OGH 9ObA29/13z

OGH9ObA29/13z27.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Kallab und Dr. Rolf Gleißner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. W***** H*****, vertreten durch Dr. Clemens Gärner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Engelbrecht und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 4.868,07 EUR sA und Feststellung (Streitwert 43.600 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Dezember 2012, GZ 11 Ra 96/12k-18, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. September 2012, GZ 31 Cga 75/11b-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.994,04 EUR (darin enthalten 332,34 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger nach dem Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Austrian Airlines Österreichische Luftverkehrs AG vom 23. 7. 1987 idF 1. 1. 1997 unter Berücksichtigung des Kollektivvertrags für das Bordpersonal der Austrian Airlines AG und Lauda AG vom 1. 8. 2008 keinen Anspruch auf ein Vorrückungsdatum 1. 8. jedes Jahres habe und auch die für das Jahr 2008 ausgesetzte Indexanpassung im Hinblick auf die im Jahr 2009 mit Kollektivvertrag vorgenommene Regelung der Lohnerhöhung von 1,2 % nicht nachzuholen sei bzw eine Nachzahlung nicht zu erfolgen habe, ist zutreffend. Es kann daher auf dessen in Übereinstimmung mit dem Erstgericht vorgenommene Begründung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Klägers Folgendes entgegenzuhalten:

Dem Kläger ist zuzubilligen, dass die hier maßgeblichen Auslegungsfragen zum Kollektivvertrag erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellen (RIS-Justiz RS0109942 ua).

Richtig ist auch, dass die Auslegung der Kollektivverträge so wie Gesetze, also grundsätzlich nach nach dem objektiven Wortsinn im Zusammenhang mit den übrigen Regeln und der ersichtlichen Absicht der Kollektivvertragsparteien zu erfolgen hat und dabei davon auszugehen ist, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen erzielen wollten (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897 oder RS0010088 jeweils mzwN).

Der Kläger begehrt nun hinsichtlich seines Vorrückungsstichtags zusammengefasst die Feststellung, dass die Vorrückung nicht erst mit 1. 12., sondern jeweils mit 1. 8. zu erfolgen habe, weil er am 10. 8. 1997 nicht mehr unter Aufsicht eines Fluglehrers, sondern mit einem Special Selected Commander (SSC) geflogen sei. Ein SSC ist ein auch von der Behörde akzeptierter Pilot, der während der Ausbildungsphase „Fliegen unter Aufsicht“ vermitteln kann, nachdem die ersten Flüge unter Aufsicht eines Fluglehrers absolviert wurden. Allgemein werden zur erfolgreichen Absolvierung des Praxisteils der Ausbildung für Linienflüge neben einer gewissen Anzahl von Flügen und Flugstunden sowie einer Mindestzeit nach den Prüfungsflügen auch ein sogenannter „line-check“ als abschließender Prüfungsflug vorgegeben.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Kollektivvertrags über die vom Kläger begehrte höhere Einstufung als II. Offizier lauten unstrittig wie folgt:

„4.1 Cockpitpersonal:

4.1.1. Verwendungsgruppe 01 - III. Offizier:

a) Ein Pilot mit Berufspilotenschein und Instrumentalflugberechtigung, der im Rahmen seiner Ausbildung, die den Zeitraum von 12 Monaten nicht überschreiten soll, im Liniendienst als 3. Pilot oder als Copilot unter Aufsicht von Fluglehrern eingesetzt wird ...

4.1.2. Verwendungsgruppe 02 - II. Offizier:

a) Ein Pilot mit Berufspilotenschein und Instrumentenflugberechtigung, der im Liniendienst als Copilot auf Flugzeugen eingesetzt wird, zu deren Führung eine eingetragene Typenberechtigung erforderlich ist, ...“

