OGH 14Os148/13s

OGH14Os148/13s17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mascha als Schriftführer in der Strafsache gegen Noureddine B***** und einen anderen Angeklagten wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karim Sm gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. Juli 2013, GZ 26 Hv 46/13p-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Karim S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant - Karim S***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG (A) sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (C/2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck gemeinsam mit Noureddine B***** vorschriftswidrig

(A) anderen Suchgifte in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge überlassen, wobei er die zu 1) und 3) angeführten Taten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, und zwar

1) zwischen dem 3. und 5. Juni 2013 durch den gewinnorientierten Verkauf von 3 kg Marihuana (Reinheitsgehalt zumindest 5 %, demnach 150 g reines THC, mithin das 7,5fache der Grenzmenge) um 10.500 Euro an Yousaf H***** und Baseli Y*****;

2) zwischen dem 3. und 5. Juni 2013 durch Übergabe von etwa 10 g Kokain (Reinheitsgehalt zumindest 15 %) an Rabah M*****;

3) (mutmaßlich am 8. Juni 2013) durch den gewinnorientierten Verkauf von zumindest 60 g Kokain (Reinheitsgehalt zumindest 15 %, demnach 9 g reines Kokain) entweder an Yousaf H***** oder an Rabah M*****;

(B) zwischen dem 3. und 5. Juni 2013 Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge, nämlich 3 kg Marihuana (Reinheitsgehalt zumindest 5 %) nach vorangegangenem Erwerb mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde;

(C) 2) zwischen 25. Februar 2013 und 13. Juni 2013 wiederholt Suchtgifte, und zwar jeweils geringe Mengen Kokain, Cannabisprodukte und Subutex-Tabletten (Wirkstoff Buprenorphin), zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten Karim S***** aus Z 4, 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte die begehrte ergänzende Vernehmung der Zeugen Yousaf H***** und Baseli Y***** zum Beweis dafür, dass die Angaben des Zeugen Rabah M***** betreffend das ausgedehnte (Vorwürfe, die vom Ankläger den Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB subsumiert wurden, umfassende; vgl ON 42 S 31 f) Faktum D unrichtig sind und „M***** vom Zweitangeklagten weder gefährlich bedroht wurde noch zu einer falschen Beweisaussage bestimmt worden ist“, zufolge Beschränkung des Strafverfahrens gemäß § 263 Abs 2 StPO auf den Gegenstand der schriftlichen Anklage (Punkte A bis C; vgl ON 19) unterbleiben (ON 42 S 33).

Das in diesem Zusammenhang - mit dem Vorwurf mangelnder Fairness verbundene - gegen die (im Übrigen in Wahrnehmung der Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit und in Ausübung diskretionärer Gewalt; vgl Danek, WK-StPO § 232 Rz 5 f, § 254 Rz 1 f) von der Vorsitzenden von Amts wegen vorgenommene Ladung und Vernehmung von ermittelnden Polizeibeamten und die ergänzende Vernehmung des Zeugen Rabah M***** (mit Bezug auf die Schuldsprüche A) und B)) erhobene Vorbringen scheitert schon an einem dagegen gerichteten Antrag oder einem nach Art von Anträgen substanziierten Widerspruch in der Hauptverhandlung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 305 f; Danek, WK-StPO § 254 Rz 5).

Eine Beweisaufnahme zur Glaubwürdigkeit von Zeugen kann zwar bei Behauptung konkreter für deren Beurteilung relevanter Umstände, wie etwa früherer Verleumdungen des Zeugen, angezeigt sein (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350; Fabrizy, StPO11 § 55 Rz 4). Diesem Erfordernis genügt der Antrag auf „Einvernahme von Beamten der JVA Graz Karlau zum Beweis dafür, dass der Zeuge Rabah M***** bereits während seines Aufenthalts in Graz Karlau Gefängnisinsassen der gefährlichen Drohung und Nötigungen der Bestimmung zur falschen Beweisaussage ungerechtfertigt beschuldigt hat und daher auch in diesem Verfahren seine getätigten Aussagen unrichtig sind“, jedoch nicht. Dieses Verlangen nach Vernehmung von namentlich nicht genannten Justizwachbeamten zu angeblichen - nicht näher bezeichneten - Beschuldigungen nicht namentlich genannter Häftlinge war vielmehr auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO; RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Das ergänzende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde unterliegt dem sich aus dem Wesen des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO ergebenden Neuerungsverbot und ist demnach unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Tatrichter - dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verpflichtet, die Angaben der ermittelten Kriminalbeamten, wonach anlässlich einer Nachschau an zwei Orten, die laut Rabah M***** als Verstecke für Suchtgift dienten, am 11. Juni 2013 (vgl nämlich ON 6 S 65), somit einige Tage nach den Taten, nichts vorgefunden wurde (ON 42 S 20 f, 27), ausdrücklich zu erörtern.

