OGH 9ObA2267/96i

OGH9ObA2267/96i4.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Mayr und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dieter K*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Anton Sch*****, Taxiunternehmer, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in St.Johann in Tirol, wegen S 105.723,74 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.April 1996, GZ 15 Ra 49/96k-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13.Dezember 1995, GZ 47 Cga 232/95s-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

7.605 (hievon S 1.267,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Entgeltvereinbarung nicht als sittenwidrig angesehen und den Austritt des Klägers daher als nicht gerechtfertigt erachtet. Im Hinblick darauf, reicht es aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen:

Haben die Arbeitsvertragsparteien eine Vereinbarung über die Höhe des Entgeltes getroffen, dann sind sie an diese Abrede auch dann gebunden, wenn das solcherart vereinbarte Entgelt nicht angemessen im Sinne des § 1152 ABGB sein sollte (DRdA 1979/13 = ZAS 1979/12; Arb 10.086; 9 ObA 48/95). Besteht keine lohngestaltende Vorschrift, wie im vorliegenden Fall, dann ist nahezu jede Einzelvereinbarung zulässig (eclox 1994, 420), daher auch eine unangemessene Lohnvereinbarung (Krejci in Rummel ABGB2 Rz 98 zu § 879). Die österreichische Privatrechtsordnung kennt aufgrund der Vertragsfreiheit kein Gebot der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (Krejci aaO Rz 90). Die Grenze bildet die Sittenwidrigkeit beispielsweise wegen Lohnwuchers gemäß § 879 Abs 1 ABGB, wenn die Entgelthöhe die Annahme einer sittenwidrigen Ausbeutung wegen eines im auffallenden Mißverhältnis zum Wert der Dienstleistung stehenden Hungerlohnes rechtfertigt (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht5 337; DRdA 1979/13 = ZAS 1979/12; ecolex 1994, 420). Fehlt ein gesetzliches Verbot, setzt die Sittenwidrigkeit die offenbare Widerrechtlichkeit voraus. Die vorzunehmende Interessensabwägung muß eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei einer Interessenkollision ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch die Handlung Verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergeben (Arb 10.946).

Zur Feststellung einer Äquivalenzstörung sind die zu vergleichenden Größen in Relation zu setzen. Das ist einerseits das vereinbarte Entgelt und andererseits der mangels einer lohngestaltenden Vorschrift bestehende gemeine, marktübliche Wert der Arbeitsleistung. Eine Splittung in die verschiedenen Lohnbestandteile, wie Grundlohn, Überstundenzuschlag ua, bedarf es dabei nicht, weil das ortsübliche Entgelt für vergleichbare Leistungen alle Entgeltteile beinhaltet, weil ja vergleichbare Leistungen bei vergleichbaren Bedingungen herangezogen werden. Da eine Überstunde jede die normale Arbeitszeit überschreitende Arbeitszeit ist, ist auch eine die zulässige Höchstarbeitszeit überschreitende Arbeitszeit als Überstunde zu werten, sodaß aus dem Arbeitszeitgesetz (§ 10) nicht abgeleitet werden kann, daß für die Höchstgrenze der Arbeitszeit übersteigende Zeiten ein anderer als in § 10 AZG festgelegter Überstundenzuschlag gebührt, der unter Umständen bei Prüfung der Äquivalenzstörung zu berücksichtigen wäre.

Bei Vornahme des Vergleiches kommt es nicht nur auf eine allenfalls bestehende, nur eine andere Region betreffende lohnrechtliche Vorschrift an, sondern ist auch die im örtlichen Bereich des Betriebes geltende marktübliche = ortsübliche Entgelthöhe nicht zu vernachlässigen (Krejci in Rummel aaO), weil gerade dadurch den unterschiedlichen räumlichen, örtlichen, wirtschaftlichen, geographischen und sonstigen Gegebenheiten, wie auch der Gefahrengeneigtheit des Berufes, den erheblichen Zeiten einer Arbeitsbereitschaft, die sonst durch die Kollekvitvertragsparteien bei den Kollektivvertragsverhandlungen berücksichtigt werden, Rechnung getragen wird und mit Dienstleistungen unter ähnlichen Umständen verglichen werden. Dadurch wird auch den an örtlichen Gegebenheiten orientierten Rechtsgefühlen der Rechtsgemeinschaft, d. i. aller billig und gerecht Denkenden, am besten Rechnung getragen.

§ 5 AZG sieht die Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeit bis 60 und der täglichen Normalarbeitszeit bis auf 12 Stunden vor, soferne dies durch Kollektivvertrag oder durch eine Zulassung des Arbeitsinspektorats vorgesehen ist und in die Arbeitszeit des Arbeitnehmers regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. § 9 Abs 1 AZG normiert als Höchstgrenze der Arbeitszeit eine Tagesarbeitszeit von 10 und eine Wochenarbeitszeit von 50 Stunden, wobei nach Abs 2 leg cit eine Überschreitung im Rahmen der dort zitierten Bestimmungen ua des § 5 AZG zulässig ist.

