OGH 5Ob29/13w

OGH5Ob29/13w20.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** J*****, vertreten durch Dr. Peter Berethalmy, Dr. Christine Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. P***** E*****, vertreten durch Prof. Dr. Strigl, Dr. Horak, Mag. Stolz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert 5.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2012, GZ 18 R 124/12g-79, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 29. März 2012, GZ 9 C 1068/09g-73, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Eigentümer von aneinander grenzenden Liegenschaften. In den Jahren 1999/2000 errichteten die Rechtsvorgänger des Beklagten eine teilweise unterkellerte Terrasse, die aufgrund der gekoppelten Bauweise von der Feuermauer des Hauses des Klägers, das in früherer Zeit als Pferdestall und Wagenremise benützt worden war, begrenzt wird.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass ihm der Beklagte für die an seinem Haus ab 7. 7. 2008 entstandenen Schäden, die auf einer von dessen Liegenschaft ausgehenden Durchfeuchtung der Feuermauer beruhten, hafte. Weiters begehrte er den Beklagten schuldig zu erkennen, binnen drei Monaten dafür zu sorgen, dass keine Feuchtigkeit vom Grundstück des Beklagten, insbesondere von dessen Terrasse, in das Mauerwerk seines Hauses gelange.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Feststellungsbegehrens durch das Erstgericht und sprach aus, dass das Unterlassungsbegehren des Klägers ebenfalls ab- und nicht zurückgewiesen werde. In rechtlicher Hinsicht ging es im Wesentlichen davon aus, dass der Kläger als beeinträchtigter Grundeigentümer selbst im Einvernehmen mit den Rechtsvorgängern des Beklagten Bauarbeiter beauftragt habe, die letztlich für das Bestehen der Immission dadurch verantwortlich gezeichnet hätten, dass sie Bauschutt in den Hohlraum unter der Terrasse der Liegenschaft des Beklagten eingebracht hätten, wobei die Terrasse ohne diesen Bauschutt für das Eindringen von Feuchtigkeit in die Feuermauer des Hauses des Klägers nicht ursächlich sei. Erst das Einbringen und Belassen von Bauschutt sei daher als die maßgebliche „Veranstaltung“ iSd zu § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB ergangenen Judikatur anzusehen; aus der Errichtung der Terrasse an sich könne der Kläger daher keine Ansprüche ableiten, weil diese noch nicht zu einer unmittelbaren Zuleitung auf seine Liegenschaft geführt hätte. Darüber hinaus sei auch der vom Beklagten erhobene Einwand der verglichenen Rechtssache (in einem vorangegangenen Rechtsstreit zwischen dem Kläger und den Rechtsvorgängern des Beklagten) berechtigt, was aber entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht zur Zurückweisung des Leistungsbegehrens, sondern zu dessen Abweisung führe.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob nachbarrechtliche Ansprüche gegen einen Grundeigentümer nach § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB auch dann bestünden, wenn die „Veranstaltung“ auf den beeinträchtigten Nachbarn selbst bzw dessen Gehilfen zurückgehe. Gegebenenfalls, so das Berufungsgericht, werde auch die Frage zu lösen sein, ob und unter welchen Voraussetzungen der Einzelrechtsnachfolger im Eigentum an einer Liegenschaft auch für Immissionen einzustehen habe, die auf einer „Veranstaltung“ seines Rechtsvorgängers beruhten. Auch fehle es an höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage, ob sich der Einzelrechtsnachfolger eines Liegenschaftseigentümers auf einen von diesem mit dem beeinträchtigten Nachbarn geschlossenen Vergleich über nachbarrechtliche Ansprüche berufen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Sie ist freilich nicht jedenfalls unzulässig, wie der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung meint, weil das Berufungsgericht weder zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, noch sein Ermessen überschritten hat, sodass der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands gebunden ist (RIS-Justiz RS0042515 [T23]).

1.1 Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstückes unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (vgl RIS-Justiz RS0043347). Er kann aber für sich allein grundsätzlich nicht das Gewicht einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechts haben, weil er zum Tatsachenbereich gehört (RIS-Justiz RS0042762).

