OGH 4Ob3/13i

OGH4Ob3/13i19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Dr. H***** W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des pflichtteilsberechtigten Sohnes Ing. R***** W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 13. November 2012, GZ 25 R 60/12v, 61/12s‑59, womit der Einantwortungsbeschluss und die Amtsbestätigung, je vom 23. Juli 2012, GZ 12 A 335/09b‑49 und 12 A 335/09b‑50, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00003.13I.0319.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Erblasser setzte in seinem Testament einen seiner Söhne zum Alleinerben ein und vermachte seinem anderen Sohn (dem Rechtsmittelwerber) zwei Hälfteanteile einer Liegenschaft; er verfügte dazu:

„Ein Hälfteanteil soll ihm unbeschränkt zukommen, der andere Hälfteanteil ist jedoch durch die fideikommissarische Substitution zugunsten seiner im Zeitpunkt seines Todes bereits geborenen ehelichen Kinder zu beschränken. Sollten im Zeitpunkt seines Todes keine ehelichen Kinder vorhanden sein, so soll die fideikommissarische Substitution zugunsten meiner Enkelin […] gelten.“

Das Erstgericht nahm im Einantwortungsbeschluss ua die Erklärungen des Rechtsmittelwerbers, das Legat in Einrechnung auf seinen Pflichtteil anzunehmen und sich allfällige darüber hinausgehende Pflichtteilsansprüche vorzubehalten, sowie der Enkeltochter, die ersatzweise fideikommissarische Substitution als eine solche auf den Überrest anzunehmen, zur Kenntnis; weiters nahm es die Erklärung des Posteritätskurators zur Kenntnis, die den noch nicht geborenen ehelichen Kindern des Rechtsmittelwerbers zugedachte fideikommissarische Substitution als „volle“ anzunehmen (Punkt 9.) und enthob diesen angesichts der grundbücherlichen Sicherstellung (Punkt 11.). Das Erstgericht stellte weiters eine Amtsbestätigung aus, mit der die Zulässigkeit der Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten des Rechtsmittelwerbers bestätigt wurde, hinsichtlich des Hälfteanteils B‑LNr 2 jedoch mit der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zugunsten seiner im Zeitpunkt seines Todes bereits geborenen ehelichen Kinder, ersatzweise zugunsten der Enkeltochter als Substitutin auf den Überrest.

Das Rekursgericht gab Rekursen des Rechtsmittelwerbers gegen die Amtsbestätigung und gegen Punkt 9. und 11. des Einantwortungsbeschlusses nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Für die vom Rechtsmittelwerber begehrte Beschränkung der Substitution zugunsten seiner ehelichen Nachkommen auf den Überrest bestehe keine Grundlage. Eine Beschränkung ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss über die Bestellung des Posteritätskurators; dieser hätte angesichts der Sach- und Rechtslage gegen einen solchen Auftrag sogar ein Rechtsmittel einlegen müssen. Wegen der eindeutigen Anordnung komme die Zweifelsregel des § 614 ABGB nicht zur Anwendung. Auslegungsfragen, die ein Beweisverfahren benötigten, seien nicht im außerstreitigen Rechtsweg zu klären. Zwar müsse nach § 774 ABGB der Pflichtteil frei bleiben; die Befreiung könne aber nur der Alleinerbe verlangen, der vollständig mit einer fideikommissarischen Substitution belastet sei. Als Legatar könne sich der Rechtsmittelwerber wegen einer Pflichtteilsergänzung aufgrund der Belastung nur an den Erben halten.

Der Rechtsmittelwerber macht mit Revisionsrekurs geltend, das Legat sei zur Abdeckung des Pflichtteils vermacht worden und habe deshalb nach § 774 ABGB frei zu bleiben, und zwar ungeachtet des Umstands, ob der Pflichtteilsberechtigte Erbe oder Legatar sei. Damit besitze er einen Anspruch auf Lastenfreistellung als Anfechtungsanspruch gegen den Begünstigten (hier: gegen die Nachlegatare). Das Erstgericht hätte ‑ wie beantragt ‑ dem Posteritätskurator die Weisung erteilen müssen, die fideikommissarische Substitution als eine solche auf den Überrest anzunehmen, damit diese bei einer Anfechtung nach § 774 ABGB nicht gänzlich wegfalle, und diese Beschränkung sodann in den Einantwortungsbeschluss und die Amtsbestätigung aufnehmen müssen; dabei handle es sich um eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Substitution.

1. Der Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten, der unter Beschränkung durch eine fideikommissarische Substitution zum Erben eingesetzt oder dem unter einer gleichartigen Beschränkung ein Vermächtnis ausgesetzt wurde, auf Ungültigerklärung der fideikommissarischen Substitution ist als Anfechtungsanspruch gegen den aus der fideikommissarischen Substitution Berechtigten und nicht gegen den Nachlass zu verfolgen (RIS‑Justiz RS0012874 = 6 Ob 711/87; vgl auch 7 Ob 71/00t; ebenso das einhellige Schrifttum: Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 774 Rz 3; Welser in Rummel 3 § 774 Rz 7; Eccher in Schwimann 3 § 774 Rz 5; Apathy in KBB3 § 774 Rz 2; Feil, Pflichtteilsrecht2 7.2.; Samek, Pflichteilsrecht 60; Kletečka, Ersatz‑ und Nacherbschaft, 196).

2. Dem Rechtsmittelwerber steht damit zwar auch als Vermächtnisnehmer ein unmittelbarer Anspruch auf Freistellung von pflichtteilswidrigen Bedingungen und Belastungen gegen die aus der Nacherbschaft Berechtigten zu, doch sind derartige Ansprüche im streitigen Verfahren mit Leistungsklage zu verfolgen (vgl RIS‑Justiz RS0005823, RS0012293; Feil, Pflichtteilsrecht2 7., 7.1. mwN). Im außerstreitigen Abhandlungsverfahren bestehen für die vom Rechtsmittelwerber begehrten Verfügungen keine Rechtsgrundlagen.

3. Ein Pflichtteilsberechtigter besitzt zwar im Verlassenschaftsverfahren Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis (vgl RIS‑Justiz RS0050435, RS0006567), Entscheidungen des Verlassenschaftsgerichts und insbesondere das Inventar beschränken aber sein Recht nicht, einen weitergehenden Anspruch im Prozessweg durchzusetzen (vgl RIS‑Justiz RS0007791, RS0006465). Der Rechtsmittelwerber muss seine Ansprüche als Pflichteilsberechtigter nach § 774 S 3 ABGB, welche Bestimmung im Sinne einer Anfechtbarkeit verstanden wird, die dem Noterben einen Anspruch auf Freistellung von den pflichtteilswidrigen Bedingungen und Belastungen gibt (vgl Likar‑Peer in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht 353), mit Leistungsklage gegenüber den Erben und/oder Begünstigten geltend machen.

4. Das Rekursgericht ist von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht abgewichen; eine erhebliche Rechtsfrage zeigt der Rechtsmittelwerber nicht auf.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte