Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war vom 4. 6. 1992 bis 30. 6. 2000 als Arbeiter bei einem Transportunternehmen beschäftigt, über dessen Vermögen am 10. 3. 2000 der Konkurs eröffnet wurde. Der Kläger verpfändete einer Bank zur Besicherung eines ihm gewährten Kredits unter anderem sein zukünftiges pfändbares Arbeitseinkommen und ermächtigte die Bank für den Fall der Nichtzahlung fälliger Forderungen nach Aufforderung und fruchtlosem Verstreichen einer 14-tägigen Rückäußerungsfrist, die Forderung bei seinem Dienstgeber ohne Erwerb eines vollstreckbaren Titels und ohne gerichtliche Zwangsvollstreckung direkt einzuziehen. Mit Schreiben vom 17. 3. 1997 gab die Bank der Dienstgeberin des Klägers bekannt, die Forderung sei infolge Terminsverlustes fällig, der Kläger habe gegen die ihm bekanntgegebene Einziehung seiner Bezüge keinen Einspruch erhoben, es mögen ihr sämtliche pfändbaren Bezugsteile bis zur Höhe der Forderung überwiesen werden. Die Dienstgeberin des Klägers behielt in der Zeit vom 25. 11. 1998 bis 30. 6. 1999 insgesamt ATS 22.400,- vom Lohn des Klägers ein, überwies diese Beträge jedoch nicht an die Bank. Dem Kläger wurde diese Tatsache erst im Zuge des Insolvenzverfahrens bekannt. Er hat zwischenzeitlich ATS 22.400,- an die Bank bezahlt.
Nach ablehnenden Bescheid der Beklagten begehrte der Kläger mit seiner am 21. 12. 2000 beim Erstgericht eingelangten Klage, die Beklagte zur Zahlung des von der Dienstgeberin einbehaltenen Betrages zuzüglich Zinsen und Kosten der Forderungsanmeldung schuldig zu erkennen. Bei dem begehrten Betrag handle es sich nicht um Ansprüche auf laufendes Entgelt, sondern um einen Schaden, der dem Dienstnehmer auf Grund des "Exekutionsabzugs" entstanden sei. Die Befristung des § 3a IESG sei somit nicht anwendbar.
Die Beklagte, die den Anspruch der Höhe nach nicht bestritt, wendete ein, es werde ein Anspruch auf laufendes Entgelt gelten gemacht, der weit außerhalb der Sicherungsfrist des § 3a IESG liege. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die es dahin würdigte, dass der Anspruch des Klägers von einem solchen auf laufendes Entgelt in einen Schadenersatzanspruch übergegangen sei, weil der Kläger die Forderung der Bank befriedigt habe und der "Dienstgeber rechtswidrig und schuldhaft durch die Einbehaltung von Teilen des auszubezahlenden Entgeltes und die Nichtabfuhr entgegen der Verpfändungsabrede an die .......(Bank) schadenersatzpflichtig geworden" sei. Es wäre auch unbillig, den Anspruch des Klägers als laufendes Entgelt anzusehen, da er erst im Zuge des Insolvenzverfahrens von der Einbehaltung und der Nichtabfuhr an die Bank erfahren habe.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Zur Rechtsrüge führte es aus, der Entgeltanspruch bleibe neben einem - vom Kläger gar nicht behaupteten - Schadenersatzanspruch für allfällige Exekutionskosten oder Verzugszinsen existent und gelte trotz seiner Verpfändung als gesicherter Anspruch im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 IESG. Für ein Unbilligkeitsargument bestehe keine rechtliche Grundlage.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Vorweg ist klarzustellen, dass die vertragliche Verpfändung zukünftiger Gehaltsansprüche zur Sicherstellung der Kreditforderung ebenso zulässig und wirksam war, wie die nach Fälligkeit vereinbarungsgemäß nach angemessener Äußerungsfrist durch Stillschweigen erteilte Einziehungsermächtigung. Nach entsprechender Verständigung war die Dienstgeberin des Klägers verpflichtet, die pfändbaren Gehaltsteile einzubehalten und an die Bank abzuführen (ÖBA 1994, 807; vgl auch SZ 67/195; Apathy/Eicher, Das verpfändete Arbeitseinkommen DRdA 1999, 399). Diese Tatsache blieb für die Rechtsnatur des Anspruchs ohne Bedeutung, wie sich bereits aus § 1 Abs 2 erster Satz IESG in Zusammenhalt mit § 7 Abs 6 IESG ergibt. Danach sind nämlich aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche auch dann gesichert, wenn sie gepfändet, verpfändet oder übertragen worden sind. Dem Berechtigten sind die entsprechenden Teile des Insolvenzausfallgelds zu zahlen, wenn die diesbezüglichen Urkunden oder gerichtlichen Entscheidungen der Geschäftsstelle rechtzeitig vorgelegt werden. Nach ständiger Rechtsprechung kommt daher dem Überweisungsgläubiger oder Zessionar kein selbständiger Anspruch nach § 1 Abs 1 IESG zu; er hat kein Antragsrecht gemäß § 6 Abs 1 IESG (RIS-Justiz RS0076455, RS0006725). Wurden somit Entgeltansprüche im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 IESG verpfändet oder übertragen, behält der Arbeitnehmer zumindest für den Bereich des IESG diesen Anspruch unverändert.
