Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist aufgrund ihres Leistungskalküls noch in der Lage, Kontrollarbeiten in der Elektronikindustrie durchzuführen. Nach den Feststellungen werden diese Tätigkeiten ausschließlich im Sitzen ausgeübt, wobei pro Arbeitsstunde die Möglichkeit besteht, nach jeweils 55 Minuten im Sitzen für 5 Minuten einen Haltungswechsel vom Sitzen ins Gehen und/oder Stehen durchzuführen. Weitere Haltungswechsel sind bei dieser Tätigkeit nicht möglich.
Das Erstgericht wies das auf Zuspruch einer Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
1. Die Härtefallregelung des § 255 Abs 3a ASVG sieht vor, dass auch Versicherte als invalid gelten, die noch in der Lage sind, am allgemeinen Arbeitsmarkt Verweisungstätigkeiten, von diesen jedoch nur mehr die besonders leichten (Tätigkeiten mit „geringstem Anforderungsprofil“ iSd § 255 Abs 3b ASVG) zu verrichten. Ein Leistungsanspruch besteht nur, wenn der Versicherte nur diese in § 255 Abs 3b ASVG umschriebenen Tätigkeiten und sonst keine weiteren Verweisungstätigkeiten ausüben kann (10 ObS 150/11y).
2. Nach der Definition der „Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil“ in § 255 Abs 3b ASVG handelt es sich um leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und/oder mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen.
3. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0127383), dass es sich im Hinblick auf die enge Konzeption des § 255 Abs 3b ASVG durch den Gesetzgeber bei „Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil“ einerseits um leichte körperliche Tätigkeiten handelt, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und (während der Ausübung der Tätigkeit) mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen (erste Fallgruppe) und andererseits um leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden oder (nicht während der Ausübung der Tätigkeit) mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen (zweite Fallgruppe).
4. Es wurde weiters ausgesprochen, dass unter dem Begriff Haltungswechsel im gegebenen Zusammenhang ein Aufstehen von zwei bis vier Mal pro Stunde zu verstehen ist (10 ObS 119/11i; 10 ObS 167/11y SSV-NF 25/113). Demnach sind Tätigkeiten, die durchgehend im Sitzen ausgeführt werden, ohne einen Haltungswechsel in diesem Sinn zu ermöglichen, nicht als Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil anzusehen.
5. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die der Klägerin möglichen Kontrollarbeiten nicht von der Härtefallklausel erfasst sind, weil deren Anforderungsprofil nicht dem Anforderungsprofil des § 255 Abs 3b ASVG entspricht, weicht von diesen Grundsätzen nicht ab.
6. Die von der Revisionswerberin zitierten Literaturstellen (R. Müller, Neuregelungen in der Pensionsversicherung, DRdA 2013, 99 [102 f] und Resch, Die neue Härtefallregelung der geminderten Arbeitsfähigkeit, SozSi 2012, 405 [411 f]) bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Zudem kann die Ansicht von Resch (aaO), aus methodischen Gründen wäre eine teleologische Reduktion des Tatbestands des § 255 Abs 3b ASVG naheliegender, die aus der Wortfolge „und/oder“ allein ein „und“ macht, dem Rechtsstandpunkt der Revisionswerberin nicht nützen. Auch bei Anwendung dieser Interpretationsmethode fielen nur solche Tätigkeiten unter die Härtefallklausel, die vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen, wobei der Begriff des Haltungswechsels bereits in den Entscheidungen 10 ObS 119/11i, 10 ObS 167/11y im Sinne eines Aufstehens von zwei bis vier mal pro Stunde (siehe oben Pkt 4) beschrieben wurde.
Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist die Revision daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, wurden nicht vorgebracht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
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