OGH 6Ob173/13d

OGH6Ob173/13d28.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Hoffmann und Brandstätter Rechtsanwälte KG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde A*****, vertreten durch Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwalt in Lienz, wegen 22.804,67 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Mai 2013, GZ 2 R 68/13m-20, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 31. Jänner 2013, GZ 69 Cg 6/12z-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision werden die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben.

Das bisherige Verfahren wird für nichtig erklärt.

Die Klage wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

A***** L***** ist seit seiner Geburt am 29. 6. 1926 im Gemeindegebiet der Beklagten als Hauptwohnsitz und seit 18. 4. 2006 in N***** als Nebenwohnsitz gemeldet.

Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 14. 2. 2005, GZ 26 Hv 267/04y-64, wurde er wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Dem Urteil lag zugrunde, dass A***** L***** in der Nacht zum 30. 8. 2004 in T***** unter dem Einfluss einer anhaltenden wahnhaften Störung (Paranoia) seine Ehegattin M***** L***** vorsätzlich getötet hat.

Nach Beginn des Maßnahmenvollzugs im Psychiatrischen Krankenhaus H***** wurde im Zuge der Abklärung der Möglichkeit einer bedingten Entlassung über das PKH H***** zunächst ein Probewohnen im Pflege- und Altenheim V*****, das von der Klägerin betrieben wird, absolviert. Das Heim V***** ist eine Einrichtung zur Pflege alter und kranker Menschen.

Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 6. 6. 2006 wurde A***** L***** aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 47 StGB am 30. 6. 2006 bedingt entlassen. Hierbei wurde ihm unter anderem die Weisung erteilt, im Heim V***** in N***** Wohnung zu nehmen und sich nicht in seinen Heimatort in Osttirol zu begeben.

Auch nach der bedingten Entlassung wohnte A***** L***** weiter im Heim V***** der Klägerin und wurde dort weiterhin von der Klägerin gepflegt und betreut. Er erhielt dort auch regelmäßig seine Medikation. Vom Heim V***** wurden auch die notwendigen fachärztlichen Kontrollen organisiert. Auch im Zeitraum Juli 2006 bis April 2009, in dem die Kostentragung für die Unterbringung A***** L*****s ungeklärt war, betreute und pflegte die Klägerin ihn zur Wahrung seiner Interessen und seines Wohles und bemühte sich gemeinsam mit ihm um eine Kostenübernahme durch Bund, Land oder Gemeinde.

Die Differenz zwischen dem tatsächlich für die Unterbringung im Heim V***** der Klägerin angefallenen Pflege- und Betreuungskosten und den zur Abdeckung der Kosten der Heimunterbringung herangezogenen Einkünften A***** L*****s belief sich im Zeitraum Juli 2006 bis April 2009 auf insgesamt 22.804,67 EUR.

Nicht feststellbar ist, ob die Kinder von A***** L***** in den Jahren 2006 bis 2009 erwerbstätig waren und wie viel sie gegebenenfalls dabei verdienten.

Am 29. 6. 2006 beantragte A***** L***** die Gewährung von Grundsicherung für alte Personen nach § 7 Abs 1 lit g TGSG durch Unterbringung auf einem Heimplatz in der Einrichtung Heim V***** der Klägerin und verpflichtete sich, ab dem Zeitpunkt der Unterbringung 80 % seiner Pensions- bzw Rentenleistungen bei der Heimverwaltung zu Gunsten der Gemeinde/des Gemeindeverbandes zu hinterlegen, und zur Einzahlung der Bundes- und Landespflegegeldleistungen.

Die beklagte Partei lehnte die Übernahme der Kosten für die Unterbringung A***** L*****s im Heim der Klägerin im Rahmen der Grundsicherung ab, weil sie in einem auswärtigen Heim weder nachvollziehbar noch zweckmäßig sei und im Heimatbezirk A***** L*****s drei Heime mit ausreichender Kapazität vorhanden seien. Zudem würde üblicherweise zunächst ein Einvernehmen betreffend Kostenübernahme durch die Gemeinde hergestellt und dann ein Antrag eingebracht. Überhaupt wären die Kosten nach Auffassung der beklagten Partei von der Justizanstalt oder Staatsanwaltschaft zu tragen und könnten nicht auf die beklagte Partei abgeschoben werden.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Imst vom 13. 12. 2006 wurde für A***** L***** aufgrund seiner Unfähigkeit zur Besorgung all seiner Angelegenheiten bedingt durch seinen Eifersuchts- und Verfolgungswahn seine Tochter M***** L***** zur Sachwalterin bestellt und mit der Besorgung der Einkommens- und Vermögensverwaltung betraut.