Der Arbeitgeber, der gepfändetes Arbeitsentgelt einbehält, aber nicht dem Gläubiger auszahlt, verletzt zweifelsohne arbeitsvertragliche Pflichten. Dies allein hat aber nicht zur Folge, dass sich deshalb die Rechtsnatur des Entgeltanspruchs ändert, stellt doch jedes Vorenthalten des Entgelts eine derartige Pflichtverletzung dar. Gegenteiliges kann auch nicht aus der in der Revision zitierten Entscheidung 8 ObS 211/98g abgeleitet werden, wurde dort bei vergleichbarem Sachverhalt doch nur ein Schadenersatzanspruch hinsichtlich kausal verursachter weiterer Exekutionskosten und zusätzlich erwachsener Verzugszinsen bejaht. Aus der Entscheidung des VwGH Arb.Slg. 10.426 ist schon deshalb für den hier zu beurteilenden Fall nichts zu gewinnen, weil dort ausdrücklich festgehalten ist, der (nicht entrichtete) Zuschlag nach dem BUAG sei kein Entgeltbestandteil. Wollte man der Ansicht beitreten, der Entgeltanspruch wandle sich nach Ablauf von sechs Monaten in einen gemäß § 1 Abs 2 Z 2 IESG gesicherten Schadenersatzanspruch, weil der Arbeitnehmer durch die von der Dienstgeberin herbeigeführte Täuschung an der rechtzeitigen Geltendmachung von Lohnansprüchen gehindert worden sei, käme es zur weitgehenden Aushöhlung der Befristung der Sicherung von Entgeltansprüchen in § 3a Abs 1 IESG, weil Arbeitnehmer oftmals nur durch das in ihnen hervorgerufene Vertrauen auf spätere Lohnzahlungen im Betrieb gehalten werden. Eine derartige Anspruchserweiterung kann aber dem Gesetz nicht entnommen werden. Allerdings darf im Rahmen der vorzunehmenden allseitigen rechtlichen Beurteilung der letzte Satz des § 3a Abs 1 IESG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 1999/73 (§ 17a Abs 16 und 23 IESG) nicht unbeachtet bleiben. Danach finden die vorstehenden Sätze dieser Gesetzesstelle über die zeitliche Begrenzung der Ansprüche für laufendes Entgelt keine Anwendung, soweit eine Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung begehrt wird. Liebeg (IESG2, § 3a Rz 2) vertritt in Anm 3 die Ansicht, es werde mit dieser Bestimmung zwischen den einzelnen Entgeltansprüchen im Hinblick auf die Pflicht zur gerichtlichen Geltendmachung unsachlich differenziert, weshalb § 3a Abs 1 IESG insoweit verfassungswidrig erscheine. In der von ihm dazu zitierten Belegstelle VfSlg. 10623 erkannte der Verfassungsgerichtshof die Begrenzung des § 1 Abs 3 Z 4 IESG idF BGBl 1980/580 deshalb als verfassungswidrig, weil davon nur der Zeitlohn, nicht aber periodisch abzurechnende Ansprüche erfasst würden. Insofern sei die Regelung unsachlich und verstoße gegen den Gleichheitssatz.
Der erkennende Senat hegt in Ansehung der hier zu beurteilenden Gesetzesstelle keine derartigen Bedenken: Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (737 Beil. NR XX.GP, 9) führen zur Neufassung des § 3a Abs 1 IESG aus, es haben sich die Fälle gemehrt, in denen "arbeitsrechtliche Ansprüche womöglich über mehrere Jahre aushaften, ohne dass Bemühungen des betroffenen Arbeitnehmers erkennbar sind, die Ansprüche auch tatsächlich dem Arbeitgeber gegenüber im Klagswege geltend zu machen." Es sei daher "angezeigt, zur Verhinderung von Missbräuchen entsprechende Schranken einzuziehen." Eine Ausnahme solle "bei unterkollektivvertraglicher Entlohnung bezüglich des Unterschiedsbetrags zum an sich zutreffenden kollektivvertraglichen Lohn- oder Gehaltsansatz bestehen, sodass insoweit eine Klagsführung des Arbeitnehmers oder ein schriftliches Anerkenntnis des Arbeitgebers als Anspruchsvoraussetzung für die Zuerkennung von IAG nicht erforderlich ist."
