OGH 5Ob93/13g

OGH5Ob93/13g20.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr. Rüdiger Hanifle, Rechtsanwalt, 5700 Zell am See, Schillerstraße 22, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des E***** L*****, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Kinberger‑Schuberth-Fischer Rechtsanwälte‑GmbH in Zell am See, wegen 93.052,17 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. März 2013, GZ 3 R 44/13f‑74, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. Dezember 2012, GZ 7 Cg 96/08s‑69, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens über den in der Revision enthaltenen Ablehnungsantrag der beklagten Partei unterbrochen.

Die Akten werden dem Landesgericht Salzburg zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag und Wiedervorlage nach Rechtskraft dieser Entscheidung zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Beklagte macht in ihrer außerordentlichen Revision (nur) Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO und hilfsweise Befangenheit des Erstrichters mit der Begründung geltend, dass dieser der Vater des seit 1. 8. 2012 und somit bereits vor der Entscheidung in erster Instanz bei der Klagevertreterin tätigen Rechtsanwalts Dr. M***** D***** sei. Von diesem Umstand, welcher den genannten Nichtigkeitsgrund verwirkliche, jedenfalls aber Befangenheit des Erstrichters begründe, habe die Beklagte erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts Kenntnis erlangt.

Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:

A. Zur Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach Lehre und Rechtsprechung hat auch ein Verwandtschafts‑ und Schwägerschaftsverhältnis des Richters zum Bevollmächtigten einer Partei die Ausschließung des Richters im Sinn des § 20 Z 2 JN zur Folge (RIS‑Justiz RS0045963, RS0046076 [T1]; Mayr in Rechberger³ § 20 JN Rz 3; Ballon in Fasching² § 20 JN Rz 7; G. Kodek/Mayr, Zivilprozessrecht [2011] Rz 99).

2. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings auch schon ausgesprochen, dass der Ausschließungsgrund im Sinn des § 20 Z 2 JN nicht auf einen Richter ausgedehnt werden kann, der ein entsprechendes Angehörigenverhältnis (nur) zu jenem Rechtsanwalt hat, welcher mit dem einschreitenden Bevollmächtigten der Partei (bloß) in einer Kanzleigemeinschaft, also einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts, verbunden, selbst aber nicht bevollmächtigt ist und auch nicht (etwa als Substitutionsbevollmächtigter) tätig wird (6 Ob 642/83).

3.1. Die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist aber nicht nur in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern auch in der Rechtsform der offenen Gesellschaft oder der Kommanditgesellschaft (Rechtsanwalts-Partnerschaft) und schließlich der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zulässig (§ 1a Abs 1 Satz 1 RAO).

3.2. Gemäß § 21e RAO kann Rechtsanwalts-Partnerschaften und Rechtsanwalts‑Gesellschaften in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Vollmacht erteilt werden. Sie sind durch ihre vertretungsbefugten Gesellschafter im Rahmen der diesen zukommenden beruflichen Befugnisse vertretungsbefugt im Sinn des § 8 RAO.

3.3. Rechtsanwälte dürfen nach § 21g RAO als Dienstnehmer ein Dienstverhältnis, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfasst, die zu den befugten Aufgaben des Rechtsanwalts gehören, nur mit einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwalts-Gesellschaft eingehen. Im Fall eines angestellten Rechtsanwalts übernimmt der Arbeitgeberanwalt das Mandat (Zib in Fasching/Konecny² §§ 31, 32 ZPO Rz 81).

4. Die Klägerin wird hier durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH (FN *****) vertreten. Im Online‑Unternehmensauftritt der Klagevertreterin wird nach Nennung der „Partner“ (ua) darauf hingewiesen: „PEHB verfügt weiters über eine Reihe von Rechtsanwälten, Rechtsanwaltsanwärtern und juristischen Mitarbeitern.“ In einem Untermenü finden sich unter „Für PEHB sind nachstehende Rechtsanwälte tätig:“ mehrere Rechtsanwälte namentlich genannt, ua Dr. M***** D*****, (offenbar) der Sohn des Erstrichters (http://*****). Aus dem Firmenbuchauszug der Klägerin (FN *****) folgt, dass Dr. M***** D***** nie Geschäftsführer, Gesellschafter oder Prokurist der Klagevertreterin war.

5. Fraglich ist also, ob ein Ausschließungsgrund in analoger Anwendung des § 20 Z 2 JN auch dann vorliegen kann, wenn der Richter in einem entsprechenden Angehörigenverhältnis zu einer Person steht, die ihrerseits „im Rahmen“ der im betreffenden Rechtsstreit als Bevollmächtigte einschreitenden Rechtsanwalts-Gesellschaft tätig ist. Dabei kann hier dahin stehen, ob ein Ausschließungsgrund dann vorläge, wenn der Angehörige des Richters Geschäftsführer, Gesellschafter oder Prokurist der bevollmächtigten Rechtsanwalts‑Gesellschaft ist, weil hier eine solche Funktion dem (behaupteten) Sohn des Richters bislang gerade nicht zukam. Auszugehen ist vielmehr davon, dass dieser (nur) angestellter Rechtsanwalt der Klagevertreterin war (und ist). Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs begründet aber das Angehörigenverhältnis (§ 20 Z 2 JN) eines Richters zu einem angestellten Rechtsanwalt einer bevollmächtigten Rechtsanwalts‑Gesellschaft allein noch keinen für die Ausschließungsgründe charakteristischen und deshalb zu typisierenden Fall einer bereits objektiv evidenten Gefährdung der Objektivität und Unbefangenheit eines Richters. Ein in analoger Anwendung des § 20 Z 2 JN anzunehmender Ausschließungsgrund, der sofort vom Rechtsmittelgericht als Nichtigkeitsgrund wahrzunehmen wäre (vgl zu solchen Fällen etwa 9 ObA 5/92; 9 ObA 9/92; 6 Ob 662/94; 10 ObS 148/97f; 1 Ob 356/97b), liegt somit nicht vor.

B. Zur Befangenheit:

1. Die Beklagte hat das Verwandtschaftsverhältnis des Erstrichters zum angestellten Mitarbeiter der Klägerin auch („vorsorglich“) als Befangenheitsgrund geltend gemacht.

2. Die Geltendmachung der Befangenheit ist noch nach der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung zulässig, etwa im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Nichtigkeit wegen Ausschließung (RIS‑Justiz RS0042028; zur Ablehnung des Erstrichters in der Revision vgl 2 Ob 86/12d). Darüber hat der nach § 23 JN zuständige Senat des Erstgerichts zu entscheiden. Davor könnte über den in der außerordentlichen Revision geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nur dann entschieden werden, wenn keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich erfolgt (RIS‑Justiz RS0042028 [T15]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

3. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung des nach § 23 JN zuständigen Senats ist das Verfahren über die außerordentliche Revision daher zu unterbrechen (7 Ob 92/10w mwN; 7 Ob 148/11g; RIS‑Justiz RS0042028 [T10]) und war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Stichworte