OGH 12Os103/13h

OGH12Os103/13h17.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christine F***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, AZ 8 U 93/92 des Bezirksgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 29. Mai 1992, GZ 8 U 93/92‑15, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck erstattete am 18. Dezember 1991 Strafanzeige gegen Christine F***** (geborene V*****) wegen des Verdachts der Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber ihrem am 20. September 1978 geborenen Sohn Roland V***** (ON 2). Diese Anzeige war Grundlage für den am 30. Dezember 1991 vom öffentlichen Ankläger beim Bezirksgericht Innsbruck zu AZ 8 U 983/91 formlos am Antrags- und Verfügungsbogen gestellten, keine nähere Bezeichnung des Tatzeitraums (der allerdings zwangsläufig mit dem Tag der Anklageerhebung endet) enthaltenden Antrag auf „Bestrafung der Christine Luise V***** wegen Vergehens nach § 198 Abs 1 StGB“ (ON 1 S 1). Nach Vernehmung der Beschuldigten im Rechtshilfeweg durch die Kantonspolizei Zürich am 6. März 1992 (ON 8 S 37 ff) wurde die Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Innsbruck für 29. Mai 1992 anberaumt. Die persönlich zur Hauptverhandlung geladene (ON 12 S 83) Angeklagte erklärte schriftlich, der Ladung nicht Folge leisten zu wollen (ON 11).

In der in der Folge am 29. Mai 1992 gemäß § 459 StPO in der Fassung BGBl 1975/631 in Abwesenheit durchgeführten Hauptverhandlung dehnte der öffentliche Ankläger den Strafantrag auf eine Deliktszeit bis 6. März 1992 aus (ON 14 S 91).

Mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. Mai 1992, GZ 8 U 93/92‑15, wurde Christine F***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Danach hat sie ihre im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Roland V*****, geboren am 20. September 1978, in der Zeit von Jänner 1986 bis einschließlich 6. März 1992 durch Nichtbezahlung des Unterhalts gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Eine Urteilsausfertigung wurde der Angeklagten samt Rechtsmittelbelehrung am 26. Juni 1992 zugestellt (ON 16 S 109). Das Urteil erwuchs ‑ unangefochten ‑ in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt die Generalprokuratur aus:

Gemäß § 451 Abs 1 zweiter Satz StPO in der Fassung BGBl 1987/605 genügte für einen Strafantrag die unzweideutige Erklärung des öffentlichen Anklägers, die gerichtliche Bestrafung des Beschuldigten wegen einer bestimmten strafbaren Handlung zu verlangen (RIS‑Justiz RS0101646). Der hier gestellte Antrag bezog sich auf das gegenständlich der Anzeige zu entnehmende tatverdächtige Verhalten bis zum Zeitpunkt dieser Erklärung (RIS‑Justiz RS0101674), weil künftige präsumtive Deliktsakte nicht Gegenstand einer Anklage sein können (15 Os 94/91).

Die Angeklagte hatte ‑ ungeachtet der einen Tatzeitraum bis einschließlich Ende Jänner 1992 umfassenden (ON 6 S 15; ON 8 S 25 und S 37) Vernehmung am 6. März 1992 ‑ im Verfahren niemals Gelegenheit, zum erweiterten Vorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht bis 6. März 1992 Stellung zu nehmen (Jerabek, WK‑StPO § 427 Rz 12; 12 Os 129/06x; RIS‑Justiz RS0099130, RS0111828), wodurch das Gesetz in dem in § 451 Abs 1 letzter Satzteil StPO in der Fassung BGBl 1987/605 und weiters in §§ 454 und 459 StPO in der Fassung BGBl 1975/631 zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art 6 EMRK verletzt wurde.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

§ 198 StGB ist ein Dauerdelikt, wobei bei zusammenhängenden Tatzeiträumen materiell wie prozessual jeweils ein und dieselbe Tat vorliegt (tatbestandliche Handlungseinheit; 15 Os 37/13z, 15 Os 38/13x; RIS‑Justiz RS0128941; vgl Ratz, WK-StPO, § 281 Rz 513). Somit bedarf es nach Einbringen des Strafantrags oder der Anklageschrift keiner Ausdehnung im Sinn des § 263 Abs 1 StPO, weil mit Rechtswirksamkeit des Verfolgungsantrags sämtliche aufeinanderfolgenden Zeiträume, mögen diese auch nach dem Zeitpunkt der Erhebung des Verfolgungsantrags, also in der Zukunft liegen, bei Vorliegen aller weiteren Deliktsmerkmale des § 198 StGB davon erfasst sind.

Weil die Verurteilte zum Vorwurf der mit Strafantrag vom 30. Dezember 1991 vorgeworfenen Unterhaltspflichtverletzung am 6. März 1992 vernommen worden ist, weswegen sie in Kenntnis der ihr letztlich (insgesamt) angelasteten Deliktszeit war, zu der sie auch Stellung nehmen konnte, liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Daher war die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verwerfen.

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