OGH 9ObA54/13a

OGH9ObA54/13a27.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. P***** B*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) S***** S***** S.a.r.l., ***** und 2) S***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert 68.111,96 EUR) und 34.939,16 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 69.111,96 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 20. März 2013, GZ 8 Ra 21/12k‑73, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00054.13A.0927.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger war ab 1. 10. 2006 bei der in Deutschland ansässigen Zweitbeklagten und ab 1. 1. 2009 mit seinem Einverständnis bei der Erstbeklagten, einer luxemburgischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (S.a.r.l.) mit Zweigniederlassung in Österreich beschäftigt. Er übte von Beginn an seine Verkaufstätigkeit ausgehend von seinem „Home Office“ in Österreich aus. Die Erstbeklagte kündigte schließlich das Dienstverhältnis zum 31. 8. 2009 auf.

Die Vorinstanzen waren der Ansicht, auf das gekündigte Arbeitsverhältnis gelange in kollisionsrechtlicher Beurteilung (Art 6 Abs 2 lit a EVÜ) das österreichische und nicht das deutsche Betriebsverfassungsrecht zur Anwendung. Für die Einwirkung des § 102 dBetrVG als Sonderanknüpfung einer Eingriffsnorm iSd Art 7 Abs 1 EVÜ wäre es erforderlich, dass die Mitwirkung des Betriebsrats nach dem Organisationsstatut des zuständigen fremden Sachrechts überhaupt vorgesehen sei. Dies sei nach der noch zum IPRG ergangenen Entscheidung 9 ObA 65/11s aber nicht der Fall. Das dBetrVG sei nämlich auf Arbeitnehmer, die ‑ wie hier ‑ im Ausland ausschließlich für den Auslandseinsatz eingestellt werden, ohne je in einem inländischen Betrieb gearbeitet zu haben, nicht anzuwenden, weil § 102 dBetrVG keinen ‑ für die Qualifizierung als Eingriffsnorm aber erforderlichen ‑ internationalen Geltungswillen beanspruche.

Zu dieser Beurteilung, die auch mit der Lehre im Einklang steht (Niksova, Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Bestimmungen über den allgemeinen Kündigungsschutz, ZAS 2013/4; Laimer/Huger, Anwendung des deutschen Betriebsverfassungsrechts auf ausschließlich in Österreich tätige Dienstnehmer?, RdW 2012/117, 101), zeigt die außerordentliche Revision des Klägers keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Wenn der Kläger seine „Zugehörigkeit zur Belegschaft der Zweitbeklagten“ und damit seine Eigenschaft als Dienstnehmer der Zweitbeklagten auch ab dem 1. 1. 2009 damit begründet, dass es sich beim Arbeitgeberwechsel von der Zweitbeklagten zur Erstbeklagten lediglich um eine „aus sozialversicherungs- und lohnsteuertechnischen Gründen erfolgte Ummeldung“ gehandelt habe, so geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Dass er seine Tätigkeit für die Erstbeklagte nur mit Unterstützung der Zweitbeklagten erfolgreich verrichten konnte, begründet ebenfalls keinen Grund, auf die im vorliegenden Fall angefochtene Kündigung der Erstbeklagten deutsches Betriebsverfassungsrecht anzuwenden.

Da der Kläger sein Begehren nicht auf § 105 ArbVG gestützt hat, können Überlegungen zur Anwendung der österreichischen Kündigungsschutzbestimmungen auf den Anlassfall unterbleiben.

Ob eine Kündigung iSd § 879 ABGB sittenwidrig ist, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung nach ihrem Beweggrund. Eine sittenwidrige Auflösung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber von seinem Auflösungsrecht aus gänzlich unsachlichen, insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven Gebrauch gemacht hat (vgl RIS-Justiz RS0016680; zuletzt 8 ObA 37/12t). Die diese Voraussetzungen verneinende Rechtsansicht der Vorinstanzen ist im konkreten Einzelfall jedenfalls vertretbar und nicht korrekturbedürftig. Für die Überlegungen des Klägers, die (mit seiner Zustimmung erfolgte) „Transferierung zur Zweitbeklagten“ sei in möglicher Umgehung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen erfolgt, bietet der festgestellte Sachverhalt keine Grundlage.

Insgesamt vermag die außerordentliche Revision des Klägers keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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