OGH 14Os162/13z

OGH14Os162/13z17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mascha als Schriftführer in der Strafsache gegen Patrik T***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. August 2013, GZ 083 Hv 66/13b-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Patrik T***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 16. Februar 2013 in Wien Bettina R***** mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich deren (auch einen Reisepass und zwei Wohnungsschlüssel beinhaltende) Handtasche im Wert von etwa 30 Euro samt 25 Euro Bargeld (US 4) mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er sie von hinten packte, ihr die Handtasche entriss und sie zu Boden stieß.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grunde der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die - auf eine Subsumtion des Täterverhaltens unter die unselbständige Privilegierung des § 142 Abs 2 StGB (vgl Hintersteininger, SbgK § 142 Rz 43; Ratz in WK² StGB Vorbem zu §§ 28-31 Rz 34) abzielende - Subsumtionsrüge (Z 10) argumentiert bei ihrer Behauptung des Einsatzes nicht erheblicher Gewalt zum Einen prozessordnungswidrig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581) nicht auf Basis der Gesamtheit der getroffenen Feststellungen, nach denen der Angeklagte die ihm körperlich unterlegene und leicht alkohoholisierte Bettina R***** zunächst mit beiden Händen von hinten packte, ihr die Handtasche trotz ihrer Gegenwehr entriss und ihr sodann - zwecks Erhalts der Beute und der Ermöglichung seiner Flucht - einen Stoß versetzte, durch den sie zu Sturz kam, mit dem Kopf gegen die Randsteinkante fiel und Verletzungen im Gesicht sowie in Form von multiplen Schürfwunden an Händen, Knien und rechtem Unterschenkel und einer großen Beule an der Stirn erlitt (US 4 und 8). Zum Anderen leitet sie weder methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb durch einen Stoß - ungeachtet dessen Heftigkeit - die „Schwelle der erheblichen Gewalt“ keinesfalls erreicht werden könnte und Verletzungsfolgen nicht einmal indizieller Charakter für die Intensität der Gewaltanwendung zukommen sollte (Eder-Rieder in WK² StGB § 142 Rz 58; RIS-Justiz RS0094330), noch inwieferne es bei dieser Beurteilung - trotz insoweit festgestellten unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs (vgl erneut US 8) - darauf ankommen sollte, dass der Stoß gegen das Tatopfer erst nach der eigentlichen Sachwegnahme („sodann“) erfolgte (RIS-Justiz RS0093085, RS0113271 [T4]).

Aus den ins Treffen geführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs lässt sich für den Beschwerdestandpunkt nichts gewinnen, weil jener zum AZ 9 Os 148/80 Gewaltanwendung durch Versetzen eines Stoßes zugrundelag, durch den das Raubopfer gerade nicht zu Sturz kam oder verletzt wurde, und jene zum AZ 13 Os 55/75 einen gänzlich anderen Sachverhalt betraf (nämlich einen Schuldspruch wegen §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und die gleichzeitige Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB). An der weiters angesprochenen Kommentarstelle (Hintersteininger, SbgK § 142 Rz 45) wird hinwieder - unter Berufung auf die Judikatur des Höchstgerichts - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Verletzungsfolgen ein Indiz für die Erheblichkeit der Gewalt sein können.

Da die Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB nach dem Gesetz kumulativ vorliegen müssen, erübrigt sich damit ein Eingehen auf das Vorbringen zu den weiteren Prämissen dieser Privilegierung.

Nur der Vollständigkeit halber sei daher angemerkt, dass die Subsumtionsrüge bei ihren Ausführungen zu nach ihrem Standpunkt bloß unbedeutenden Folgen der Tat ausschließlich von einem nur kurzfristigen Verlust des Reisepasses und der Wohnungsschlüssel sowie „nicht schwerwiegenden“ Verletzungsfolgen ausgeht und die weiteren Feststellungen ignoriert, wonach Bettina R***** - neben dem Verlust ihrer Tasche samt Inhalt - durch die Tat auch die oben dargestellten (keineswegs bloß geringfügigen) Blessuren erlitt, etwa zwei Wochen Schlafstörungen hatte, sich verfolgt fühlte und seither nachts nur mehr in Begleitung ihre Wohnung verlassen kann (US 4 und 8), womit sie ein weiteres Mal den in den Urteilskonstatierungen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0118342; vgl auch RIS-Justiz RS0094501 sowie zum [auch bloß kurzfristigen] Verlust wichtiger Dokumente als fühlbare Beeinträchtigung des Tatopfers RIS-Justiz RS0094494).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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