Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.468,08 EUR (darin 244,68 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erwarb im Jahr 2007 über Vermittlung des beklagten konzessionierten Wertpapierdienstleistungsunternehmens 1.154,45 Stück „Meinl European Land“ (MEL)-Aktien und eine fondsgebundene Lebensversicherung „S***** D*****“ der S***** AG.
Am 1. 7. 2007 erkundigte sich die Klägerin bei einem Mitarbeiter der Beklagten über die Entwicklung ihrer Veranlagung und erhielt die Antwort, ihr Konto sei derzeit leicht im Minus, sie solle jedoch rund drei Monate zuwarten, um die Entwicklung richtig beurteilen zu können. Daraufhin beobachtete die Klägerin den Kursverlauf und erkundigte sich wegen des extremen Kursverfalls Mitte des Jahres 2007 neuerlich bei diesem Mitarbeiter der Beklagten, wie nun vorzugehen sei. Am 31. 7. 2007 riet ihr der Mitarbeiter eindringlich, die MEL-Papiere trotz starker Kursverluste nicht zu verkaufen.
Am 7. 12. 2007 führten die Klägerin und der Mitarbeiter ein weiteres Beratungsgespräch wegen eines Fremdwährungskredits. Am selben Tag erhielt die Klägerin eine Depotinformation bezüglich ihrer Wertpapiere, die einen Kursverlust von 55,39 % auswies, woraufhin sie am selben Tag von der M***** AG die Einstellung ihrer monatlichen Zahlungen von 400 EUR verlangte. Dies wurde jedoch abgelehnt, weil die erforderliche Kundenunterschrift nicht vorlag. Dem Antrag der Klägerin vom 10. 12. 2007 auf Stilllegung des Depotkontos mit sofortiger Wirkung wurde in der Folge entsprochen.
Die Klägerin begehrte zunächst mit ihrer seit 23. 3. 2010 gerichtsanhängigen Klage die Feststellung der Haftung der Beklagten für den aus dem Erwerb von 1.154,45 Stück MEL-Zertifikaten und der Lebensversicherung dadurch erlittenen Schaden, dass sie beim Verkauf weniger als den von ihr bezahlten Betrag samt marktkonformer Verzinsung für den Veranlagungszeitraum erhält. Sie bewertete dieses Feststellungsbegehren im Hinblick auf die Höhe des eingesetzten Kapitals samt angemessener Verzinsung während der Laufzeit mit 36.000 EUR und stützte sich auf eine Fehlberatung durch die Beklagte.
Am 15. 2. 2011 änderte die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Lebensversicherung auf Leistung von 3.074,88 EUR und bezifferte den Wert des Feststellungsbegehrens hinsichtlich der Zertifikate mit 30.000 EUR.
Am 30. 11. 2011 ergänzte die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Zertifikate um ein auf Zahlung von 25.300 EUR lautendes Eventualleistungsbegehren abzüglich bis zum Zeitpunkt der Rückabwicklung erhaltener Zinszahlungen sowie Dividenden und Zug um Zug gegen Rückgabe der Zertifikate.
Die Beklagte wendete ‑ soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Interesse ist ‑ Verjährung des Leistungsbegehrens ein; die Klägerin hätte von Anfang an auf Leistung und nicht auf Feststellung klagen können und müssen.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren hinsichtlich der Zertifikate statt und wies das Leistungsbegehren hinsichtlich der Lebensversicherung ab.
Das Berufungsgericht wies hinsichtlich der Zertifikate das Feststellungsbegehren ab und gab dem Leistungsbegehren statt; es bestätigte die Abweisung des Leistungsbegehrens hinsichtlich der Lebensversicherung. Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für nicht zulässig.
