Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.026,08 EUR (darin 337,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Fachärztin für Innere Medizin. Ab 22. 5. 1978 war sie bei der Beklagten beschäftigt, wobei ihr Dienstverhältnis zunächst der Wiener VBO in der jeweils geltenden Fassung unterlag. In der Zeit vom 1. 5. 1991 bis 10. 6. 1992 übernahm die Klägerin eine befristete Vertretungstätigkeit als mit 30 Wochenstunden teilzeitbeschäftigte Konsiliarfachärztin, weil ihr aus familiären Gründen an einer Arbeitszeitreduktion gelegen war. Um nach der Rückkehr der von ihr vertretenen Kollegin weiterhin in der selben Krankenanstalt arbeiten zu können, akzeptierte die Klägerin ab 11. 6. 1992 eine vorübergehende Reduktion ihrer Arbeitszeit auf 10 Wochenstunden. Man teilte ihr mit, dass das Budget des Spitals nur eine Beschäftigung als Vertretung in diesem Umfang zulasse, wobei damals schon klar war, dass aufgrund des Arbeitsaufkommens mit der im Krankenhaus durchgeführten Prothetik eine Vertretung in größerem zeitlichen Ausmaß erforderlich sein würde.
Aufgrund ihres Ersuchens, wieder mit 30 Wochenstunden beschäftigt zu werden, bot ihr die Beklagte 1993 den Abschluss eines Sondervertrags nach den Regelungen der jeweils geltenden Gruppensondervertragsnorm an. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass es sich beim Sondervertrag um eine flexiblere Vertragsform handle, die außerdem mit einer geringfügigen finanziellen Besserstellung verbunden sei. Sie unterfertigte einen von der Beklagten vorformulierten Antrag und schließlich den Sondervertrag mit Geltungsbeginn ab 1. 2. 1993. Sie rechnete nicht damit, durch den Sondervertrag langfristig gegenüber anderen Fachärzten schlechter gestellt zu werden, überlegte jedoch nicht konkret, welche späteren Auswirkungen dieser Vertrag in den nächsten Jahren haben würde. Sie wollte vor allem eine Aufstockung ihrer Dienstzeit erreichen, wozu ihr keine andere Möglichkeit zur Verfügung stand.
Die Entlohnung der Klägerin lag ab Inkrafttreten des Sondervertrags zunächst um 98,62 EUR brutto monatlich über jenem Gehalt, das ihr nach dem Vertragsbedienstetenschema gebührt hätte. Eine Regelung in Bezug auf Nebenbeschäftigungen enthielt der Sondervertrag nicht. Die Klägerin war seitdem kontinuierlich bei unveränderter Arbeitszeit als Konsularinternistin im selben Spital tätig.
Mit der 13. Novelle zur W-VBO 1995, LGBl 15/2002, wurde deren § 16 Abs 3 durch folgende Absätze (3 und 4) ersetzt:
„(3) Der Vertragsbedienstete des Schemas IV KAV darf keine Nebenbeschäftigung in einer Krankenanstalt im Sinn des § 1 Abs. 3 Z 1, 2, 5 und 6 des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987 außerhalb der Unternehmung 'Wiener Krankenanstaltenverbund' ausüben, es sei denn,
1. die Ausübung der Tätigkeit ist zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen erforderlich oder
2. der Patient oder dessen Vertreter erklärt nach Information über das Leistungsangebot der Unternehmung 'Wiener Krankenanstaltenverbund' ausdrücklich und nachweislich, dass eine Behandlung in einer Krankenanstalt der Unternehmung 'Wiener Krankenanstaltenverbund' abgelehnt wird.
(4) Dem Vertragsbediensteten des Schemas IV KAV ist es untersagt, für eine in Abs. 3 genannte Krankenanstalt zu werben; dies umfasst auch das Verbot auf Patienten dahin gehend einzuwirken, sich einer Behandlung in einer solchen Krankenanstalt zu unterziehen.“
Die mit der Klägerin vereinbarten Stundensätze blieben in den folgenden Jahren deutlich hinter dem Vertragsbediensteten-Schemagehalt zurück, das mit Inkrafttreten der Novelle LGBl 15/2002 in Etappen wesentlich erhöht wurde. Für die Jahre 2008 bis 2010 betrug die Gesamtdifferenz (bei fiktiver Überleitung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schema IV KAV) 60.177,18 EUR brutto.
Im Krankenanstaltenverbund der Beklagten sind derzeit 33 von insgesamt rund 3.200 Ärzten als Konsiliarärzte mit Sondervertrag teilzeitbeschäftigt und nicht besser entlohnt als die Klägerin. An ihrem Spital ist sie die einzige Ärztin mit Sondervertrag.