1.2 Das Berufungsgericht hat keine (aktenwidrigen) Feststellungen getroffen, sondern in Auseinandersetzung mit der Beweisrüge des Revisionswerbers - den nach Aktenlage zutreffenden - Standpunkt vertreten, der in einem Beweissicherungsverfahren erhobene Befund befinde sich nicht im Akt des Vorprozesses. Auch wenn es zutreffen mag, dass der Akt des Beweissicherungsverfahrens im Vorverfahren angeschlossen war, ersetzt die bloße Nennung der Aktenzahl des Vorprozesses keineswegs die vom Berufungsgericht vermisste inhaltliche Berufung auf das Ergebnis der Befundaufnahme, weswegen das Berufungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot gemäß § 482 Abs 2 ZPO annahm. Mit der Behauptung, das Berufungsgericht habe die Beweisrüge seiner Berufung aktenwidrig verworfen, zeigt der Revisionswerber daher keinen Widerspruch zum Akteninhalt auf (RIS-Justiz RS0043347 [T11]). Als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge kann der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit aber nicht herangezogen werden (RIS-Justiz RS0117019).

2.1 Eine unmittelbare Zuleitung nach § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn sie durch eine „Veranstaltung“ des Nachbarn bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in der Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist (RIS-Justiz RS0010635). Der Begriff „Veranstaltung“ umschreibt - in Unterscheidung zu den unbeeinflusst gebliebenen natürlichen Gegebenheiten - eine durch positives Tun hervorgerufene Veränderung auf der Liegenschaft (vgl Eccher in KBB³ § 364 ABGB Rz 4 mwN).

2.2 Das Berufungsgericht beurteilte das Auffüllen des Hohlraums unter der Terrasse durch die vom Kläger selbst beauftragten Arbeiter als „Veranstaltung“ im dargestellten Sinn. Dem hält der Revisionswerber - zusammengefasst - entgegen, dass eine Vertikalabdichtung der Feuermauer seines Hauses jedenfalls und unabhängig von der Frage der Qualität der Horizontalabdichtung dieser Mauer von den Rechtsvorgängern des Beklagten bereits mit Errichtung der Terrasse anzubringen gewesen wäre, und vermisst dazu entsprechende Feststellungen. Wie schon im Berufungsverfahren, ignoriert der Kläger auch im Revisionsverfahren dass nach dem von den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalt, an den der Oberste Gerichtshof gebunden ist (für viele vgl RIS-Justiz RS0123663), die Terrasse ursprünglich so errichtet worden war, dass unter der Bodenplatte zur Feuermauer seines Hauses ein Hohlraum und gerade keine Erd- oder sonstige Anschüttung bestand, weswegen die Situation in Bezug auf eine Durchfeuchtung der Feuermauer im Wesentlichen nicht anders war als vor Errichtung der Terrasse. Für das Anbringen einer Vertikalabdichtung bestand demnach keine Veranlassung. Erst das Einbringen und Belassen von Bauschutt in den Hohlraum unter der Terrasse des Beklagten ist, gemeinsam mit der nicht fachgerecht angebrachten Horizontalabdichtung der Feuermauer des Hauses, ursächlich für deren Durchfeuchtung. Beide Ursachen sind nach den Feststellungen nicht vom Beklagten zu vertreten und haben unabhängig von der Errichtung der Terrasse zur Durchfeuchtung der Feuermauer geführt. Soweit die Rechtsrüge dessen ungeachtet auf der Prämisse aufbaut, dass die „Veranstaltung“ iSd § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB bereits in der Errichtung der Terrasse auf der Liegenschaft des Beklagten liege, geht der Revisionswerber daher nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Insoweit ist seine Rechtsrüge auch nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043312; RS0043603).

3. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob nachbarrechtliche Ansprüche bestehen, wenn die „Veranstaltung“ vom beeinträchtigten Nachbarn selbst veranlasst wurde, greift der Kläger in seiner Revision nicht auf (vgl RIS-Justiz RS0102059). Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird, Stellung zu nehmen, ist auf diese Frage nicht weiter einzugehen (vgl 10 Ob 48/06s = RIS-Justiz RS0102059 [T8]). Damit erübrigt sich auch eine Prüfung der weiteren vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen, welchen ebenfalls nur noch theoretische Bedeutung zuzukommen vermag.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Für einen „100 % Zuschlag § 21 RATG“ im Kostenverzeichnis des Beklagten besteht keine Rechtsgrundlage, weshalb sie auch nicht zugesprochen werden konnte.

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