Es ist daher nicht entscheidend, ob der Arbeitszeitvereinbarung ein Kollektivvertrag oder ein Bescheid des Arbeitsinspektorates über eine Verlängerung der Normalarbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft zugrundeliegt, sondern ob die gehandhabte und der Entgeltvereinbarung zugrunde liegende Arbeitszeit im Rahmen des § 9 AZG liegt. Eine Arbeitszeiteinteilung, die einer Genehmigung durch Kollektivvertrag oder Arbeitsinspektorat entbehrt, mag zwar gegen die Vorschrift des § 5 AZG verstoßen, jedoch macht nicht jede Gesetzesverletzung ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn dem Verbotszweck der Norm nicht die Nichtigkeitssanktion entnommen werden kann (Krejci in Rummel ABGB2 Rz 25, 28 zu § 879 mwN). Sanktion für die Verletzung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften sind Verwaltungsstrafen (§ 28 AZG) oder allenfalls als vertragsrechtliche Konsequenz der vorzeitige Austritt des Arbeitnehmers (Cerny AZG2, 144; vgl auch DRdA 1995/28 [Grießer]). Die Nichtigkeitssanktion läßt sich hier nicht aus dem Gesetzeszweck ableiten, zumal eine sich im Rahmen des § 5 AZG haltende Arbeitszeiteinteilung nicht dem gesetzlichen Verbot des § 9 AZG widerspricht und jedenfalls schon deshalb nicht im Sinne einer Nichtigkeit verpönt ist. Dabei darf auch nicht vernachlässigt werden, daß das Arbeitszeitgesetz dem öffentlich-rechtlich strukturierten Arbeitnehmerschutzrecht zuzurechnen ist (Cerny aaO, 17) und daher nur mittelbar auf das Arbeitsvertragsrecht einwirkt und nur bei wesentlichen Verletzungen ein Austrittsgrund verwirklicht wird.

Ausgehend von den Feststellungen haben die Streitteile ab 1.4.1995 eine tägliche Arbeitszeit von zuletzt sechs Mal 10 Stunden Nachtdienst mit dem Monatsnettolohn von S 12.000 als abgegolten angesehen. Dies bewegt sich aber in dem ortsüblichen Entlohnungsrahmen von S 12.000 bis S 13.000 netto und der höchstzulässigen Arbeitszeit nach dem AZG. Aus der getroffenen Vereinbarung vermag der Kläger daher keine sittenwidrige Entgeltsvereinbarung abzuleiten, die ihn zum Austritt berechtigt hätte.

Ob Trinkgeld Entgelt sein kann (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht5, 298) braucht nicht untersucht zu werden, weil auch ohne Einbeziehung desselben keine Sittenwidrigkeit begründende Äquivalenzstörung vorliegt.

Wenn die Arbeitsleistungen des Klägers tatsächlich die höchstzulässige Arbeitszeit überschritten, hätte dies allenfalls einen Austritt des Klägers rechtfertigen können (Martinek/M.u.W.Schwarz, AngestelltenG7 579 mwN), wenn der Kläger, der seit 1.4.1995 zumindest gehandhabten Übung, in manchen Wochen seit 1.4.1995 bis zu 80 Wochenstunden zu arbeiten, ernstlich widersprochen, auf die Einhaltung der zulässigen Arbeitszeit bestanden hätte und in der Folge sein Begehren erfolglos geblieben wäre. Da der Kläger einen das Arbeitszeitgesetz verletzenden Zustand schon längere Zeit hingenommen hat, hätte er zur Begründung der Unzumutbarkeit der weiteren Arbeitsleistung seine geänderte Einstellung zur Arbeitszeit und sein Begehren auf Abhilfe zum Ausdruck bringen müssen. Sein Begehren auf Bezahlung eines ortsüblich angemessenen Entgelts konnte sein Begehren auf Einhaltung der zulässigen Arbeitszeit nicht ersetzen, das sich auch nicht aus dem Schreiben vom 4.7.1995 ergab. Selbst der Hinweis auf die Unzulässigkeit des vereinbarten Überstundenpauschales, für 139 Überstunden pro Monat, vermochte ein Begehren, die Stundenanzahl zu reduzieren, nicht zum Ausdruck zu bringen, weil im Ergebnis damit auch nur die Bezahlung eines höheren angemessenen Entgeltes begehrt wurde.

Eine so krasse Verletzung der Arbeitszeitvorschriften, wie in dem zu DRdA 1995/28 [Grießer] entschiedenen Fall, wo die Arbeitnehmerin täglich von 8.00 bis 20.00 Uhr, auch bis 21.00 Uhr, einmal sogar bis

22.30 Uhr, zu arbeiten hatte und wo der Oberste Gerichtshof daraus ableitete, daß sich aus diesem Verhalten des Arbeitgebers seit Übernahme des Betriebes ergibt, daß er nicht gewillt ist, die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten und es daher keines Versuches bedurfte, den Arbeitgeber zur künftigen Einhaltung der zulässigen Arbeitszeit zu bewegen, liegt hier nicht vor. Im vorliegenden Fall liegt der Wille des Arbeitgebers auf Aufrechterhaltung des gesetzwidrigen Zustandes nicht auf der Hand.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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