Versuche der Sachwalterin, die Kosten der Unterbringung A***** L*****s im Heim der Klägerin von der Republik Österreich nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes einbringlich zu machen, blieben ohne Erfolg. Die entsprechenden Anträge der Sachwalterin wurden rechtskräftig abgewiesen.

Am 15. 4. 2009 beantragte A***** L***** beim Land Tirol die Gewährung von Grundsicherung für pflegebedürftige Personen nach § 7 Abs 1 lit d TGSG durch Unterbringung auf einem Heimplatz in der Einrichtung Heim V***** der Klägerin. Die Übernahme der Kosten wurde Seitens des Landes Tirol mit Schreiben vom 24. 9. 2009 abgelehnt. Über neuerlichen Antrag vom 16. 12. 2010 wurde Seitens des Landes Tirol A***** L***** mit Wirkung vom 1. 5. 2009 Mindestsicherung in der Teilpflege 2 für die Dauer der gesetzlichen Voraussetzungen gewährt. Eine Übernahme der Kosten für den Zeitraum Juli 2006 bis April 2009 wurde jedoch neuerlich mit dem Hinweis darauf, dass hiefür die Beklagte aufzukommen habe, abgelehnt.

Die beklagte Partei lehnt die Gewährung von Grundsicherung in Form von Hilfe für alte Personen für den Zeitraum Juli 2006 bis April 2009 mit der Begründung ab, dass vor der Heimunterbringung A***** L*****s im Heim V***** keine Genehmigung durch die beklagte Partei eingeholt worden sei, es sich beim Heim V***** um ein Heim außerhalb von Osttirol handle und A***** L***** der Aufenthalt im Heim V***** mit Weisung des Gerichts, somit als „Buße“ auferlegt worden sei. Die beklagte Partei könne nicht zur Übernahme der dadurch entstehenden Kosten gezwungen werden; vielmehr habe der Bund für die Kosten der Unterbringung A***** L*****s aufzukommen. Üblicherweise würden in der Gemeinde A***** alte Personen im Rahmen der Hilfe für alte Personen nach dem TGSG nur mit Zustimmung und Genehmigung des Bürgermeisters und ausschließlich in Heimen in Osttirol untergebracht. Ob überhaupt jemals eine alte Person auf im Rahmen der Grundsicherung von der beklagten Partei getragenen Kosten in einem Heim außerhalb von Osttirol untergebracht wurde, ist nicht feststellbar. Personen mit Pflegegeld der Stufe 1 oder 2 werden im Sprengel der beklagten Partei üblicherweise zu Hause vom Sozialsprengel betreut, soweit dies auch im Hinblick auf das familiäre Umfeld möglich ist. Dies betrifft im Sprengel der beklagten Partei im Schnitt 25 bis 30 Personen im Jahr.

Die beklagte Partei ist Mitglied des Gemeindeverbandes Bezirksaltenheime Lienz bestehend aus allen 33 Gemeinden Osttirols, welcher drei Heime in Lienz, Matrei und Sillian unterhält und um möglichst gute Auslastung zur Erreichung einer möglichst kostensparenden Erhaltung bemüht ist. In diesen Osttiroler Heimen ist diplomiertes Pflegepersonal beschäftigt, welches auch Aufsicht über das Austeilen und die Einnahme von Medikamenten durchführt. Die Kosten für die Heime werden von den Gemeinden anteilig getragen.

Die Aufnahme A***** L*****s in das Heim V***** der Klägerin war aufgrund seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und der bei der bedingten Entlassung daraus erfolgten Weisung der Wohnungsnahme in diesem Heim der Klägerin entgegen der im Gebiet der beklagten Partei üblichen Vorgangsweise nicht vorab mit der Beklagten abgestimmt worden.