In dem hier maßgebenden Zeitraum absolvierte der Kläger als Copilot am 21. 7. 1997 seinen ersten Flug unter der Aufsicht eines Fluglehrers und danach regelmäßig - mit Ausnahme vom 10. 8. 1997 in dem er unter der Aufsicht eines SSC flog - weitere Ausbildungsflüge und letztlich den „line-check“ am 15. 12. 1997. Die Vorinstanzen sind übereinstimmend und zutreffend davon ausgegangen, dass es den Kollektivvertragsparteien offensichtlich darum gegangen ist, dass erst nach Abschluss der Ausbildung eine Vorrückung in die Verwendungsgruppe 02 erfolgen sollte, also erst nach dem „line-check“. Dies zeigt sich schon an der Regelung in 4.1.1a für die Verwendungsgruppe 01, die auf die „Ausbildung“ Bezug nimmt, und folgt auch daraus, dass im Punkt 4.1.2.a bei der Verwendungsgruppe 02 dieser Beisatz entfällt und auf den Berufspilotenschein sowie die Instrumentenflugberechtigung und die eingetragene Typenberechtigung abgestellt wird.

Die Regelungen des Kollektivvertrags zur Indexanpassung in Punkt 68.4 des Kollektivvertrags 2008 lauten unstrittig wie folgt:

„Die in Pkt 68 ('Gehaltstabellen') angeführten Gehaltstabellen inklusive Zulagen werden beginnend mit 1. 4. 2009 automatisch jährlich per 1. 4. und den jeweils im April des betreffenden Jahres für den März publizierten Verbraucherpreisindex 2005 valorisiert. Die Erhöhung des Aprilgehalts erfolgt im Wege einer Nachverrechnung mit dem Maigehalt.

Dies gilt nicht in Jahren, in denen das AEA-Passagierwachstum insgesamt negativ ist, diesfalls gilt die Aussetzung der Indexabgeltung als vereinbart. Sobald in einem Folgejahr wieder ein positives AEA-Passagierwachstum ausgewiesen wird, ist die ausgesetzte Indexanpassung aufgeteilt auf zwei Jahre (somit zweimal zur Hälfte) so nachzuholen, als ob die Indexanpassung ohne Aussetzung erfolgt wäre.“

In den am 2. 4. 2009 von den Kollektivvertragsparteien zur Absicherung der Zukunftsfähigkeit der Austrian Airlines Gruppe als Kollektivvertrag beschlossene Maßnahmenpaket ist in Punkt IV Folgendes vorgesehen:

„Die Tabellengehälter (OS und VO, Piloten- und Flugbegleiter) werden mit Wirkung vom 1. 4. 2009 um 1,2 % erhöht. Diese Erhöhung wird bis 31. 3. 2010 ausgesetzt. Eine rückwirkende Auszahlung dieser Erhöhung wird im Zeitraum vom 1. 4. bis 31. 3. 2010 ausdrücklich ausgeschlossen.“

Die Vorinstanzen sind nun übereinstimmend und zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelung des Punktes 68.4 des Kollektivvertrags 2008 über die Aussetzung der Indexabgeltung und deren Nachholung bei positivem Passagierwachstum sich nur auf die in den nachfolgenden Jahren zu zahlenden Gehälter bezieht, aber keine rückwirkende Nachzahlungsverpflichtung bedeutet. Dies ergibt sich schon daraus, dass es den Kollektivvertragsparteien erkennbar darum ging, die Gehaltserhöhungen entsprechend der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens wachsen zu lassen und damit auch bezogen auf die jeweilige Periode. Dass in besseren Phasen dann die Gehaltserhöhung nachgeholt werden sollen und die Arbeitnehmer so gestellt werden, „also ob“ es das Aussetzen der Inflationsabgeltung nie gegeben hätte, bedeutet nicht, dass für die frühere - wirtschaftlich schlechte - Periode noch etwas nachzuzahlen wäre. Soweit der Kläger Feststellungen über die Vorstellungen der der KV-Verhandler moniert, ist er darauf zu verweisen, dass die Auslegung der Kollektivverträge nicht auf deren subjektive Absichten Bedacht zu nehmen hat (RIS-Justiz RS0010088).

Zutreffend sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, dass mit dem Maßnahmenpaket 2009 eben auch diese nachgeholte Aussetzung mitgeregelt werden sollte. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich hier offensichtlich um die spezielleren Regelungen für die besonders schwierige wirtschaftliche Situation der Beklagten handeln sollte.

Im Ergebnis war daher der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.

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