OGH 14Os106/13i

OGH14Os106/13i27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Muhammad A***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Muhammad A***** sowie die Berufung des Angeklagten Murtaza G***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 24. April 2013, GZ 8 Hv 147/12z‑116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Muhammad A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde Muhammad A***** mit dem angefochtenen Urteil aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 28. Juni 2012 in Graz Shahzad F***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er mit einem 21 cm langen Messer mit einer Klingenlänge von 11,3 cm einen Stich in dessen Bauch versetzte, wodurch dieser eine lebensgefährliche Verletzung (penetrierendes Bauchtrauma mit Dünndarmverletzung) erlitt, wobei die Vollendung der Tat nur deshalb unterblieb, weil Muhammad A***** durch das Eingreifen Dritter von weiteren Stichen abgehalten werden konnte und Shahzad F***** umgehend notfallmedizinisch versorgt und operiert wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 6, 8, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Gesetzeskonformes Ausführen einer Fragenrüge (Z 6) verlangt eine deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, also zum Beispiel des eine Eventual‑ oder Zusatzfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz RS0117447, RS0119417).

Indem die Fragenrügen des Beschwerdeführers unter Hinweis auf Angaben Shahzad F*****s, wonach er „damals bemerkt“ habe, wie der Angeklagte „gesprochen hat, geschimpft hat und gewackelt hat, dass er getrunken hat“, die Verantwortung des Angeklagten ins Treffen führt, wonach er Shahzad F***** nicht bewusst mit dem Messer gestochen habe, ist nicht erkennbar, inwiefern eine solche Verantwortung ein die begehrte Stellung einer Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis darstellen sollte (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23). Dies gilt auch für die in diesem Zusammenhang weiters thematisierten Angaben des Hassan Al*****, wonach es in Pakistan, „wenn man jemanden anderen schlägt“ „üblich“ sei, „dass man sagt, ich bringe dich um usw.“ sowie jene des Attiqe Ab*****, wonach Muhammad A***** sehr viel getrunken und „nichts gewusst“ habe und deshalb mit dem Messer „hin- und her gefahren“ sei, die im Übrigen auch keine als Beweismittel relevanten sinnlichen Wahrnehmungen, sondern subjektive Meinungen zum Ausdruck bringen, die gar nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein können (RIS‑Justiz RS0097540, RS0097573, RS0097545).

Grundlage einer Zusatzfrage kann nur ein tatsächliches Verfahrensergebnis, nicht aber eine nur abstrakte denkbare Möglichkeit sein, weil die Fragestellung an die Geschworenen dazu dient, den Tatbestand, der sich aus der Anklage und dem Verfahren ergibt, zu präzisieren, nicht aber dazu, über allfällige Mutmaßungen einen Wahrspruch einzuholen, der einer Tatsachenfeststellung gleichkäme, für die eine entsprechende Feststellungsgrundlage fehlt (vgl Schindler, WK‑StPO § 313 Rz 12).

Soweit die Rüge bloß unter Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, wonach das Opfer und weitere Personen „mit einem Holzstock gegen seinen Kopf geschlagen“ hätten, „sowohl Zusatzfragen nach Notwehr und irrtümlicher Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts als auch Eventualfragen“ (richtig: Zusatzfragen) „nach Notwehrüberschreitung und Putativnotwehrüberschreitung“ einfordert, lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb der bloße Hinweis, einen Schlag gegen den Kopf erhalten zu haben, ungeachtet der einen „bewussten“ Angriff auf Shahzad F***** überhaupt leugnenden, hingegen Zorn und Wut auf das Opfer einräumenden Verantwortung des Beschwerdeführers (vgl ON 106 S 13), ein solche Fragen indizierendes Verfahrensergebnis darstellen sollte. Dies gilt gleichermaßen, soweit die Rüge die Aussagen des Charles Akh*****, wonach das Tatopfer „eine jener Personen“ gewesen sei, „die jemanden geschlagen haben“ sowie jene des Salinder S*****, wonach „fünf, sechs Leute, die Mitbewohner des Shahzad F*****“ „immer den Muhammad A*****“ schlagen würden und jene des Muhammad Ak*****, wonach Muhammad A***** „zusammengesunken dort gesessen und daneben ein Messer gelegen“ sei, referiert (vgl im Übrigen Schindler WK‑StPO § 313 Rz 28 ff).

Im Zusammenhang mit der Kritik (nominell Z 8), die Rechtsbelehrung sei dem „per Web‑ERV“ zugestellten Protokoll über die Hauptverhandlung nicht beigefügt gewesen, erklärt der Beschwerdeführer nicht, weshalb dieser Umstand Urteilsnichtigkeit (und zwar auch mit Blick auf die Z 4 des § 345 Abs 1 StPO; siehe die nicht unter Nichtigkeitssanktion stehende Vorschrift des § 321 Abs 1 StPO) nach sich ziehen sollte (zum Anfechtungsgegenstand einer Instruktionrüge vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 53 ff), wobei die Rechtsbelehrung im Übrigen dem Protokoll über die Hauptverhandlung ON 115 nach der Aktenlage sehr wohl angeschlossen ist.

Die eine Verurteilung wegen „der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 87 StGB“ anstrebende Subsumtionsrüge (Z 12 und nominell Z 13) behauptet einen „Rechtsirrtum“ zufolge der „unrichigen Interpretation der inneren Tatseite“, weil „aus dem Umstand des Wahrspruchs, wonach die Vollendung der Tat lediglich deshalb unterblieben ist, weil der Erstangeklagte durch das Eingreifen Dritter von der (von der) Ausführung weiterer Stichbewegungen abgehalten werden konnte und Shahzad F***** umgehend notfallmedizinisch versorgt und operiert wurde,“ geschlossen wurde, „dass der Angeklagte in subjektiver Hinsicht beabsichtigte, Shahzad F***** zu töten“. Solcherart macht sie nicht klar, weshalb Tötungsabsicht hier überhaupt maßgeblich sein sollte und bestreitet im Übrigen bloß die im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen und damit festgestellten Tatsachen (vgl § 351 zweiter Satz StPO), womit sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (vgl RIS‑Justiz RS0101476, RS0101527, RS0101141).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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