OGH 9Ob62/12a

OGH9Ob62/12a29.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** F*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, wider die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, 1040 Wien, Rainergasse 31 Top 8, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA (Revisionsinteresse: Eventualbegehren Feststellung [20.000 EUR sA]), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. September 2012, GZ 4 R 105/12h‑21, mit dem den Berufungen beider Streitteile gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 23. Jänner 2012, GZ 27 Cg 199/10k‑15, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird hinsichtlich des klagsstattgebenden Teils dahin abgeändert, dass das Begehren der klagenden Partei, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei jenen Ausfall mit einem Maximalbetrag von 20.000 EUR zu ersetzen habe, welcher der klagenden Partei aus ihrer Veranlagung in die Vermögensverwaltung der A***** A***** AG bzw A***** F***** AG nach Beendigung des Konkursverfahrens über diese beiden Gesellschaften und der Beendigung der Liquidation der A***** SICAV‑Fonds in Luxemburg entstehen werde, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.443,56 EUR (darin 8,80 EUR Barauslagen, 572,46 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 4.339,12 EUR (darin 1.036 EUR Barauslagen, 550,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.485,40 EUR (darin 1.296 EUR Barauslagen, 198,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist die nach § 32 Z 8 WAG idF BGBl 753/1996 (WAG 1996) eingerichtete Entschädigungseinrichtung nach den §§ 23b bis 23d WAG 1996. Der Kläger schloss mit zwei ihrer Mitglieder (A*****A, A*****F) einen Vermögensverwaltungsvertrag, in dessen Rahmen er einmalig einen Betrag von 72.672,83 EUR einzahlte. Nach einer Auszahlung im Ausmaß von 36.564,62 EUR haftet ein Betrag von 36.108,21 EUR aus.

Unstrittig ist, dass die Gelder des Klägers ebenso wie in dem der Entscheidung 9 Ob 50/09g zugrunde liegenden Sachverhalt von A***** gehalten wurden. Über das Vermögen von A***** wurde am 2. 11. 2005 der Konkurs eröffnet.

Der Kläger begehrte mit seiner am 6. 10. 2010 eingebrachten Klage von der Beklagten zuletzt den Entschädigungshöchstbetrag nach § 23b WAG 1996 von 20.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 27. 5. 2006, in eventu Zug um Zug gegen Abtretung seiner Forderung in Höhe von 20.000 EUR gegen sämtliche seiner anderen potenziellen Haftungsadressaten im Hinblick auf seine Veranlagung in die Vermögensverwaltung der A*****F bzw A*****A, insbesondere gegen die Liquidation der A***** SICAV‑Fonds in Luxemburg, den Masseverwalter im Konkurs gegen die A*****‑Gesellschaften in Wien sowie gegen die Republik Österreich aus Amtshaftungsansprüchen. In eventu begehrte er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm jenen Verlust von bis zu 20.000 EUR zu ersetzen, der ihm aus seiner Veranlagung in die Vermögensverwaltung der A*****A und A*****F entstanden sei bzw ihm nach Beendigung der Konkursverfahren über beide Gesellschaften und der Beendigung des Liquidationsverfahrens über die A***** SICAV‑Fonds in Luxemburg entstehen werde.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte mangelnde Fälligkeit der Forderung ein. Der Kläger habe sich trotz Aufforderungen nicht hinreichend legitimiert. Er habe die Vertragsunterlagen erst während des laufenden Verfahrens vorgelegt, sodass weder die Prüf- noch die dreimonatige Auszahlungsfrist abgelaufen sei. Darüber hinaus hätten die Anleger einen Anspruch gegen die Liquidationsmasse der SICAV‑Fonds in Luxemburg, der den Entschädigungsbetrag entsprechend reduziere. Bei Zuspruch der Klagsforderung sei die Exekution auf das Treuhandvermögen „gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 107/2007“ zu ergänzen. Zudem reiche ihr Treuhandvermögen zur Erfüllung der Entschädigungs-forderungen sämtlicher A*****-Anleger nicht aus. Zwar werde vertreten, dass es deshalb auch außerhalb eines Konkurses quotenmäßig verteilt werden müsse. Ein quotenmäßig verkürzter Zuspruch könne aber noch nicht erfolgen, weil die Kriterien für die Berechnung der Quote noch nicht feststünden. Dem Kläger stünde in diesem Fall höchstens ein Feststellungsanspruch zu.

Der Kläger legte zum Nachweis seiner Forderung mit Schriftsatz vom 22. 2. 2011 das Anlegerzertifikat sowie ein Schreiben von A*****F betreffend seine Depotnummer vor. Die Verhandlung wurde am 29. 9. 2011 geschlossen.

Das Erstgericht wies das Zahlungshaupt‑ und das Zahlungseventualbegehren ab, stellte aber die Haftung der Beklagten mit einem Maximalbetrag von 20.000 EUR für jenen Ausfall fest, der dem Kläger aus seiner Veranlagung nach Beendigung des Konkursverfahrens über A*****A bzw A*****F und der Beendigung des Verfahrens über die Liquidation der A***** SICAV‑Fonds in Luxemburg entstehen werde. Das nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichende Treuhandvermögen der Beklagten sei quotenmäßig zu verteilen. Da der Entschädigungsanspruch mangels aktueller Feststellbarkeit der Quote noch nicht fällig sei, sei das Leistungsbegehren abzuweisen. Überdies seien in Hinblick auf das Zahlungseventualbegehren die potenziellen Schuldner der Abtretung nicht ausreichend bestimmt.