Die Klägerin begehrt 22.804,67 EUR sA. Die beklagte Partei lehne trotz der letztinstanzlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Versagung einer Kostenübernahme durch den Bund und der Instruktion des Landes Tirol immer noch unter Hinweis auf die Kostentragungspflicht des Bundes willkürlich und geradezu schikanös eine Kostenübernahme ab. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus der gleichheitswidrigen und diskriminierenden, in Wahrheit sogar willkürlichen Leistungsverweigerung aus einem die beklagte Partei bindenden Selbstbindungsgesetz (TGSG) im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. A***** L***** habe von der Geburt an in der Gemeinde der beklagten Partei gewohnt. Er habe abgesehen von der Pension kein sonstiges Einkommen oder Vermögen gehabt. Daher habe er sich in einer Notlage befunden, weil er nicht zur Bezahlung der Kosten der Unterbringung im Heim V***** aus eigenen Mitteln in der Lage gewesen sei. Folglich lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs 3 TGSG vor.

Die Bestreitung der Passivlegitimation durch die beklagte Partei sei unberechtigt und wider besseres Wissen erfolgt. Wegen der Zahlungsverweigerung müsse die Klägerin den ihr zustehenden Verwendungsanspruch klagsweise geltend machen.

Die beklagte Partei stellte außer Streit, dass sich A***** L***** in einer besonderen Lebenslage im Sinne des § 1 Abs 3 lit b TGSG befunden habe. Im Übrigen wurde jedoch das Klagebegehren bestritten. A***** L***** sei in das Heim der Klägerin nicht zugewiesen worden, weil er alt, sondern weil er pflegebedürftig gewesen sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er im klagsgegenständlichen Zeitraum nur Pflegegeld der Stufe 2 bezogen habe. Die Weisung des Landesgerichts Innsbruck sei nicht nur mit der Distanz zu Osttirol, sondern auch mit der Betreuung und spezifischen Pflegeleistung, die er dort genießen würde, begründet worden. Hintergrund der Bestimmung des § 7 Abs 14 TGSG sei auch, dass die Gemeinden üblicherweise jene Wohn- und Pflegeheime betreiben und dafür die Kosten tragen würden, in denen gewöhnlich alte Menschen versorgt werden könnten und sollten. Besondere Einrichtungen, die über das gewöhnliche Maß der Versorgung hinausgehen würden, wären einer höheren Ebene in der Reihe der Gebietskörperschaften zu- bzw untergeordnet. Daher sei die Passivlegitimation der beklagten Partei nicht gegeben; die Klägerin müsse sich mit ihren Forderungen vielmehr an das Land Tirol wenden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Im Hinblick auf das A***** L***** gewährte Pflegegeld der Stufe 2 hätten die Bestimmungen des TGSG über die Hilfe für alte Personen zur Anwendung zu gelangen. Daraus ergebe sich die Zuständigkeit der beklagten Partei. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, dass die Hilfeleistung nach den Bestimmungen des TGSG A***** L***** verweigert werde, liege nicht vor. Der Umstand, dass er aufgrund strafgerichtlicher Weisung zur Wohnungsnahme im Heim V***** verpflichtet und nicht - wie es seinem Wunsch entsprochen hätte - in einem Heim in Osttirol gepflegt und betreut werden konnte, könne ihm schon deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil ihm die Tat vom 30. 8. 2004 nicht vorgeworfen werden könne. Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei keine Strafe, sondern eine vorbeugende Maßnahme zur Hintanhaltung der Gefährlichkeit des Betroffenen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach § 15 Abs 5 TGSG seien die Kosten der Hilfe für alte Personen, die in einem Pflege-, Wohn- oder Altenheim, in einer Anstalt oder gleichartigen Einrichtungen untergebracht sind, zunächst zur Gänze von der Gemeinde zu tragen, in deren Gebiet sich die Einrichtung befindet (Standortgemeinde), wenn Träger dieser Einrichtung eine Gemeinde oder Gemeindeverband ist. Für Personen, deren Notlage - wie im vorliegenden Fall - feststehe, seien der Standortgemeinde die Kosten in der Weise zu ersetzen, dass davon die Gemeinde, in der der Hilfesuchende vor der Unterbringung in der betreffenden Einrichtung seinen Hauptwohnsitz hatte, 35 % und das Land Tirol 65 % zu leisten habe. Daher wären die Kosten der Unterbringung im Heim V***** zunächst von der Beklagten zu tragen gewesen.

