OGH 14Os21/13i

OGH14Os21/13i9.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache der Privatankläger Dr. Heinrich B***** und Gregor V***** gegen Gerlinde B***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB, AZ 31 U 78/10v des Bezirksgerichts Döbling, über den Antrag der Verurteilten Gerlinde B***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 19. August 2011, GZ 31 U 78/10v-20, wurde Gerlinde B***** des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer teilweise bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie am 23. März 2010 und am 2. Mai 2010 in Wien in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise die Privatankläger Dr. Heinrich B***** und Gregor V***** eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, sie in der öffentlichen Meinung herabzusetzen oder verächtlich zu machen, indem sie jeweils sinngemäß äußerte, die Familie B***** bestünde aus Verbrechern und habe ihr aufgrund politischer Beziehungen ihr Kind gestohlen, weil sie behindert sei, Gregor V***** sei ein schlechter Mensch, schlage Matthias und Mick, sein Kind und seinen Hund und sei gewalttätig.

Das Erstgericht ging in den Entscheidungsgründen von einer aus ihrer Gehörlosigkeit resultierenden Sprachbehinderung der Angeklagten aus, hielt aber mit ausführlicher Begründung - gestützt auf die Aussagen mehrerer für glaubwürdig befundener Tatzeugen und die Wahrnehmungen des Gerichts in der Hauptverhandlung - für erwiesen, dass sie dennoch in der Lage ist, sich (teilweise sehr gut) verständlich zu artikulieren, und der Sinn der inkriminierten - jeweils mehrfach stereotyp wiederholten - Äußerungen auch gegenständlich für die Zeugen fassbar war (US 6 ff).

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gab das Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 27. Juni 2012, AZ 131 Bl 68/12i (ON 27), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen beide Urteile richtet sich der auf § 363a Abs 1 StPO gestützte Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens der Verurteilten, mit dem sie eine Verletzung der durch Art 6 Abs 2 MRK garantierten Unschuldsvermutung geltend macht (RIS-Justiz RS0122228).

Für einen - wie hier vorliegenden - nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737).

Demnach hat - da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 16) - auch ein Erneuerungsantrag nach § 363a StPO deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359).

Der Erneuerungsantrag übergeht, dass das Erstgericht zu den vom Landesgericht für Strafsachen Wien als unbedenklich eingestuften Urteilsannahmen in freier Beweiswürdigung gelangte (§ 258 Abs 2 StPO) und beschränkt sich darauf, das Berufungsvorbringen ohne (substantielle) Auseinandersetzung mit den ausführlichen Begründungserwägungen des Berufungsgerichts (teilweise wortwörtlich) zu wiederholen sowie auf Basis eigener - zu jenen der Gerichte konträrer und teilweise auf einem erst mit dem gegenständlichen Antrag erstmals vorgelegten Beweismittel fußenden - Beweiswerterwägungen die Verständlichkeit gesprochener Äußerungen der Verurteilten für im Umgang mit Gehörlosen unerfahrene Personen sowie die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen in Zweifel zu ziehen. Solcherart wird bloß die Beweiswürdigung bekämpft, eine Verletzung der Unschuldsvermutung (vgl dazu (Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 24 Rz 126) in einer den oben dargestellten Kritierien entsprechenden Weise aber nicht einmal ansatzweise dargelegt.

Eine (in einem Klammerausdruck bloß nominell, solcherart ebenso wenig deutlich und bestimmt) angesprochene Verletzung der Art 8 oder 10 MRK wurde in der Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 19. August 2011, GZ 31 U 78/10v-20, zudem weder ausdrücklich releviert, noch der Sache nach angesprochen, womit insoweit schon dem Erfordernis (horizontaler) Erschöpfung des Instanzenzugs nicht entsprochen wurde (vgl erneut RIS-Justiz RS0122737 [insbesonders T13]).

Der Erneuerungsantrag war daher als offensichtlich unbegründet (Art 35 Abs 3 lit a zweiter Fall MRK) gemäß § 363b Abs 2 StPO analog (vgl 17 Os 11/12i) zurückzuweisen.

Stichworte