OGH 1Ob75/13f

OGH1Ob75/13f21.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****ges.m.b.H. als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des A*****, Landesorganisation K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Brandl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen 350.583 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. März 2013, GZ 16 R 213/12d‑32, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. August 2012, GZ 7 Cg 78/11h‑26, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Masseverwalterin in dem im Jahr 2008 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen des A*****, Landesorganisation K***** (im Folgenden: Gemeinschuldnerin). Die Gemeinschuldnerin ist ein Zweigverein des beklagten Hauptvereins.

Die Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin, die bis zum Stichtag 31. 12. 1995 im Technischen Dienst und im Abschleppdienst eingestellt worden waren (insgesamt neun Personen), erhielten vom Insolvenz‑Entgelt‑Fonds zusammengerechnet 350.583 EUR an Abfertigung ausbezahlt. Die IEF‑Service GmbH meldete im Konkurs der Gemeinschuldnerin eine entsprechende Forderung an. Arbeitgeber dieser Mitarbeiter war bis 1995 der Beklagte, danach die Gemeinschuldnerin.

In der Sitzung vom 13. 5. 1995 fasste der Bundesvorstand als zuständiges Organ unter anderem den Beschluss, dass die Bundesorganisation (der Beklagte) die Abfertigung jener Mitarbeiter im Technischen Dienst und im Abschleppdienst trägt, die bis zum Stichtag 31. Dezember 1995 beschäftigt sind.

In der Präsidiumssitzung vom 27. 3. 2010 beschloss das zuständige Bundespräsidium des Beklagten, dass alle früheren Finanzbeschlüsse für den im Konkurs befindlichen Zweigverein keine Gültigkeit mehr hätten, weil die Bundesorganisation alle Aufgaben sowie das Personal und den operativen Bereich in Kärnten nunmehr selbst übernommen habe. Da die Gemeinschuldnerin keine Aufgaben mehr habe, erfolge keine Mittelzuwendung. Dieser Beschluss gelte für jegliche Mittelzuwendung ab 1. 1. 2009, da bis zum 31. 12. 2008 alle Mittelzuweisungen an die Gemeinschuldnerin erfolgt seien.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung der Abfertigungen von 350.583 EUR sA primär an die IEF‑Service GmbH und hilfsweise an sie selbst. Der Beklagte habe sich mit Beschluss vom 13. 5. 1995 gegenüber der Gemeinschuldnerin zur Zahlung der Abfertigungen der bis zum Stichtag 31. 12. 1995 eingestellten Mitarbeiter im Technischen Dienst und im Abschleppdienst verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren insgesamt ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die gegen das Berufungsurteil gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Die Klägerin leitet den Zahlungsanspruch allein aus dem gültig zustande gekommenen Beschluss des Bundesvorstands vom 13. 5. 1995, wonach die Bundesorganisation (der Beklagte) die Abfertigungsansprüche von bestimmten Arbeitnehmern trägt, die bis zum Stichtag 13. 5. 1995 beschäftigt wurden. Dazu brachte sie im erstinstanzlichen Verfahren vor, dass nach dem Statut des Beklagten an Sitzungen des Bundesvorstands unter anderem die Präsidenten der Landesorganisationen teilnehmen, und argumentierte ‑ wie auch in der außerordentlichen Revision ‑ damit, dass die vom Beklagten übernommene Verpflichtung rechtlich eine Erfüllungsübernahme sei. Dass den Arbeitnehmern und nunmehr ‑ nach dem Übergang der Abfertigungsansprüche gemäß § 11 Abs 1 IESG ‑ dem Insolvenz‑Entgelt‑Fonds Rechte aus dem Beschluss des Bundesvorstands erwachsen wären, behauptet die Klägerin nicht.

Die Erfüllungsübernahme (interne Schuldübernahme, Belastungsübernahme) ist ein nicht formbedürftiger Vertrag zwischen dem Schuldner und einem Dritten, in dem sich dieser gegenüber dem Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers hinsichtlich einer bestehenden oder künftigen, zumindest bestimmbaren Schuld verpflichtet (7 Ob 17/13w; Neumayr in KBB³, § 1404 ABGB Rz 2, jeweils mwN; vgl RIS‑Justiz RS0033124). Der vereinsinterne Beschluss des Bundesvorstands des beklagten Vereins ist aber kein Vertrag zwischen dem Schuldner (Zweigverein) und einem Dritten (Beklagter) im Sinn des § 1404 ABGB. Vielmehr handelt es sich dabei um eine einseitige, im Innenverhältnis wirksame Entscheidung des beklagten Hauptvereins. Die Klägerin erstattete kein Vorbringen, dass auf der Grundlage dieses Vereinsbeschlusses bestimmte vertretungsbefugte Organe des Zweigvereins und des Hauptvereins (vgl § 4 Abs 2 lit g VerG 1951; RIS‑Justiz RS0035382 [T1]) eine Vereinbarung im Sinn des § 1404 ABGB abgeschlossen hätten. Allein die Behauptung der satzungsgemäßen Teilnahme der Präsidenten der Landesorganisationen an der Beschlussfassung des Bundesvorstands zeigt keine solche Vereinbarung auf. Das erstmals in der außerordentlichen Revision erstattete Vorbringen zu einer solchen Vereinbarung verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) und ist unbeachtlich.