Das Berufungsgericht gab den dagegen gerichteten Berufungen der Streitteile nicht Folge und bestätigte die erstgerichtliche Feststellung mit der Maßgabe der Beschränkung der Haftung der Beklagten auf ihr Treuhandvermögen. Die Fälligkeit der Forderung des Anlegers trete nach Ablauf von neun Monaten (sechs Monate für die Feststellung, drei Monate für die Auszahlung) nach Anmeldung der ausreichend nachgewiesenen Forderung ein. Der Kläger habe sich erst am 22. 2. 2011 durch die Vorlage von Anlegerzertifikat samt Einzahlungsbestätigung legitimiert. Bei Schluss der Verhandlung (29. 9. 2011) sei die Klagsforderung daher noch nicht fällig gewesen. Die Beschränkung der Haftung der Beklagten auf das Treuhandvermögen sei in die Feststellung ihrer Haftung aufzunehmen. Die Revision sei aufgrund der Fülle gleichartiger Parallelprozesse zulässig.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. In eventu wird auch die Präzisierung des im Urteilsspruch angeführten Treuhandvermögens mit dem Zusatz „gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 107/2007“ begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte meint, dem Kläger fehle es am rechtlichen Interesse an der von ihm hilfsweise begehrten und von den Vorinstanzen bejahten Feststellung ihrer Haftung. Die Vorinstanzen hätten sein Zahlungshaupt‑ und Zahlungseventualbegehren mangels Fälligkeit abgewiesen, weil sich der Kläger erst am 22. 2. 2011 durch Vorlage prüffähiger Urkunden legitimiert habe und bei Schluss der Verhandlung am 29. 9. 2011 die Prüf‑ und Auszahlungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die bewusste Unterlassung einer früheren Fälligstellung des Anspruchs könne aber kein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers begründen.

Nach § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Das rechtliche Interesse an einer Feststellung ist eine auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmende Anspruchsvoraussetzung. Sein Fehlen führt zur Abweisung des Begehrens (RIS‑Justiz RS0039123 [T6]).

Nach ständiger Rechtsprechung besteht kein Feststellungsinteresse, wenn bereits ein Leistungsbegehren erhoben werden kann (s RIS‑Justiz RS0038849; RS0038817). Das ist bei Fälligkeit eines Anspruchs idR der Fall.

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Zeitpunkt der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs mit Ende der der Beklagten zur Verfügung stehenden Prüf- und Auszahlungsfrist von der Vorlage ausreichender Unterlagen durch den Kläger abhängt. Ein Beweisnotstand wurde von ihm nicht behauptet. Gründet sich die mangelnde Fälligkeit eines Zahlungsbegehrens aber nur darauf, dass der Kläger die Möglichkeit zum ausreichenden Nachweis seines Anspruchs nicht (früher) wahrnimmt, so ist hier tatsächlich ein Rechtsschutzbedürfnis kaum ersichtlich.

Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung ist dem Kläger aber ohnedies schon deshalb abzusprechen, weil sein Anspruch bei Schluss der Verhandlung fällig war:

Die Frage der Länge der Prüffrist wurde in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 4. 4. 2013, 2 Ob 171/12d, ausführlich thematisiert. Darin wurde die europarechtlich (Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger) gebotene Notwendigkeit der raschen Entschädigung und die deshalb zu verlangende unverzügliche Prüfung der Anmeldungen (zu dieser s auch RIS‑Justiz RS0126982) hervorgehoben. In dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall, in dem die Beklagte dem Klagevertreter bereits 2007 von der „sorgfältigen Prüfung“ einer Forderungsanmeldung berichtet hatte, wurde eine Frist von drei Monaten für die Prüfung und den Datenabgleich der zwei erst im Verfahren vorgelegten jeweils einseitigen Urkunden nicht als zu kurz beanstandet, eine sechsmonatige Prüffrist dagegen nicht für erforderlich erachtet. Auch im vorliegenden Fall bestehen für die Notwendigkeit einer sechsmonatigen Prüffrist keine Anhaltspunkte. Ausgehend von einer dreimonatigen Prüf- und einer dreimonatigen Auszahlungsfrist war das Zahlungsbegehren bei Schluss der Verhandlung (29. 9. 2011) aber bereits seit über einem Monat fällig. Ein Feststellungsinteresse des Klägers bestand danach nicht mehr.

Soweit das Erstgericht das Feststellungsinteresse damit begründete, dass das Treuhandvermögen der Beklagten quotenmäßig zu verteilen sei, die Quote dafür jedoch noch nicht feststehe, wurde bereits ausgesprochen, dass für eine wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds begehrte kridamäßige Verteilung des Treuhandvermögens eine gesetzliche Grundlage fehlt (ausführlich 2 Ob 171/12d; s auch 1 Ob 21/13i). Für die Zahlungspflichten der Beklagten gilt folglich das Prioritätsprinzip.

Da sich die Revision daher bereits in diesem Punkt als berechtigt erweist, kommt es weder auf den von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensmangel noch auf die von ihr begehrte „Präzisierung“ des als Haftungsfonds zur Verfügung stehenden Treuhandvermögens („gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG 2007 idF BGBl I Nr 107/2007“) an.

Die Abweisung des Zahlungshaupt‑ und des Zahlungseventualbegehrens wurde vom Kläger nicht bekämpft.

Nach all dem ist der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung auch des eventualiter gestellten Feststellungsbegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auf die §§ 41, 50 ZPO.

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