In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, ein Feststellungsbegehren sei nur zulässig, wenn der Schaden unter Berücksichtigung einer hypothetischen Alternativanlage oder bei komplizierten Anlageverhältnissen zu ermitteln sei. Wenn hingegen nur lediglich der gesamte Kaufpreis (die gesamte Anlage) zurück zu erstatten sei beziehungsweise der Anleger bei korrekter Information keine Wertpapiere erworben, sondern das Geld auf ein Sparbuch gelegt beziehungsweise jedenfalls keine Kursverluste erlitten hätte, sei ein Leistungsbegehren vorrangig. Ein vorgefasster Anlageentschluss der Klägerin sei hier nicht festgestellt worden, vielmehr sei der Entschluss zur Anlage offensichtlich erst durch den Berater der Beklagten erweckt worden; darüber hinaus habe ein konservativer Anlagewunsch bestanden. Damit hätte die Klägerin aber eine das Kapital erhaltende Anlageform gewählt, weshalb die Schadenshöhe unproblematisch zu ermitteln gewesen wäre. Das Feststellungsbegehren sei damit verfehlt, das Leistungsbegehren jedoch dennoch nicht verjährt gewesen; durch das Feststellungsbegehren sei ja die Verjährung unterbrochen worden.
Die Klägerin ließ das Berufungsurteil in Rechtskraft erwachsen, die Beklagte strebt die Abweisung auch des Leistungsbegehrens hinsichtlich der Zertifikate an.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. Die ältere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat in Anlegerschadensfällen ein Feststellungsinteresse des Anlegers dann bejaht, wenn er das erworbene Anlageprodukt noch nicht veräußert und weder rechnerischen Geldersatz noch „Naturalrestitution“ in Form einer beidseitigen Rückabwicklung begehrt hatte; der Ersatzanspruch könne nämlich vor der Realisierung nicht beziffert werden (9 Ob 53/03i; 8 Ob 123/05d). Diese Rechtsprechung, die praktisch von einem unbeschränkten Wahlrecht zwischen Leistungs‑ und Feststellungsbegehren ausgegangen war, ist zwischenzeitig allerdings als überholt zu betrachten (8 Ob 39/12m ÖBA 2013/1901). In den Folgejahren verneinte nämlich der Oberste Gerichtshof ‑ dem Grundsatz der Subsidiarität des Feststellungsbegehrens folgend ‑ die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens des Anlegers dann, wenn ihm die Möglichkeit einer Leistungsklage offenstand (6 Ob 103/08b; 9 Ob 85/09d; 6 Ob 9/11h; 8 Ob 39/12m). Ein Feststellungsinteresse in Anlegerschadensfällen ist dabei zwar nicht immer zu verneinen; es sind durchaus Fallkonstellationen denkbar, in denen eine „Naturalrestitution“ als untunlich beurteilt werden muss, beispielsweise wenn es um komplexe Finanzprodukte mit mehreren Vertragspartnern geht. Ein Feststellungsinteresse ist auch immer dann zuzubilligen, wenn nach dem Sachverhalt konkrete zukünftige, mit einer Leistungsklage nicht erfassbare Schäden zumindest nicht ausgeschlossen sind (1 Ob 251/11k; 8 Ob 39/12m). Jedenfalls ist aber Voraussetzung dafür, dass der Anleger sein Feststellungsinteresse begründet und darlegt, weshalb ihm die an sich mögliche Leistungsklage im konkreten Fall nicht zumutbar ist oder welche derzeit noch nicht bekannten künftigen Schäden ihm aus dem Anlassfall erwachsen könnten (8 Ob 39/12m; 4 Ob 67/12z JBl 2012, 788 [Dullinger] = EvBl 2013/4 [Trenker, ÖJZ 2012, 5] = ecolex 2012/423 [Graf, 1055]).
