OGH 15Os106/13x

OGH15Os106/13x2.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas P***** wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 23. Mai 2013, GZ 27 Hv 151/12k-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde Andreas P***** der Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach hat er sich in S***** und andernorts - zusammengefasst wiedergegeben - auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er, seine nationalsozialistische Gesinnung bekräftigend und den Nationalsozialismus verherrlichend,

I./ zwischen 1. März 2010 und 1. Juni 2010 bei Zusammenkünften in der Wohnung des Sebastian F***** mehrmals „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“ rief sowie „auf den Führer“ anstieß;

II./ im Juli 2011 eine CD mit mehreren, im Spruch des Urteils wiedergegebenen fremdenfeindlichen, verhetzenden und NS-propagandistischen Musikstücken mit dem Vorsatz der Verbreitung des darin zum Ausdruck gebrachten nationalsozialistischen Gedankenguts an Patrick L***** weitergab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Die gesetzmäßige Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt die deutliche und bestimmte Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen (RIS-Justiz RS0119417). Abweichungen vom - allein entscheidenden - Inhalt des Wahrspruchs bei dessen Wiedergabe im Urteil, wie die kritisierte Ergänzung („... indem er jeweils seine nationalsozialistische Gesinnung bekräftigend und den Nationalsozialismus verherrlichend ...“) haben keine Nichtigkeitsbedeutung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613).

Die Anfechtung des Urteils eines Geschworenengerichts mittels Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 11 und 12 StPO) setzt einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen und damit festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraus. Dabei muss an den durch den Wahrspruch festgestellten Tatsachen festgehalten und aus dem Wahrspruch selbst ein Rechtsirrtum nachgewiesen werden, wobei ein Rückgriff auf im Wahrspruch nicht festgestellte (angebliche) Ergebnisse des Beweisverfahrens ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0101089, RS0101485, RS0101527).

Soweit die Rüge einen Tatvorsatz in Abrede stellt, nimmt sie nicht am Wahrspruch Maß, der die erforderliche subjektive Tatseite unmissverständlich zum Ausdruck bringt, weil zufolge § 7 Abs 1 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt (RIS-Justiz RS0089093, RS0113270).

Indem der Beschwerdeführer auch im Rahmen der Rechtsrüge (Z 11 lit a) den Bedeutungsinhalt isoliert herausgegriffener Teile eigenständig interpretiert und davon ausgehend die Tatbildlichkeit dieser Textpassagen verneint, verfehlt er den in den festgestellten Tatsachen des gesamten Wahrspruchs der Geschworenen gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt dieses materiellen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0101476).

Der Einwand, der verfahrensgegenständliche Sachverhalt sei nicht geeignet, eine Betätigung im nationalsozialistischen Sinn darzustellen, übersieht, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ (einschließlich des Bedeutungsinhalts einer Äußerung, Handlung oder Textstelle) auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese die Schuldfrage, ist davon auszugehen, dass sie eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund derer das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht, sodass (auch) dessen Bejahung einer Anfechtung mit Rechts- oder Subsumtionsrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK² VG § 3g Rz 17).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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