Eine Betreuung außerhalb einer Anstalt bzw in einer Anstalt in Osttirol käme bei A***** L***** aufgrund seiner psychischen Situation nicht in Betracht. Die mangelnde Einbindung der beklagten Partei vor der Unterbringung sei kein sachlich gerechtfertigter Grund dafür, A***** L***** grundsätzlich Hilfe für alte Personen nach den Bestimmungen des TGSG zu verweigern.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, im Hinblick auf die nahezu inhaltsgleiche Kostentragungsregelung des § 21 Abs 2 TGSG mit der im vorliegenden Rechtsstreit noch anzuwendenden Kostentragungsregelung des § 15 Abs 5 TGSG könne der zu beurteilenden Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1.1. Für die Verneinung der Leistungspflicht eines staatlichen Rechtsträgers genügt der Hinweis auf die Regelung über den Mangel eines Rechtsanspruchs auf Leistung in einem Selbstbindungsgesetz nicht. Vielmehr besteht ein klagbarer Anspruch gegen die auf Grundlage eines Selbstbindungsgesetzes leistungspflichtige Gebiets-körperschaft, soweit ein solcher Anspruch nicht mangels Erfüllung der im Selbstbindungsgesetz normierten Leistungsvoraussetzungen oder in Ermangelung solcher Vorschriften deshalb ausscheidet, weil die Leistungsverweigerung in einem bestimmten Einzelfall dem Gleichbehandlungsgebot bzw dem Diskriminierungsverbot aus besonderen Gründen nicht widerspricht (RIS-Justiz RS0117458).

1.2. Zur Fiskalgeltung der Grundrechte und zum Gleichbehandlungsgrundsatz im Zusammenhang mit Sozialleistungen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine Sozialleistung zusammengefasst nur dann verweigert werden darf, wenn das durch besondere sachliche, am Gesetzeszweck orientierte Gründe gerechtfertigt ist (1 Ob 272/02k). Da Zweck der Grundsicherung ist, Personen, die sich in einer Notlage befinden, durch öffentliche Hilfe die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen (vgl § 1 TGSG), stellt allein der von der Revision angeführte Grund, dass der Betroffene diese Hilfe aufgrund einer gerichtlichen Weisung an einem bestimmten Ort außerhalb der Gemeinde in Anspruch nehmen muss, keinen ausreichenden Grund dar, ihn von der Gewährung der Grundsicherung völlig auszuschließen.

2. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass A***** L***** grundsätzlich im relevanten Zeitraum Grundsicherung nach dem TGSG zu gewähren war. Die Vorinstanzen haben die zustehende Art der Grundsicherung unter Heranziehung des § 2 Abs 2 Tiroler Grundsicherungsverordnung (TGSV) unter „Hilfe für alte Personen“ nach § 7 Abs 7 TGSG eingeordnet.

3.1. Die klagende Partei macht einen Anspruch nach § 1042 ABGB geltend. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Begehren nach § 1042 ABGB auch dann im Rechtsweg geltend zu machen, wenn die gesetzliche Verpflichtung des Beklagten zu dem Aufwand öffentlich-rechtlicher Natur ist (RIS-Justiz RS0019882). Daran hat der Oberste Gerichtshof unter Auseinandersetzung mit Lehrmeinungen zumindest für die Fälle festgehalten, in denen weder eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit noch die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs nach Art 137 B-VG besteht und somit die Rechtsordnung keinen anderen Weg eröffnet, eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung wie die behauptete rückgängig zu machen (1 Ob 195/10y).

3.2. Nach § 1042 ABGB ist der Aufwand zu ersetzen, den ein anderer nach dem Gesetz hätte machen müssen. Nur soweit die Pflicht des anderen reicht, kann Ersatz gefordert werden (RIS-Justiz RS0104142 [T9]). Mittels Klage nach § 1042 ABGB kann nicht nur Ersatz des Aufwands, zu dem ein anderer aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift, sondern aus welchem Grund immer, verpflichtet war, gefordert werden (RIS-Justiz RS0028060). Das in § 1042 ABGB gebrauchte Wort „Aufwand“ umfasst auch den „Arbeitsaufwand“ zur Pflege und Wartung eines Kranken (RIS-Justiz RS0019898). Schuldner nach § 1042 ABGB ist, wer aus welchem Rechtsgrund immer zur Leistung verpflichtet war und sich diese - endgültig oder vorläufig - erspart (RIS-Justiz RS0128594).

4.1. Daher ist im vorliegenden Fall im Sinne der zu 3.1. dargestellten Judikatur zunächst die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs zu prüfen.

