Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 3.Mai 1991, GZ 7 U 27/91-13, verletzt insoweit, als Erwin M***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB auch für den Tatzeitraum ab 8.Oktober 1990 bis zur Urteilsfällung schuldig erkannt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 267 iVm § 447 StPO.
Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruches und im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und es wird die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch an das Bezirksgericht Steyr verwiesen.
Text
Gründe:
Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land erstattete am 28. September 1990 gegen Erwin M***** Strafanzeige wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB, weil er seit seiner letzten Verurteilung am 2. Oktober 1989 (zum AZ 7 U 17/89 des Bezirksgerichtes Steyr) seiner Unterhaltspflicht gegenüber der minderjährigen Denise B***** freiwillig nicht nachkomme (S 3 ff). Diese Anzeige, die am 1. Oktober 1990 bei Gericht einlangte, war Grundlage des vom öffentlichen Ankläger am 8.Oktober 1990 gestellten Antrages auf Bestrafung des Erwin M***** wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB (S 1).
Nach Vorerhebungen und einem Delegierungsverfahren wurde über den Bestrafungsantrag eine Hauptverhandlung für den 3.Mai 1991 vor dem Bezirksgericht Steyr anberaumt. Da der Beschuldigte der Vorladung zu dieser Hauptverhandlung nicht Folge leistete, wurde gemäß § 459 StPO das Verfahren in seiner Abwesenheit durchgeführt. Im Anschluß an die Beweisaufnahme beantragte der Bezirksanwalt "den Schuldspruch des Beschuldigten Erwin M***** (S 27). Danach erkannte das Bezirksgericht den abwesenden Beschuldigten des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig und verhängte über ihn eine Freiheitsstrafe. Laut dem Urteilsspruch hat der Beschuldigte "in Steyr und anderen Orten des Bundesgebietes als außerehelicher Vater des von Manuela B***** am 5.Dezember 1985 geborenen Kindes Denise B***** dadurch, daß er seit der letzten Verurteilung durch das Bezirksgericht Steyr vom 2.Oktober 1989 zu 7 U 17/89, entgegen der mit Erklärung vor dem Magistrat Steyr vom 19. Februar 1986 übernommenen Verpflichtung, monatlich S 1.500,-- an Unterhalt ab Geburt des Kindes zu leisten, keine einzige freiwillige Zahlung leistete, sodaß per Mai 1991 ein Rückstand von S 41.904,-- entstanden ist, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt des Kindes ohne Hilfe von anderer Seite im Wege des Unterhaltsvorschusses gefährdet wäre" (ON 13).
Demgemäß erstreckte sich der Schuldspruch in zeitlicher Beziehung auf die Unterhaltspflichtverletzungen ab 3.Oktober 1989 bis zum gegenständlichen Urteil und somit bei Zeitraumbezeichnung in vollen Tagen bis zum Ablauf des 2.Mai 1991.
Rechtliche Beurteilung
Das in Rechtskraft erwachsene Urteil steht in Ansehung jenes Teiles des Urteilsspruches, der Tathandlungen seit dem 8. Oktober 1990 (das ist der Tag des schriftlichen Strafantrages) erfaßt, mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil insoweit keine Anklage vorlag.
Das schriftliche Verlangen des Bezirksanwaltes vom 8.Oktober 1990 auf Bestrafung des Erwin M***** wegen der laut Strafanzeige seit der letzten Verurteilung am 2.Oktober 1989 verübten Unterhaltspflichtverletzung umfaßte das deliktische Verhalten des Beschuldigten in der Zeit vom 3.Oktober 1989 bis zu dieser Antragstellung. Künftige präsumtive Deliktsakte können nämlich nicht Gegenstand einer Anklage sein (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr 38 zu § 262). Eine ausdrückliche Erweiterung des Bestrafungsantrages auf spätere Deliktshandlungen ist nach der Aktenlage nicht erfolgt. Dem Antrag des Bezirksanwaltes in der Hauptverhandlung, lautend auf "den Schuldspruch" des Beschuldigten, läßt sich keine derartige ausdehnende Bedeutung entnehmen, es ist vielmehr davon auszugehen, daß es sich dabei um eine (sinngemäße) Bezugnahme auf den schriftlichen Strafantrag handelte.
Der Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht auch für die Zeit vom 8.Oktober 1990 bis zum 2. Mai 1991 erfaßte somit Tathandlungen, auf welche die Anklage weder ursprünglich gerichtet war, noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde, weshalb er gegen den Anklagegrundsatz nach §§ 267, 447 StPO verstieß. Die fehlerhafte Gesetzesanwendung hat sich zum Nachteil des Beschuldigten ausgewirkt, weshalb der betroffene Teil des Schuldspruches durch Aufhebung zu beseitigen war, ohne daß ein gesonderter Freispruch zu erfolgen hatte (SSt 53/17, EvBl 1979/211).
Es erübrigt sich damit auch ein Eingehen auf die in der Nichtigkeitsbeschwerde (überdies) erörterte, vorliegend indes hypothetische Frage nach einer weiteren Gesetzwidrigkeit infolge Durchführung eines Abwesenheitsverfahrens für den Fall einer Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung.
Bei der für den verbleibenden Teil des Schuldspruches erforderlichen Strafneubemessung wird das Bezirksgericht Steyr auf nach seinem Urteil vom 3.Mai 1991 entstandene Strafbemessungsumstände (ON 18 und 20) Bedacht zu nehmen haben.
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