Die Klägerin kann daher den Klagsanspruch nicht aus einer mit dem beklagten Hauptverein getroffenen Vereinbarung (Erfüllungsübernahme) ableiten.

2. Auch zur Verneinung eines vereinsinternen Anspruchs der Klägerin aus dem Beschluss vom 13. 5. 1995 infolge wirksamen Widerrufs des Leistungsversprechens des Beklagten kann die Klägerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht darlegen:

§ 7 VerG 2002 unterscheidet zwischen vorerst gültigen, aber anfechtbaren Beschlüssen und von Anfang an nicht gültig zustande gekommenen und daher rechtsunwirksamen („nichtigen“) Beschlüssen. Beschlüsse von Vereinsorganen sollen nur mehr dann nichtig sein, wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebieten. Andere gesetz‑ oder statutenwidrige Beschlüsse sollen gültig bleiben, sofern sie nicht binnen einem Jahr ab Beschlussfassung gerichtlich angefochten werden. § 7 VerG 2002 orientiert sich bei der Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit an den §§ 195 ff AktG, nach denen Fehlerhaftigkeiten der Hauptversammlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft (und hiezu erforderlicher Sonderbeschlüsse) in Nichtigkeits‑ und in Anfechtungsgründe einzuteilen sind. Details dieser Regelungen wurden in das VerG 2002 jedoch nicht übernommen. Vielmehr hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung die ‑ nicht immer einfache ‑ Differenzierung überlassen, wann Nichtigkeit eines Beschlusses eines Vereinsorgans vorliegt oder dessen (bloße) Anfechtbarkeit gegeben ist. Grundsätzlich hat sich die Nichtigkeit auf gravierende Fälle fehlerhafter Beschlüsse zu beschränken. Es müssen derart klare Gesetzesverstöße oder Verstöße gegen die guten Sitten vorliegen, dass nicht einmal der Anschein rechtmäßigen Handelns gewahrt ist (1 Ob 32/10b mwN, dazu Werdnik, Nichtiger oder anfechtbarer Vereinsbeschluss ‑ Nichtigkeits‑ und/oder Anfechtungsklage?, ecolex 2011, 110).

Am 27. 3. 2010 beschloss das Bundespräsidium des Beklagten, dass die Mittelzuwendungen an die Gemeinschuldnerin ab 1. 1. 2009 eingestellt würden und alle früheren Finanzbeschlüsse zugunsten der Gemeinschuldnerin keine Gültigkeit mehr hätten. Dieser Beschluss wurde der Klägerin bekannt gegeben und von ihr nicht angefochten.

Wenn die Klägerin argumentiert, dass dieser Beschluss sittenwidrig und damit nichtig im Sinn des § 7 erster Satz VerG 2002 sei, übersieht sie, dass aus dem vorangegangenen vereinsinternen Beschluss des Bundesvorstands des Beklagten vom 13. 5. 1995 weder rechtsverbindliche Ansprüche von früheren Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin noch von nunmehrigen Masse‑ oder Konkursgläubigern entstanden sind. Dass durch den nachträglichen Widerruf der Zusage „finanzielle Interessen Dritter“ (gemeint: der Gläubiger im Konkurs der Gemeinschuldnerin) tangiert werden, reicht ‑ entgegen der Ansicht der Klägerin ‑ für die Begründung der Sittenwidrigkeit des Beschlusses vom 27. 3. 2010 nicht aus.

Soweit ein Verein die Mitglieder berührende Entscheidungen und Verfügungen trifft, geschieht dies im Rahmen des zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern begründeten Privatrechtsverhältnisses. Die Rechtsbeziehungen zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern sind demnach privatrechtlicher Natur (RIS‑Justiz RS0045147 [T4]; vgl Rummel, Privates Vereinsrecht im Konflikt zwischen Autonomie und rechtlicher Kontrolle, FS Strasser [1983] 813 [822, 836 f]). Die Klägerin bringt nichts vor, aus dem sich ergäbe, dass die Gemeinschuldnerin im Vertrauen auf den Vereinsbeschluss des Beklagten vom 13. 5. 1995, die Zahlung künftig anfallender Abfertigungsansprüche von bestimmten Arbeitnehmern zu übernehmen, Handlungen unterlassen oder gesetzt hätte. Sie argumentiert sogar damit, dass es „nicht um die Benachteiligung der Gemeinschuldnerin als Vereinsmitglied“ gehe. Mangels Vorliegens von Anhaltspunkten dafür, dass das Vertrauen der Gemeinschuldnerin geschützt wäre, konnte nachfolgend das nunmehr zuständige Bundespräsidium des Beklagten von dieser einseitigen Zusage wieder abgehen. Damit verstößt der Widerruf des Zahlungsversprechens durch den Beschluss vom 27. 3. 2010 nicht gegen die guten Sitten und ist daher auch nicht nichtig. Hat aber die Gemeinschuldnerin als betroffener Zweigverein diesen Beschluss des Beklagten nicht innerhalb der in § 7 VerG 2002 genannten Jahresfrist angefochten, kann dieser nicht mehr umgestoßen werden. Er ist daher wirksam.

3. Da es somit der Klärung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Stichworte