Das Berufungsgericht ist auf Tatsachenebene davon ausgegangen, dass die Klägerin, hätte sie nicht das ihr von der Beklagten vorgeschlagene Modell gewählt, eine das Kapital erhaltende Anlageform gewählt. In einem solchen Fall hätte die Klägerin ‑ nach der nunmehrigen Rechtsprechung ‑ aber von Anfang an nicht eine Feststellungs‑, sondern eine Leistungsklage erheben müssen (4 Ob 67/12z [„bei einer zumindest den Erhalt des Kapitals sichernden Alternativanlage oder wenn der Anleger bei entsprechender Beratung überhaupt keine Veranlagung vorgenommen hätte“]). Dass ihr dies auch möglich war, zeigt die Erhebung ihres (Eventual‑)leistungsbegehrens am 30. 11. 2011, welches sie primär mit „advokatorischer Vorsicht“ und einer „Judikaturänderung“ begründete. Ihr weiteres ‑ auch im Revisionsverfahren wiederholtes ‑ Argument, sie habe „regelmäßig Dividendenauszahlungen beziehungsweise Aus-schüttungen/Zinszahlungen erhalten“, weshalb der „konkrete Schaden gegenständlich nach wie vor nicht fest[stehe]“, steht dem nicht entgegen; die Klägerin hat diese Umstände ja bei Formulierung ihres Leistungsbegehrens ohnehin berücksichtigt.
Die Klägerin hat damit die Abweisung des Feststellungsbegehrens durch das Berufungsgericht zu Recht nicht angefochten.
2. Aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen war der Klägerin (spätestens) im Dezember 2007 bekannt, dass die von ihr erworbenen Zertifikate einen enormen Kursverlust erlitten hatten. Zu diesem Zeitpunkt begann somit für sie die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu laufen, weshalb zwar die vorliegende Feststellungsklage noch innerhalb der Verjährungsfrist eingebracht, das (Eventual‑)leistungsbegehren jedoch erst nach deren Ablauf erhoben wurde. Dennoch hat das Berufungsgericht eine Verjährung des Leistungsbegehrens unter Hinweis auf das fristgerechte Feststellungsbegehren verneint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs führt zwar ein Feststellungsbegehren innerhalb der Verjährungsfrist nicht zwingend dazu, dass (auch) ein späteres Leistungsbegehren als fristgerecht anzusehen wäre; den eigentlichen Unterbrechungsgrund stellt nämlich nicht die Klage, sondern das dem Kläger günstige Urteil dar, weshalb eine Unterbrechung nicht eintritt, wenn das Klagebegehren abgewiesen wird (RIS‑Justiz RS0034655). Allerdings hat der Oberste Gerichtshof bereits auch klargestellt, dass die Abweisung des Feststellungsbegehrens dann nicht schadet, wenn dieses nach Erhebung des deckungsgleichen Leistungsbegehrens versehentlich aufrecht erhalten und deshalb abgewiesen wurde (RIS‑Justiz RS0034700, insbesondere 6 Ob 353/04m ecolex 2005, 761). Ein dem vergleichbarer Fall liegt hier vor:
Die Klägerin hat aufgrund einer ‑ früher unklaren beziehungsweise schwankenden ‑ Rechtsprechung Fest-stellungs‑ und Leistungsbegehren aufrecht bestehen gelassen, wobei jedoch Ziel beider Begehren der Ersatz des aus dem Erwerb von 1.154,45 Stück MEL-Zertifikaten entstandenen Schadens gewesen ist; diesen hat die Klägerin auch (im Rahmen des Eventualleistungsbegehrens) mit 25.300 EUR abzüglich der bis zum Zeitpunkt der Rückabwicklung erhaltenen Zinszahlungen und Dividenden beziffert. Dass dieser Schaden ‑ nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ‑ von Anfang an nicht mit Feststellungs-, sondern mit Leistungsbegehren geltend zu machen gewesen wäre, kann nicht zur Abweisung auch des Leistungsbegehrens wegen Verjährung (letztlich somit beider Begehren) führen, wenn jedenfalls eines dieser Begehren innerhalb der Verjährungsfrist erhoben wurde und ein Begehren inhaltlich berechtigt ist.
3. Damit war aber der Revision der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Bemessungsgrundlage beträgt jedoch nur 25.300 EUR.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)