Obwohl für die Ausnahmeregelung eine ausdrückliche Begründung fehlt, ergibt sich doch aus der Gesamtheit der Erwägungen, dass der Gesetzgeber offenbar in diesem Fall keine Missbrauchsmöglichkeit durch lange Nichtgeltendmachung der Ansprüche vermutete. Dies kann nur darauf zurückgeführt werden, dass der Arbeitnehmer ein Abweichen des vereinbarten Lohns von den Ansätzen des Kollektivvertrags zumutbarer Weise nicht erkennen kann. Er ist daher mangels entsprechender Kenntnis gar nicht in der Lage, seinen Anspruch rechtzeitig mit Klage geltend zu machen. Der Gesetzgeber geht erkennbar davon aus, dass dem Arbeitnehmer in den Fällen, in denen die unterkollektivvertragliche Entlohnung nicht offensichtlich ist, weitwendige Erkundigungen darüber, ob der vereinbarte Lohn kollektivvertraglich zulässig ist, nicht zugemutet werden können. Bei Offenkundigkeit oder Bekanntwerden des Verstoßes ist der Arbeitnehmer hingegen nicht anders zu stellen, als bei sonstigem Vorenthalten des Entgelts. Diese Sicht des Gesetzes begründet die Ausnahme von der zeitlichen Begrenzung hinsichtlich Ansprüchen wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung als dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers Rechnung tragend sachlich in verfassungskonformer Weise.
Durch Verpfändung oder Abtretung von Teile der Lohnforderung geht - wie eingangs begründet - die Sicherung des Anspruchs nicht verloren, das Sicherungsbedürfnis des Arbeitnehmers besteht fort (vgl auch VfGH Slg. 11293). Der Arbeitnehmer der seine Forderung abgetreten oder - wie hier - nach rechtsgeschäftlicher Verpfändung der Einziehung zugestimmt hat, kann, behält der Dienstgeber die entsprechenden Beträge ein, ohne weitwendige Erhebungen oft nicht feststellen, ob das einbehaltene Entgelt widmungsgemäß weitergeleitet wurde. Ohne entsprechende Anhaltspunkte muss er nicht davon ausgehen, der Dienstgeber werde seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. Leitet der Dienstgeber die ihm anvertrauten Beträge nicht weiter, befindet sich der Arbeitnehmer in einer dem unterkollektivvertraglich entlohnten Arbeitnehmer vergleichbaren Situation, kann er doch - ist das Fehlverhalten des Dienstgebers für ihn nicht leicht erkennbar - die fristwahrende Klage mangels rechtzeitiger Kenntnis nicht einbringen. Er ist sogar gegenüber dem unterkollektivvertraglich entlohnten Arbeitnehmer schlechter gestellt, weil ihm nicht nur Teile seines Lohns entgangen sind, sondern er - worauf der Revisionswerber zu Recht verweist - eben diesen Betrag an den aus der Einziehungsermächtigung Berechtigten leisten muss, wodurch zur Verkürzung vergangener Lohnansprüche die Schmälerung des laufenden Einkommens hinzutritt. In Anbetracht des oben beschriebenen Schutzzwecks der Norm ist es daher gerechtfertigt, die Regelung des § 3a Abs 1 IESG über die Behandlung der Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung auch sinngemäß auf derartige Fälle auszudehnen, in denen der Arbeitgeber von ihm rechtmäßig einbehaltene Entgeltanteile pflichtwidrig nicht an den Gläubiger abführt und der Arbeitnehmer davon weder Kenntnis hatte noch Kenntnis haben musste. Da der Oberste Gerichtshof die Parteien mit einer bisher nicht erörterten Rechtsansicht nicht überraschen darf, ist ihnen Gelegenheit zu geben, dazu Vorbringen zu erstatten. Dies ist auch deshalb erforderlich, weil die unbekämpfte Feststellung, dem Kläger sei die Tatsache, dass die einbehaltenen Beträge vom Dienstgeber nicht weitergeleitet wurden, erst im Zuge des Insolvenzverfahrens bekannt geworden, zu abschließenden Beurteilung nicht ausreicht. Dadurch ist nämlich nicht geklärt, ob für den Kläger die Pflichtwidrigkeit des Dienstgebers leicht erkennbar gewesen wäre. Der Revision ist Folge zu geben.
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