Die Klägerin begehrt die Nachzahlung der Differenz zwischen dem erhaltenen und dem fiktiven Gehalt für die Jahre 2008 bis 2010, das ihr bei Überleitung in das Vertragsbediensteten-Gehaltsschema IV KAV ab dessen Inkrafttreten gebührt hätte.
Das Erstgericht gab der Klage (mit Ausnahme eines unbekämpft abgewiesenen Zinsenmehrbegehrens) statt. Die Beklagte enthalte der Klägerin ohne sachliche Rechtfertigung vor, was sie der Mehrheit der anderen Fachärzte zubillige, sie verletze dadurch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die in der VBO enthaltene Ermächtigung zum Abschluss von Sonderverträgen sei dahin auszulegen, dass sie nur für die Vertragsbediensteten günstigere Vereinbarungen abdecke.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Rechtsfrage der Auswirkung einer nachfolgenden günstigeren gesetzlichen Regelung auf einen Sondervertrag nach § 64 VBO 1995 keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Zwar könnten die Bestimmungen der Wiener VBO durch einen Sondervertrag nicht ausschließlich nur zum Vorteil der Vertragsbediensteten wirksam abbedungen werden, die Beklagte sei aber bei Abweichungen jedenfalls an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Entlohnung von Fachärztinnen und Fachärzten mit gleicher Ausbildung und gleichartiger Tätigkeit sei die Beklagte schuldig geblieben.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig, die Entscheidung betrifft eine über den Einzelfall hinaus für einen größeren Personenkreis relevante Rechtsfrage. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Die gesetzliche Grundlage für den Abschluss eines Sondervertrags mit der Klägerin findet sich in § 54 W-VBO 1979 (nunmehr § 54 W-VBO 1995) mit dem Wortlaut „In Ausnahmefällen können im Dienstvertrag Regelungen getroffen werden, die von diesem Gesetz abweichen. Solche Dienstverträge sind als Sonderverträge zu bezeichnen und bedürfen der Genehmigung der gemeinderätlichen Personalkommission und des für Personalangelegenheiten zuständigen Gemeinderatsausschusses.“ Diese Bestimmung entspricht im Wortssinn der für Vertragsbedienstete des Bundes geltenden Regelung des § 36 Abs 1 VBG: „In Ausnahmefällen können im Dienstvertrag Regelungen getroffen werden, die von diesem Bundesgesetz abweichen. Solche Dienstverträge sind als Sonderverträge zu bezeichnen und bedürfen der Genehmigung des Bundeskanzlers.“ In Fragen der Zulässigkeit sondervertraglicher Regelungen nach der W-VBO ist daher die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 36 Abs 1 VBG sinngemäß zu berücksichtigen.
2. Schon aus der Zielsetzung einer Kodifikation des Arbeitsrechts der Vertragsbediensteten einer Gebietskörperschaft, nämlich die Rahmenbedingungen der Arbeitsverhältnisse zu vereinheitlichen und eine ungerechtfertigte Besser- oder Schlechterstellung einzelner Dienstnehmer möglichst zu verhindern, ergibt sich, dass Sonderverträge nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig sein können. Die besonderen Bedingungen, unter denen solche Verträge abgeschlossen werden dürfen, erfüllen eine Doppelfunktion und schützen einerseits den Arbeitnehmer vor einer ungerechtfertigten Aushöhlung der gesetzlich garantierten Arbeitsbedingungen, aber auch den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber vor den Kosten sachlich nicht gerechtfertigter Privilegierungen.
3. Mit Sonderverträgen soll all jenen Fällen gerecht werden, in denen die Bestimmungen des VBG den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht entsprechen würden. Der Gesetzgeber eröffnet damit zwar die Möglichkeit, von Bestimmungen des VBG der W-VBO abzugehen, doch ist diese Regelung nur auf Ausnahmsfälle anwendbar, die wegen der besonderen Lage des Einzelfalls den zwingenden Bestimmungen des VBG nicht ohne weiteres zugeordnet werden können und daher einer Sonderregelung bedürfen. Vom Gesetz abweichende Vereinbarungen in Sonderverträgen sind jeweils im Einzelnen unter diesem Gesichtspunkt auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Es ist nicht zulässig, ohne besondere Gründe zwingende Bestimmungen des VBG zum Nachteil des Bediensteten abzudingen (8 ObA 82/04y; 8 ObA 50/99g, RIS-Justiz RS0081680; Thunhart, Sonderverträge im öffentlichen Dienst gemäß § 36 VBG, ZfV 2002/1142). Einzelvertragliche Vereinbarungen, die ohne sachliche Rechtfertigung von den gesetzlichen Vorgaben abweichen, sind privatrechtlich unwirksam.
