OGH 7Ob215/13p

OGH7Ob215/13p11.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Pitzal & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei DI M***** M*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen 59.668,69 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2013, GZ 14 R 168/13y‑147, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00215.13P.1211.000

 

Spruch:

Der in der außerordentlichen Revision enthaltene Rekurs gegen die Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit und die außerordentliche Revision werden zurückgewiesen.

Begründung

Die Klägerin fordert vom Beklagten eine ihm auf Grund seines Antrags vom 14. 8. 1988 mit Zusicherung vom 20. 12. 1991 gewährte Förderung nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (WWFSG) für die Totalsanierung seines Hauses zurück. Der Beklagte erhielt unter anderem einen Baukostenzuschuss für außergewöhnliche Erschwernisse. Da er jedoch in der Schlussrechnung (entgegen der Fördervereinbarung) keine solchen Erschwernisse nachwies, errechneten die Mitarbeiter des Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds (WBSF) aus den vorhandenen Unterlagen selbständig Erschwernisse im Umfang von 105.945 ATS.

Die Klägerin begehrt die auf dieser Grundlage ermittelte Differenz von 59.668,69 EUR (= 821.059 ATS) sA zwischen geleistetem und nach der Endabrechnung zustehendem Zuschuss für außergewöhnliche Erschwernisse.

Der Beklagte behauptete höhere Beträge für außergewöhnliche Erschwernisse und wendete eine Gegenforderung ein, weil ihm nur 95 % der zugesagten Förderung ausbezahlt worden sei.

Das Erstgericht gab (im zweiten Rechtsgang) dem Klagebegehren unter Abweisung der Gegenforderung zur Gänze statt. Aus der Endabrechnung ergebe sich, dass dem Beklagten 821.059 ATS (= 59.668,69 EUR) zuviel an Baukostenzuschuss bezahlt worden sei. Der Nachweis von Arbeiten, die zusätzliche Erschwernisse bedeuten würden, sei dem Beklagten nicht gelungen.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit, gab ihr im Übrigen nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

In der außerordentlichen Revision macht der Beklagte Mangelhaftigkeit, Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels beruft er sich allein auf die in zweiter Instanz verneinte Mangelhaftigkeit und Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz. In der Zulassungsbeschwerde erstattet er weitere Ausführungen zur angeblichen Unzulänglichkeit der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten (vom Beklagten erfolglos abgelehnten) Sachverständigen. Wie schon in der Berufung bezweifelt der Beklagte die Richtigkeit des ‑ den Feststellungen zugrunde liegenden ‑ Gutachtens. Dazu wiederholt er seine ‑ erfolglose ‑ Rüge der Unterlassungen einer Begutachtung durch andere (weitere) Sachverständige (gemäß § 362 Abs 2 ZPO) sowie der Einvernahme der beantragten (sachverständigen) Zeugen als Verfahrensmangel. Die erhebliche Rechtsfrage liege darin, dass die Vorinstanzen „dem Beklagten seine Beweisführung verweigert“ und dadurch gegen den Grundsatz „einer objektiven und fairen Prozessführung“ verstoßen hätten.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich das außerordentliche Rechtsmittel gegen die Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit (infolge Befangenheit des Sachverständigen) wendet, ist es absolut unzulässig :

Eine ‑ wie hier ‑ bereits vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz kann vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden (7 Ob 188/11i mwN; RIS‑Justiz RS0042981 [T3 bis T16]); handelt es sich dabei doch um einen Beschluss gemäß § 519 Abs 1 ZPO, der, auch wenn er in das Berufungsurteil aufgenommen wurde (RIS-Justiz RS0043405), absolut unanfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0043405 [T47 bis T49]), weil er keine in dieser Bestimmung geregelte Ausnahme betrifft. Nach herrschender Meinung sind solche Entscheidungen in dritter Instanz also nicht mehr bekämpfbar (7 Ob 188/11i; 10 ObS 46/13g mwN; Zechner in Fasching/Konecny ² § 503 ZPO Rz 69 mwN).

Eine erhebliche Rechtsfrage wird nicht aufgezeigt: Auch die in der Berufung erfolglos bekämpfte Beurteilung, dass zu dem bereits vorliegenden kein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen war und weitere Zeugen nicht einzuvernehmen waren, also die Frage, ob ein schon in der Berufung behaupteter Mangel des Verfahrens erster Instanz vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist nach ständiger Rechtsprechung vom Revisionsgericht nicht mehr zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0042963). Da dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen auf die vom Rechtsmittelwerber weiter geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz verwehrt ist, ist auch die Begründung, die das Berufungsgericht für das Nichtvorliegen des Verfahrensmangels gegeben hat, der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]; RS0043061 [T18]; vgl auch RS0043144; jüngst: 10 ObS 95/13p und 10 ObS 98/13d mwN).

Ob ein Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar ist, gehört im Übrigen ‑ wie bereits vom Berufungsgericht aufgezeigt ‑ zur Beweiswürdigung. Diese ist im Revisionsverfahren ebenfalls nicht überprüfbar (RIS-Justiz RS0043320 [T8, T12, T14, T21]). Demnach kann eine Anfechtung der in Sachverständigengutachten erzielten Ergebnisse, die den bekämpften Entscheidungen der Tatsacheninstanzen zugrunde gelegt wurden, unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels gar nicht erfolgen (RIS-Justiz RS0043168).

Mit Rechtsrüge wären die Gutachtensergebnisse nur bekämpfbar, wenn dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze, (sonstige) Erfahrungssätze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0043168; RS0043404 ua; 7 Ob 145/12t mwN; 6 Ob 25/12p; jüngst: 10 ObS 95/13p). Einen Verstoß dieser Art zeigt die außerordentliche Revision aber gar nicht auf: Die Frage, ob dem Sachverständigengutachten gefolgt werden kann oder ob ‑ wie der Beklagte meint ‑ weitere Beweise aufgenommen werden sollten, ist nämlich eine solche der in dritter Instanz nicht mehr angreifbaren Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0043163; RS0043320; RS0043414; 7 Ob 145/12t; 10 ObS 90/13b mwN) und wurde von den Tatsacheninstanzen ‑ unanfechtbar ‑ wie folgt beantwortet: Der Sachverständige habe „schlüssig und nachvollziehbar“ dargestellt, dass eine Rechnungsprüfung auf Basis der vorgelegten Urkunden (insbesondere unter Herausrechnung der auf allfällige Erschwernisse entfallenden Arbeiten) nicht möglich sei.

Die außerordentliche Revision, die auch sonst keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist zurückzuweisen, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

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