA 2267/96i) vom angemessenen Entgelt abgestellt würde, könnte sich dies nicht zugunsten des Klägers auswirken. Der in der außerordentlichen Revision aufgeworfenen Fragestellung der analogen Anwendbarkeit kommt somit nur theoretische Bedeutung zu. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen, über derartige Fragen abzusprechen (RIS-Justiz RS0002495).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die vor 31. 1. 2006 fällig gewordenen Ansprüche des Klägers nicht vom Schutzbereich des IESG erfasst seien, stellt demnach keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

2. Die Grundsätze zur Beurteilung der Nichtigkeit einer Verfallsklausel sowie jene zur prinzipiellen Teilnichtigkeit vertraglicher Bestimmungen zufolge geltungserhaltender Reduktion (vgl RIS-Justiz RS0016420; RS0016417) haben die Vorinstanzen ebenfalls zutreffend dargestellt.

Nach der Rechtsprechung ist eine von der gesetzlichen Verjährung abweichende Verfallsklausel dann iSd § 879 ABGB sittenwidrig, wenn sie zum Nachteil des Arbeitnehmers gegen zwingende gesetzliche Fristbestimmungen (zB § 1162d ABGB oder § 34 AngG) verstößt oder wenn durch eine unangemessen kurze Ausschlussfrist die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschwert würde (RIS-Justiz RS0016688; 9 ObA 159/02a). In der Judikatur ist in dieser Hinsicht anerkannt, dass die Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von drei oder vier Monaten nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen ist (8 ObA 156/01a; 9 ObA 63/05p). Dies gilt keineswegs nur für kollektivvertragliche Verfallsfristen, sondern ebenso für entsprechende einzelvertragliche Regelungen (4 Ob 90/82; 8 ObA 252/99p; zu Verfallsbestimmungen in der Baubranche s 8 Ob 164/08p).

Schließlich ist auch die im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich die (Teil-)Nichtigkeit der Entgeltvereinbarung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Verfallsregelung (vgl RIS-Justiz RS0034417) nicht auch auf diese erstrecke, nicht korrekturbedürftig (vgl 9 ObA 159/02a). Auf das zusätzliche Argument des Erstgerichts, dass der Kläger selbst die sechsmonatige Verfallsfrist nach dem (im Fall der Nichtigkeit der Verfallsklausel heranzuziehenden) Kollektivvertrag für Handelsangestellte nicht eingehalten hätte, weil das mit 31. 1. 2007 datierte Aufforderungsschreiben dem Arbeitgeber erst nach diesem Datum zugegangen sei, kommt es nicht mehr an.

Insgesamt vermag der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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