4. Die Beklagte vermochte keinen Grund ins Treffen zu führen, der im Fall der Klägerin eine vom gesetzlichen Gehaltsschema abweichende Entlohnungsver-einbarung rechtfertigen konnte.
Soweit die Beklagte geltend macht, es sei im Budget der betroffenen Krankenanstalt im Jahr 1993 keine den Arbeitszeitwünschen der Klägerin entsprechende Stelle vorgesehen gewesen, sondern extra mit dem Sondervertrag eine solche geschaffen worden, übergeht sie die Feststellung, dass bereits bei Abschluss des Sondervertrags ein dem angestrebten Beschäftigungsausmaß adäquater Bedarf absehbar war. Die Klägerin hat die vereinbarte Tätigkeit letztlich fast zwei Jahrzehnte hindurch ausgeübt; für diesen Zeitraum (das Klagebegehren berührt davon nur die zweite Hälfte) ist jedenfalls auch ein dem Einsatz entsprechender Bedarf auf Seiten der Dienstgeberin anzunehmen. Es kann der Beklagten nicht unterstellt werden, in Zeiten notorischen Fachärztemangels gerade die Klägerin über so lange Zeit ohne adäquate Auslastung beschäftigt zu haben.
5. Auch das von der Beklagten ins Treffen geführte Argument, die Klägerin sei aufgrund ihres Sondervertrags nicht den für allgemeine Vertragsbedienstete geltenden Beschränkungen des § 16 Abs 3 und 4 W-VBO 1995 unterworfen gewesen, sodass sie Nebenbeschäftigungen auch in Krankenanstalten ausüben habe dürfen, die nicht zum Krankenanstaltenverbund der Beklagten gehören, vermag keine die Sonderbehandlung rechtfertigende Ausnahmesituation zu begründen. Die einschlägige Novellierung des § 16 Abs 3 W-VBO erfolgte erst rund neun Jahre nach dem Abschluss des Sondervertrags und konnte weder mit dessen Begründung in ursächlichem Zusammenhang stehen, noch kann sie nachträglich eine Schlechterstellung der Klägerin im Bezug auf das laufende Entgelt rechtfertigen. Die Beklagte hat nicht vorgebracht, dass die Klägerin vom Verbot betroffene Nebenbeschäftigungen ausgeübt hat oder ausüben wollte und die im Ergebnis nachteiligen Bestimmungen des Sondervertrags darin im Nachhinein ihre sachliche Rechtfertigung beziehen könnten. Davon abgesehen wäre ein etwaiger Günstigkeitsvergleich nur zwischen Gruppen rechtlich und sachlich zusammengehöriger Normen durchzuführen, die den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, was bei der Beschränkung von Nebenbeschäftigungen einerseits und der Entlohung der fortlaufenden Arbeit andererseits nicht ohne weiteres der Fall wäre (RIS-Justiz RS0051060 [zu § 3 ArbVG]).
6. Die Beklagte kann der Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, sich lediglich die günstigen Aspekte der Vertragsbeziehung sichern zu wollen, aber nicht die damit ersparten Nachteile (Konkurrenzverbot) in Kauf zu nehmen („Rosinentheorie“). Ob die Anpassung des Sondervertrags umgekehrt auch zur Anwendbarkeit des § 16 Abs 3 und 4 W-VBO auf ihr Dienstverhältnis führen könnte, war im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen; im Übrigen bietet der Sachverhalt auch keine Grundlage für die Annahme, dass die Klägerin aus dem Fehlen eines sondervertraglichen Konkurrenzverbots in der Vergangenheit irgendwelche Vorteile gezogen hat.
7. Sonstige Gründe für eine Ausnahmesituation im Sinne des § 54 W-VBO wurden nicht geltend gemacht. Die Klägerin konnte sich daher auf die Unwirksamkeit der benachteiligenden Bestimmungen des Sondervertrags, insbesondere der vom Vertragsbedienstetenschema abweichende Entlohung, berufen. An Stelle der unwirksamen Teile kommt die gesetzliche Regelung zum Tragen und ist die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne die nachteiligen Vertragsteile gestanden wäre.
8. Die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind schon aus diesem Grund zu bestätigen. Auf die darin behandelte Problematik einer Verletzung des betrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (zur Geltung für Vertragsbedienstete vgl RIS-Justiz RS0031488; RS0031453 [T1]; RS0060204 [T30]) und der dafür maßgeblichen Beurteilungskriterien kommt es bei diesem Ergebnis nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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