OGH 4Ob160/13b

OGH4Ob160/13b22.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen H***** P*****, geboren am *****, im Erbrechtsstreit der Antragsteller 1. H***** P*****, 2. M***** P*****, 3. B***** P*****, 4. F***** S*****, 5. N***** P*****, alle vertreten durch Kopp‑Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wider die Antragsgegnerin Mag. I***** S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 17. Juli 2013, GZ 21 R 123/13d‑185, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00160.13B.1022.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Im außerstreitigen Verfahren sind Neuerungen nicht uneingeschränkt zulässig. So ist nach ständiger Rechtsprechung Vorbringen, das in erster Instanz bereits möglich war, im Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0110773). Eine Änderung der rechtlichen Argumentation beziehungsweise die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunktes bei der rechtlichen Beurteilung ist im Rechtsmittelverfahren zulässig, sofern die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden (RIS‑Justiz RS0016473 [T12]). Der Rechtsmittelwerber hat die Zulässigkeit der Neuerungen zu behaupten und schlüssig darzulegen, dass es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung handelt. „Schlichtes Vergessen“ und eine fehlende Anleitung durch das Erstgericht sind keine entschuldbaren Fehlleistungen (RIS‑Justiz RS0120290 [T1]; RS0110773 [T6]; RS0079200 [T2]).

1.2. Allgemein gilt, dass die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Prüfung des Sachverhalts dort endet, wo ein Vorbringen der Parteien (wegen des Neuerungsverbots: in erster Instanz) überhaupt nicht vorliegt oder trotz richterlicher Anleitung nicht so konkretisiert wird, dass eine Überprüfung möglich ist. Die Parteien trifft in diesem Sinn zwar keine förmliche Beweislast, aber doch eine qualifizierte Behauptungspflicht (RIS‑Justiz RS0083783). Die im außerstreitigen Verfahren geltende Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung findet eine natürliche Grenze, sobald Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit fehlen. Nur wenn eine Partei das Vorliegen einer ihr günstigen Tatsache überhaupt nicht geltend macht, kann das Gericht davon ausgehen, dass der Sachverhalt in dieser Richtung nicht weiter erforscht werden muss (RIS‑Justiz RS0029344).

1.3. Für das Verlassenschaftsverfahren enthält § 161 Abs 1 AußStrG eine wesentliche Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 16 AußStrG. Danach hat das Gericht das Erbrecht der Berechtigten nur „im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote“ festzustellen (vgl Rechberger, AußStrG² § 161 Rz 7; Fucik/Kloiber, AußStrG § 161 Rz 3).

2.1. Das Rekursgericht ist bei seiner Entscheidung von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Die Antragsteller haben im Verfahren erster Instanz kein Vorbringen zur Form‑Ungültigkeit des Testiervorgangs oder zum fehlenden Testierwillen des Erblassers erstattet. Sie haben wohl die Testierfähigkeit des Erblassers bestritten sowie die Erbunwürdigkeit der Antragsgegnerin behauptet, nicht aber einen Formmangel wegen Fehlens der Bekräftigung („nuncupatio“) durch den Erblasser geltend gemacht. Unter diesen Umständen ist die Beurteilung des Rekursgerichts, das Erstgericht sei nicht verpflichtet gewesen, den formalen Ablauf des Testiervorgangs amtswegig zu prüfen, im Hinblick auf die Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes in § 161 Abs 1 AußStrG nicht zu beanstanden.

2.2. Auf die in der Zulassungsbeschwerde breit ausgeführte Frage, ob das Testament dem Formerfordernis des § 579 ABGB genügt, wonach der Erblasser bekräftigen muss, dass die von den Zeugen zu unterfertigende Urkunde sein letzter Wille sei („nuncupatio“), kommt es damit nicht weiter an.

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