Nach Ballon ist für die Zulässigkeit des Rechtswegs im Zusammenhang mit der Sozialhilfe zu differenzieren (Ballon in Fasching² § 1 JN Rz 125). Die Entscheidungskompetenz für Streitigkeiten über Ersatzansprüche des Sozialhilfeträgers gegen den Ersatzpflichtigen sei, wenn die Hilfe aufgrund eines Rechtsanspruchs (also im Verwaltungsweg) gewährt wurde, in den einzelnen Sozialhilfegesetzen der Länder unterschiedlich geregelt. So sei in der Steiermark die Entscheidung über alle diese Ersatzansprüche im Verwaltungsweg auszutragen, in Salzburg und Kärnten hingegen im Gerichtsweg; in den anderen Ländern seien bestimmte Ersatzansprüche den Verwaltungsbehörden, andere den Gerichten zugewiesen (Ballon aaO unter Hinweis auf Pfeil, Sozialhilferecht 531). Die Entscheidungskompetenz für Streitigkeiten über Ersatzansprüche des Sozialhilfeträgers gegen den Ersatzpflichtigen liege, wenn die Hilfe ohne Rechtsanspruch (also im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung) gewährt wurde, bei den ordentlichen Gerichten (Ballon aaO; Pfeil, Sozialhilferecht 551).

4.2. Unterhaltsansprüche gegen Angehörige und sonstige Rechtsansprüche des Sozialhilfeempfängers gegen Dritte gingen für die Dauer der Sozialhilfe auf den Sozialhilfeträger über, sobald dieser dem Dritten gegenüber schriftlich Anzeige erstattet. Streitigkeiten über derartige Ersatzansprüche des Sozialhilfeträgers gegenüber den Angehörigen oder anderen Dritten seien vor den ordentlichen Gerichten auszutragen (Ballon aaO mwN). Hingegen seien Ersatzansprüche Dritter, die eine dem Sozialhilfeträger obliegende Leistung erbracht habe, gegen den Sozialhilfeträger nach allen Sozialhilfegesetzen im Verwaltungsweg auszutragen (Pfeil, Sozialhilferecht 543; Ballon aaO).

4.3. In der Entscheidung 4 Ob 282/04f hatte der Oberste Gerichtshof Ansprüche des Betreibers des Pflegeheims, in dem sich eine Sozialhilfeempfängerin als Pflegebefohlene aufhält, gegen den Sozialhilfeträger zu beurteilen, der sich bescheidmäßig zur Kostentragung verpflichtet hatte. Für diese Konstellation bejahte der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des Rechtswegs nach Steirischem Landesrecht, weil es sich bei der Entscheidung über diese Ansprüche nicht eindeutig um „behördliche Angelegenheiten der Sozialhilfe“ im Sinne des § 35 Abs 1 Steiermärkisches SHG handle. Diese Auffassung kann jedoch wegen der abweichenden Regelung im - auf den vorliegenden Fall noch anzuwendenden - TGSG Tir LGBl 2006/20 nicht ohne weiteres auf Tirol übertragen werden.

5.1. Nach § 1 Abs 1 TGSG ist die Grundsicherung die öffentliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens. Nach § 2 Abs 7 TGSG besteht auf Leistung in der Grundsicherung, die das Land Tirol, die Gemeinden und der Grundsicherungsfonds als Träger von Privatrechten zu erbringen haben, kein Rechtsanspruch.

5.2. Die Grundsicherung umfasst nach § 5 TGSG die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts, die Hilfe in besonderen Lebenslagen (§ 5 lit b TGSG), die Übernahme der Bestattungskosten und die Hilfe zur Arbeit.

Die Hilfe in besonderen Lebenslagen umfasst unter anderem die Hilfe für alte Personen (§ 7 Abs 1 lit g TGSG). Diese umfasst Maßnahmen zur Überwindung altersbedingter Schwierigkeiten (§ 7 Abs 7 TGSG).

5.3. Über die Gewährung der Krankenhilfe, der Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen und der Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung ist im Verwaltungsweg zu entscheiden, soweit in § 4 Abs 3 TGSG nichts anderes bestimmt ist (§ 7 Abs 12 TGSG). Die Gewährung der Hilfe für pflegebedürftige Personen, der vorbeugenden Gesundheitshilfe und der persönlichen Hilfe sowie die Erstellung eines Hilfeplans obliegen dem Land Tirol als Träger von Privatrechten (§ 7 Abs 12 Satz 2 TGSG). Die Gewährung der Hilfe für alte Personen und der Familienhilfe obliegt demgegenüber den Gemeinden als Träger von Privatrechten (§ 7 Abs 14 TGSG).

5.4. Der mit „Kostentragung“ überschriebene III. Abschnitt des TGSG regelt den Kostenersatz durch den Empfänger der Grundsicherung (§ 10 TGSG), den Kostenersatz durch Unterhaltspflichtige (§ 11 TGSG), die Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 12 TGSG), den Übergang von Rechtsansprüchen (§ 13 TGSG), Ersatzansprüche Dritter (§ 14 TGSG) und die Kostentragungspflicht im Allgemeinen (§ 15 TGSG).

5.5. Nach § 12 TGSG können Ersatzansprüche nach §§ 10 und 11 TGSG nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Grundsicherung gewährt worden ist, mehr als drei Jahre vergangen sind (§ 12 Abs 1 TGSG). Über den Ersatz der Kosten für Leistungen nach unter anderem § 7 Abs 1 lit b TGSG ist im Verwaltungsweg zu entscheiden (§ 12 Abs 2 TGSG). Im Übrigen sind zur Entscheidung über den Kostenersatz die ordentlichen Gerichte zuständig (§ 12 Abs 2 letzter Satz TGSG).

5.6. Die mit „Ersatzansprüche Dritter“ überschriebene Regelung des § 14 TGSG sieht vor, dass wenn einem Hilfesuchenden eine der Grundsicherung entsprechende Hilfe so dringend gewährt werden musste, dass das für die Gewährung der betreffenden Leistung der Grundsicherung zuständige Organ nicht vorher benachrichtigt werden konnte, demjenigen, der die Hilfe geleistet hat, die Kosten hierfür zu ersetzen sind (§ 14 Abs 1 TGSG). Zu ersetzen sind jedoch nur die Kosten, die innerhalb von sechs Monaten vor ihrer Geltendmachung entstanden sind. Nach diesem Zeitpunkt entstandene Kosten sind nur insoweit zu ersetzen, als sie noch vor der Entscheidung über die Gewährung der Grundsicherung aufgewendet wurden (§ 14 Abs 2 TGSG). Über den Ersatz der Kosten nach § 14 Abs 1 TGSG ist im Verwaltungsweg zu entscheiden (§ 14 Abs 4 TGSG).

5.7. Nach § 15 Abs 3 TGSG hat das Land Tirol unbeschadet der Abs 4, 5 und 7 leg cit die Kosten der Grundsicherung, die nicht durch Leistungen aufgrund der §§ 10, 11, 13 und 23 oder der Vorschriften im Sinne des § 29 TGSG oder durch sonstige für Zwecke der Grundsicherung oder der öffentlichen Fürsorge bestimmte Zuflüsse gedeckt sind, zu tragen.

5.8. Demgegenüber haben die Gemeinden nach § 15 Abs 4 TGSG die Kosten der Errichtung, der Erweiterung, der Generalsanierung und des Umbaus ihrer Pflege-, Wohn- oder Altenheime, Anstalten oder gleichartigen Einrichtungen, die Kosten der Förderung solcher Einrichtungen, die Kosten der Familienhilfe und die Kosten ihrer Förderungstätigkeit nach § 27 Abs 3 TGSG selbst zu tragen. Die Gemeinden haben weiters dem Land Tirol jährlich 35 % der nach § 15 Abs 3 TGSG zu tragenden Kosten zu ersetzen, wobei dieser Betrag von der Landesregierung nach einem im Einzelnen näher ausgeführten Schlüssel auf die Gemeinden aufzuteilen ist.

5.9. Die Kosten der Hilfe für alte Personen, die in einer der in § 15 Abs 4 erster Satz TGSG genannten Einrichtungen untergebracht sind, hat, wenn Träger dieser Einrichtung eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband ist, zunächst zur Gänze die Gemeinde zu tragen, in deren Gebiet sich die Einrichtung befindet (Standortgemeinde). Für Personen, deren Notlage im Sinn des § 1 Abs 3 TGSG aufgrund eines nach diesem Gesetz durchgeführten Verfahrens feststeht, sind der Standortgemeinde die Kosten in der Weise zu ersetzen, dass davon die Gemeinde, in der der Hilfesuchende vor der Unterbringung in der betreffenden Einrichtung seinen Hauptwohnsitz hatte, 35 % und das Land Tirol 65 % zu leisten hat.

5.10. Der IV. Abschnitt des TGSG ist mit „Organisatorische Bestimmungen“ überschrieben. Nach § 16 TGSG („Zuständigkeit“) obliegt die Zuerkennung der vom Land Tirol zu gewährenden Leistungen der Grundsicherung, über die im Verwaltungsweg zu entscheiden ist, den Bezirksverwaltungsbehörden. Die Zuerkennung der vom Land Tirol als Träger von Privatrechten zu gewährenden Leistungen der Grundsicherung obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden, hingegen die Gewährung der Hilfe für pflegebedürftige Personen der Landesregierung (§ 16 Abs 2 und 3 TGSG). § 16 Abs 5 TGSG enthält sodann nähere Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden.

5.11. Der V. Abschnitt des TGSG enthält Verfahrensbestimmungen. Nach § 19 TGSG sind Anträge auf Gewährung von Grundsicherung bei der Gemeinde, in der der Hilfesuchende seinen Hauptwohnsitz hat, oder, mangels eines solchen, bei der Gemeinde, in der sich der Hilfesuchende aufhält, oder unmittelbar bei dem für die Gewährung der betreffenden Leistung der Grundsicherung zuständigen Organ einzubringen. Die Gemeinde hat die bei ihr eingebrachten Anträge mit ihrer Stellungnahme unverzüglich an das für die Gewährung der betreffenden Leistung der Grundsicherung zuständige Organ weiterzuleiten (§ 19 Abs 2 TGSG).

5.12. Die Gemeinden sind ausdrücklich zur Entgegennahme von Anträgen, zur Durchführung von Erhebungen und zur Mitwirkung bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung verpflichtet (§ 24 TGSG).

5.13. Aus § 19 Abs 1 TGSG, der nur die Einbringung von Anträgen regelt, ist für die Passivlegitimation der beklagten Partei nichts unmittelbar abzuleiten. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist auch § 15 Abs 5 TGSG nicht einschlägig. Einerseits ist Träger der Einrichtung der klagenden Partei gerade nicht eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband; andererseits ist die beklagte Partei nicht Standortgemeinde im Sinne des § 15 Abs 5 TGSG. Die weiteren Regelungen des § 15 Abs 5 TGSG für Personen, deren Notlage im Sinne des § 1 Abs 3 TGSG aufgrund eines nach diesem Gesetz durchgeführten Verfahrens feststeht, betreffen nur das Innenverhältnis zwischen Wohnsitzgemeinde und Standortgemeinde.

5.14. § 15 Abs 4 TGSG regelt nur die allgemeine Kostentragung, nicht aber die zivilrechtliche Passivlegitimation für Ansprüche des jeweils Betroffenen.

6.1. Die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs kann im vorliegenden Fall jedoch nicht von den ordentlichen Gerichten überprüft werden. § 14 Abs 4 TGSG sieht nämlich unterschiedslos für alle Arten der Grundsicherung, also auch für eine solche, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt wird, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Verwaltungsweg vor. Dies entspricht auch der Regelung in den meisten anderen Bundesländern (vgl Pfeil aaO).

6.2. Bei § 14 Abs 4 TGSG handelt es sich - wie aus dem dargestellten Gesamtzusammenhang der Regelung deutlich wird - um eine abschließende Regelung der Geltendmachung aller Ersatzansprüche Dritter. Insoweit besteht daher für die Inanspruchnahme des ordentlichen Rechtswegs kein Raum. Im Gegensatz zu § 14 TGSG LGBl 2006/21 enthält diese Bestimmung keine Einschränkung auf Kosten der Behandlung durch einen niedergelassenen Arzt oder einer Krankenanstalt.

6.3. Damit erweist sich aber die vorliegende Klage als unzulässig. Aus diesem Grund waren die Entscheidungen der Vorinstanzen wegen Nichtigkeit aufzuheben, das Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO. In Hinblick auf die unübersichtliche landesgesetzliche Regelung kann die Einleitung bzw Fortsetzung des Verfahrens der klagenden Partei nicht als Verschulden zugerechnet werden (§ 51 Abs 1 ZPO).

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