OGH 1Ob44/13x

OGH1Ob44/13x14.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred K*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung, Unterlassung und Entfernung (Streitwert 31.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2013, GZ 1 R 173/12k-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. Juli 2012, GZ 2 Cg 188/11m-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Auf einem näher bezeichneten Grundstück des Klägers befindet sich eine in der ersten Hälfte der 1970er Jahre errichtete Transportwasserleitung, die ein Grundwasserwerk mit dem Versorgungssystem einer Großstadt verbindet und der Trinkwasserversorgung der dortigen Bevölkerung dient. Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 12. 7. 1974 wurde für den das Grundstück des Klägers betreffenden Abschnitt die wasserrechtliche Bewilligung erteilt und zugleich die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften, darunter auch die Rechtsvorgänger im Eigentum des Liegenschaftsteils des Klägers, durch den die Transportwasserleitung führt, nach den Bestimmungen der §§ 12, 60, 63 und 99 WRG verpflichtet, die Errichtung und den Bestand, die Wartung und Erhaltung der wasserrechtlich bewilligten Transportwasserleitung des Grundwasserwerks samt Nebenanlagen zugunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu dulden, und festgehalten, dass dabei ein Schutzstreifen nicht mit Bäumen bepflanzt oder durch Hochbauten überbaut werden darf und auch keine Sprengungen vorgenommen werden dürfen. Die Transportwasserleitung verlief damals entlang einer Straße. Als in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre diese Straße verlegt wurde, wurde der Liegenschaftsteil von rund 250 m², in dem sich die Transportwasserleitung befindet und der mittlerweile in das Eigentum des Klägers übergegangen ist, durch die Straße vom Grundstück abgetrennt, der Straßengrund enteignet und in öffentliches Gut übergeführt. In der Folge (1990/1991) wurde dieser kleine Teilbereich zur Grundstücksbereinigung gemäß §§ 15 ff Liegenschafts- teilungsgesetz (LiegTeilG) einem Grundstück der Rechtsvorgängerin des Klägers zugeschrieben. 1997 kaufte der Kläger dieses Grundstück. Auf das Bestehen der Transportwasserleitung wurde weder im Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG noch im Kaufvertrag Bezug genommen.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass keine Dienstbarkeit der Transportwasserleitung über sein Grundstück zu Gunsten der Beklagten bestehe, und stellte die weiteren Begehren, die Beklagte sei schuldig, ab sofort jegliche Anmaßungs- und Ausübungshandlung in Bezug auf diese Dienstbarkeit zu unterlassen und die bestehende Wasserleitung zu entfernen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren unter Hinweis darauf ab, dass Zwangsrechte, die im Zusammenhang mit einer wasserrechtlichen Bewilligung durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde begründet wurden, dingliche Wirkung hätten, auch die Rechtsnachfolger der ursprünglichen Bescheidadressaten bänden und die Bindung des jeweiligen Eigentümers des mit einem Zwangsrecht belasteten Grundstücks unabhängig davon bestehe, ob das Zwangsrecht im Grundbuch eingetragen sei oder nicht. Die der Beklagten eingeräumte Dienstbarkeit sei nicht aufgrund der Verbücherung von Eigentumsänderungen im vereinfachten Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG, womit zu Gunsten der Rechtsvorgängerin des Klägers die Zuschreibung des Liegenschaftsteils erfolgt sei, erloschen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige, und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Berufungsurteil gerichtete außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656) oder ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 70 mwN). Ein solcher Fall liegt hier vor.

2. Es entspricht bisheriger Rechtsprechung, dass bei der Verbücherung von Eigentumsänderungen im vereinfachten Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG idF vor der Grundbuchs-Novelle 2008, BGBl I 2008/100, die Mitübertragung bücherlicher Lasten, insbesondere auch von Dienstbarkeiten, ausgeschlossen, § 3 LiegTeilG also unanwendbar ist (RIS-Justiz RS0017895).

Mit der Neuregelung des vereinfachten Verfahrens zur Verbücherung bestimmter Anlagen durch die Grundbuchs-Novelle 2008, BGBl I 2008/100, wurde die Möglichkeit der Mitübertragung von Lasten im vereinfachten Verbücherungsverfahren geschaffen. Insbesondere bei Leitungsdienstbarkeiten wird nicht nur die Möglichkeit, sondern meist auch das Bedürfnis gegeben sein, dass solche Dienstbarkeiten nach der Errichtung und Verbücherung der Anlage weiterbestehen. Dem wird nunmehr dadurch Rechnung getragen, dass die Mitübertragung von Dienstbarkeiten gegebenenfalls zu beantragen (§ 16 LiegTeilG) und zu bewilligen (§ 18 LiegTeilG) ist (ErläutRV 542 BlgNR 23. GP, 14; Auinger, Die Grundbuchs-Novelle 2008, ÖJZ 2009/2, 5 [12]; vgl Mahrer in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 16 LiegTeilG Rz 1, § 18 LiegTeilG Rz 1; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht-ErgBd [2009] §§ 15-20 LiegTeilG Rz 5).