Die den Beschwerdeführer entlastenden Angaben der Zeugen Baseli Y***** und Yousaf H***** hat das Erstgericht entgegen dem weiteren Vorbringen in die Überlegungen miteinbezogen, jedoch als widerlegt erachtet (US 18).

Indem die Rüge - entgegen dem entsprechenden Erfordernis ohne Angabe von Fundstellen im Akt (vgl RIS-Justiz RS0124172) - Unvollständigkeit mangels Erörterung eines Telefonprotokolls vom „03.06.2013, 21.59 Uhr (laufende Nr. 9)“ reklamiert, wonach sich ergebe, „dass der Zeuge Rabah M***** von Yousaf H***** in diesem Telefonat konkret gefragt wird, ob Raja (vermutlich Gras) bei ihm sei“, was Rabah M***** bejaht habe, bleibt unklar, inwiefern dieser Gesprächsinhalt für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung hätte sein können und solcherart erörterungsbedürftig gewesen sein soll (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409).

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn - nach der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist, wobei stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis in den Blick zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0117995).

Bei einer solchen Betrachtung ist die kritisierte Feststellung auf US 11, in Betreff der für die Zusammenrechnung von Einzelmengen aus verschiedenen Tathandlungen entscheidenden (vgl RIS-Justiz RS0088058), Aussage, wonach der Vorsatz des Beschwerdeführers auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen und damit auf den an die bewusst kontinuierliche Tatbegehung geknüpften Additionseffekt gerichtet war, aus Sicht des Obersten Gerichtshofs ebenso wenig undeutlich, wie jene auf US 10 zum Verkauf von 60 g Kokain (mutmaßlich am 8. Juni 2013) an Yousaf H***** oder an Rabah M*****, die im Übrigen auch unter dem Aspekt von materieller Nichtigkeit nicht zu beanstanden sind (vgl Ratz, WK-StPO §§ 570 ff).

Die prozessordnungskonforme Darstellung einer Tatsachenrüge (Z 5a) verlangt, aus dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) unter konkreter Bezugnahme auf solches anhand einer Gesamtbetrachtung der tatrichterlichen Beweiswürdigung erhebliche Bedenken gegen die Urteilsfeststellungen zu entscheidenden Tatsachen abzuleiten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481, 487). Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, den Überlegungen des Erstgerichts ohne Aktenbezug großteils unter Wiederholung des Vorbringens der Verfahrens- und der Mängelrüge eigene Beweiswerterwägungen vor allem gegen die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Rabah M***** entgegenzusetzen, um solcherart der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers zu den Schuldspruchpunkten A) und B) zum Durchbruch zu verhelfen.

Mit der Behauptung (Z 11), über den Beschwerdeführer sei im Verhältnis zum Mitangeklagten eine „unverhältnismäßig drakonische Strafe“ verhängt worden, wird Nichtigkeit nicht aufgezeigt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 730).

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht die zu B) umschriebenen Taten irrig mehreren Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (vgl 12 Os 93/12m, RIS-Justiz RS0128234; RS0119836), anstelle eines Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG unterstellt hat.

3. Diese Gesetzesverletzung wirkte sich für den Beschwerdeführer jedoch nicht nachteilig im Sinn des § 290 Abs 1 StPO aus (was im Übrigen auch für Noureddine B***** gilt), weil bei der Strafbemessung das „Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen“ (US 21) dessen ungeachtet als erschwerend veranschlagt werden konnte und im Übrigen das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge durch die vom Schuldspruch B) umschriebenen Taten nicht erschwerend gewertet wurde (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 und 24; RIS-Justiz RS0114927; RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte