OGH 6Ob73/13y

OGH6Ob73/13y8.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** R*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei D***** B*****, vertreten durch Dr. Andreas Biel, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei M***** P*****, vertreten durch Mag. Dieter Gschiel, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen Leistung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8. Jänner 2013, GZ 36 R 303/12v‑17, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 18. Juni 2012, GZ 41 C 527/11k‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil der Frage des Umfangs der Nachforschungspflicht beim Erwerb einer Liegenschaft hinsichtlich einer Garage mit mehreren Stellplätzen im Hinblick darauf, dass Wohnungseigentum an einzelnen Stellplätzen erst mit der Wohnrechtsnovelle 2002 möglich geworden sei und zuvor diverse Konstruktionen geschaffen worden seien, um einem Wohnungseigentümer ein ausschließliches Nutzungsrecht an einzelnen Stellplätzen einzuräumen, eine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Damit hat das Berufungsgericht keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Im vorliegenden Fall sind die Parteien und die Vorinstanzen unstrittig davon ausgegangen, der Kläger habe an einem Garagenstellplatz außerbücherlich eine Dienstbarkeit, nämlich ein Fruchtgenussrecht, erworben. Es geht daher nur mehr um die Frage, ob der Beklagte als Erwerber der Tiefgarage, in der sich der Stellplatz des Klägers befindet, im Hinblick auf eine Lastenfreiheit betreffend den gegenständlichen Stellplatz gutgläubig war und so das Fruchtgenussrecht des Klägers erlöschen konnte (RIS‑Justiz RS0012151).

Die Vorinstanzen haben die Gutgläubigkeit des Erwerbers der Tiefgarage hinsichtlich der Lastenfreiheit betreffend den Stellplatz des Klägers verneint.

Eine nicht verbücherte, nicht offenkundige Dienstbarkeit erlischt durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks (RIS‑Justiz RS0012151). Die Berufung auf die Gutgläubigkeit beim Erwerb einer Liegenschaft hinsichtlich der Freiheit von Dienstbarkeiten ist nur möglich, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt erkennen lassen (RIS‑Justiz RS0011676). Gutgläubigkeit ist schon bei leichter Fahrlässigkeit ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0011676 [T19]). Ein Fall, der zum Verlust des guten Glaubens führen kann, ist die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit (RIS‑Justiz RS0107843). Für den Begriff der offenkundigen Dienstbarkeit ist es wesentlich, ob man vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmen kann, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen. In jüngerer Zeit hat die Rechtsprechung im Einzelfall auch die Offenkundigkeit von persönlichen Dienstbarkeiten wie Wohnungsdienstbarkeiten bejaht (RIS‑Justiz RS0011633 [T6, T7]).

Die Wahrnehmbarkeit äußerer Anzeichen für das Bestehen einer allfälligen Dienstbarkeit und ‑ damit zusammenhängend ‑ die Frage nach einer allfälligen Erkundigungspflicht des Käufers einer Liegenschaft, dem deren Lastenfreiheit zugesichert wurde, können nur nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (vgl RIS‑Justiz RS0113777). Die Frage, ob hier eine offenkundige Dienstbarkeit vorlag und ob der Erwerber hinsichtlich der Lastenfreiheit von Dienstbarkeiten gutgläubig war, wäre daher nur dann vom Obersten Gerichtshof zu beurteilen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

Eine solche auffallende Fehlbeurteilung liegt jedoch nicht vor, steht doch fest, dass im Zeitpunkt der Besichtigungen der Garage durch den Beklagten im Zuge dessen Erwerbs der Garage der Garagenplatz des Klägers an der Stirnseite mit einer Tafel, auf der die Nummer seines Kfz‑Kennzeichens ersichtlich war, gekennzeichnet war, dass ein Autoreifen unterhalb der Tafel zum Schutz vor Beschädigungen beim Einparken platziert und parallel zur Bodenebene quer über den Stellplatz eine Kette befestigt war, wenn das Fahrzeug nicht am Stellplatz abgestellt war.

Die Revision des Beklagten zeigt keine (andere) erhebliche Rechtsfrage auf. Soweit er vorbringt, es habe sich um eine ältere Garage gehandelt und es habe eine Vielzahl von Mietern und Vornutzern und auch von Kennzeichnungen und Spuren in der Garage gegeben, entfernt sich die Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Streitgenossenzuschlag steht nicht zu, weil dem Kläger im Revisionsverfahren nur eine Partei, nämlich der Beklagte, gegenüberstand; der Nebenintervenient auf Seite des Beklagten hat nämlich keine Revision erhoben.

Stichworte