Für Zwangsrechte nach § 60 Abs 1 lit c iVm § 63 WRG - wie hier die von der Wasserrechtsbehörde zugunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten begründete Dienstbarkeit der Transportwasserleitung - besteht aber gemäß § 60 Abs 3 WRG eine gesetzliche Sonderregelung, die den Bestimmungen über die Abschreibung eines Teilstücks im vereinfachten Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG vorgeht.

3. Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 12. 7. 1974 wurde im Zusammenhang mit einer wasserrechtlichen Bewilligung die Dienstbarkeit der Transportwasserleitung auf dem nunmehrigen Grundstück des Klägers zu Gunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten begründet (§ 60 Abs 3 erster Satz iVm § 60 Abs 1 lit c und § 63 WRG). Bei diesem Bescheid, mit dem ein Zwangsrecht im Sinn des § 60 Abs 3 WRG begründet wurde, handelt es sich um einen konstitutiven Akt (VwGH Zl 97/07/0079 = VwSlg 15.090 A/1999). Dieses Zwangsrecht bindet den jeweiligen Eigentümer der belasteten Liegenschaft, ohne dass es einer Einverleibung des Zwangsrechts oder einer Ersitzung des Rechts durch den Wasserberechtigten bedürfte (§ 60 Abs 3 zweiter Satz WRG; 1 Ob 5, 6/87 = SZ 60/84 unter Verweis auf Grabmayr/Rossmann, Das österreichische Wasserrecht² [1978], § 60 WRG Anm 11, 12; offenbar zustimmend Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.01 § 60 Rz 1). Zwangsrechtsbescheide haben dingliche Wirkung; das heißt, sie binden auch die Rechtsnachfolger der ursprünglichen Bescheidadressaten. Ob diese vom Zwangsrechtsbescheid bzw vom Bestand des Zwangsrechts Kenntnis haben oder nicht, ist dabei ohne Belang (Bumberger/Hinterwirth, WRG² [2013] § 60 K 13, K 14; Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993] § 60 WRG Rz 15, § 63 WRG Rz 10). Zwangsrechte können im Grundbuch eingetragen werden (vgl § 119 Abs 2 WRG); dies ordnet das WRG im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht zwingend an (Raschauer aaO § 60 WRG Rz 14). Aus § 60 Abs 3 zweiter Satz WRG folgt demnach, dass die dort genannten Zwangsrechte - wie hier die Dienstbarkeit der Transportwasserleitung - den Kläger als Eigentümer der belasteten Liegenschaft binden, unabhängig davon, dass seiner Rechtsvorgängerin diese Teilfläche im vereinfachten Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG zugeschrieben wurde. Das wasserbehördliche Zwangsrecht ist dadurch - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten - nicht erloschen.

4. Diese Beurteilung gilt - wie gesagt - unabhängig davon, ob das Zwangsrecht im Sinn des § 60 Abs 1 lit c iVm § 63 WRG im Grundbuch einverleibt ist oder nicht, weil die gesetzlich angeordnete Bindung nach § 60 Abs 3 zweiter Satz WRG den jeweiligen Eigentümer der belasteten Liegenschaft trifft. Eine „unzulässige Ungleichbehandlung“ liegt - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht vor.

Das wasserbehördliche Zwangsrecht war und ist entschädigungspflichtig (vgl § 60 Abs 2 WRG: „angemessene Entschädigung“). Der Rechtsvorgänger des Klägers und vormalige Eigentümer des Liegenschaftsteils, in dem sich die Transportwasserleitung befindet, musste demnach entschädigt werden. Entgegen der Ansicht des Klägers läge sehr wohl ein unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie (Art 5 StGG; Art 1 des 1. ZP zur EMRK) problematischer Rechtseingriff zu Lasten der Beklagten vor, käme es bei der Abschreibung eines Teilstücks im vereinfachten Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG zum Erlöschen des gegen eine Entschädigung eingeräumten wasserbehördlichen Zwangsrechts.

5. Einer weiteren Begründung des Beschlusses bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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